Hier informiert Sie das China-Zentrum zur Situation der Religionen und der christlichen Kirchen in China.


Chronik zu Religion und Kirche in China 1. Oktober - 31. Dezember 2019

Die „Chronik zu Religion und Kirche in China“ erscheint seit Anfang 2010 regelmäßig in den Informationen von China heute. Da manche Nachrichten (der Redaktion) erst später bekannt werden, kann es zu Überschneidungen zwischen den Chroniken kommen, wobei jeweils in der vorangegangenen Nummer bereits erwähnte Ereignisse nicht noch einmal aufgeführt werden. Alle Chroniken finden sich auch online auf der Website des China-Zentrums (www.china-zentrum.de).
Der Berichtszeitraum der letzten Chronik (2019, Nr. 3, S. 154-161) reichte bis einschließlich 2. Oktober 2019.

 

Politik, Menschenrechte

24. Oktober 2019:
Präsident des EU-Parlaments: Ilham Tohti erhält den Sacharow-Preis
Das Europäische Parlament verleiht den diesjährigen Sacharow-Preis an den inhaftierten uigurischen Akademiker in Anerkennung seiner Bemühungen, „den Dialog und die Verständigung zwischen den Uiguren und den Völkern Chinas zu fördern.“ Der heute fünfzig Jahre alte Tohti, der als Wirtschaftswissenschaftler an der Minzu-Universität für ethnische Minderheiten in Beijing lehrte und sich für die Rechte des Volkes der Uiguren im Autonomen Gebiet Xinjiang einsetzte, war 2014 wegen Anstiftung zum Separatismus zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Tohti selbst sieht sich als Mittler zwischen den Kulturen. Das hohe Strafmaß von 2014 wird als Warnsignal der chinesischen Regierung an alle kritischen Intellektuellen gesehen. Tohti galt als sehr gut vernetzt, auch mit Han-chinesischen Bürgerrechtlern. Die eigentliche Preisverleihung findet am 18. Dezember 2019 statt. Bei der Verkündigung der Preisverleihung im EU-Parlament am 24. Oktober forderte Parlamentspräsident David Sassoli die chinesischen Behörden auf, Tohti unverzüglich freizulassen. Sassoli bezeichnete den Geehrten, der sein Leben dem Dialog zwischen den Uiguren und den Han-Chinesen in Xin­jiang verschrieben habe, als „eine Stimme der Mäßigung und der Versöhnung“. Der Sacharow-Preis für geistige Freiheit wird seit 1988 vom Europäischen Parlament an Personen oder Organisationen für Verdienste um die Verteidigung der Meinungsfreiheit verliehen (dw.com 24.10.; AsiaNews 25.10.).

27. Oktober 2019:
Neue Moral-Richtlinien für Chinas Bürger
Das Zentralkomitee der KP und der chinesische Staatsrat haben neue Richtlinien für das moralische Verhalten aller Bürger erlassen, die von zivilisiertem Benehmen in der Öffentlichkeit über Kindererziehung bis zur Mülltrennung reichen. Die „Richtlinien zum Aufbau und zur Implementierung bürgerlicher Moral im neuen Zeitalter“ rufen chinesische Bürger zu Ehrlichkeit und Höflichkeit auf und fordern gute Manieren beim Essen, Reisen oder dem Besuch von Sportveranstaltungen. Im Ausland sollen Chinesen „Chinas Ehre verteidigen“. Die Richtlinien sollen dazu beitragen, den Patriotismus zu fördern und „nationale Etikette“ zu formulieren, z.B. beim Singen der Nationalhymne, beim Hissen der Nationalflagge oder bei der Zeremonie zur Aufnahme in die KP. Die Richtlinien betonen die Bedeutung des Xi-Jinping-Denkens als Kern der bürgerlichen Moral. Im Vergleich zu früheren Richtlinien dieser Art fällt auf, dass andere Führungspersönlichkeiten der KP wie Mao Zedong und Deng Xiaoping in der aktuellen Version nicht mehr erwähnt werden. Das Dokument wird als ein Zeichen gewertet, dass die Propaganda-Arbeit verstärkt und die spezifische Sicht der KP auf die chinesische Tradition, insbesondere auf Kultur und Ethik, durchgesetzt werden soll.
Im Kontext der Erziehung zum Patriotismus ist auch eine Bekanntmachung des chinesischen Erziehungsministeriums vom 31. Oktober zu sehen, nach der bestimmte Lehrbücher aus Grund- und Mittelschulen entfernt werden müssen. Dazu gehören „illegale Bücher“, die den chinesischen Gesetzen oder der politischen Richtung der KP zuwiderlaufen, sowie „unangemessene Bücher“, die nicht den sozialistischen Kernwerten entsprechen (The Guardian 29.10; Xinhua 12.11.).

24. November 2019:
International Consortium of Investigative Journalists veröffentlicht geleakte interne Dokumente aus Xinjiang mit Informationen über die „Fortbildungszentren für Berufsbildung“
Das Konsortium – hier nach Darstellung der beteiligten Süddeutschen Zeitung (SZ 24.11.) – erhielt die Dokumente von Exil-Uiguren, die ursprüngliche Quelle sei aber offenbar eine Person in Xin­jiang unbekannter Identität. Experten hätten sie dem Sprachduktus nach für echt gehalten; sie lägen auch mindestens einem westlichen Geheimdienst vor, der sie für authentisch befunden habe. Mehrere Dokumente seien von Zhu Hailun, dem Leiter der Kommission für politische und rechtliche Angelegenheiten des Autonomen Gebiets Xinjiang (KPRA Xinjiang), unterzeichnet. Laut SZ hat die chinesische Botschaft in London allerdings dem britischen Guardian mitgeteilt, die Dokumente seien „reine Fälschung“. Die Papiere, die ein großes internationales Medienecho hervorriefen und als definitiver Beleg für die massenhaften Zwangsinternierungen in Xinjiang gewertet wurden, finden sich unter www.icij.org/investigations/china-cables/read-the-china-cables-documents.
Das wichtigste der geleakten Papiere ist ein von der KPRA Xinjiang herausgegebenes 9-seitiges Geheimtelegramm (die letzte Seite fehlt) mit dem Titel „Ansichten zur weiteren Verstärkung und Standardisierung der Arbeit der Fortbildungszentren für Berufsbildung“, aus dem der gefängnisartige Charakter der Zentren hervorgeht. So heißt es darin in dem ersten Kapitel über die Sicherheit der Zentren, es seien strenge Maßnahmen zur Verhinderung von Flucht zu treffen. Neben Wachpersonal, Patrouillen, lückenloser Kameraüberwachung etc. heißt es u.a., Türen zu Unterkünften, Korridoren und Blocks seien immer sofort nach dem Öffnen zweimal abzuschließen. Die Aktionen der Studierenden seien streng zu kontrollieren, um zu verhindern, dass sie beim Unterricht, Toilettengang, Verwandtenbesuch etc. fliehen; bei Ausgang aufgrund spezieller Umstände müsse sie jemand begleiten und überwachen. Ideologische Probleme und abnormale Gefühle der Studierenden müssten jederzeit bewertet und gelöst werden. Zentren mit über 1.000 Personen benötigten ständiges Fachpersonal für Lebensmittel- und Hygienekontrolle sowie Seuchenprävention. Das Dokument enthält ferner Angaben zu den Inhalten der Fortbildungen und der Klassifizierung und Punktebewertung der Studierenden. Eine der Voraussetzungen für die Beendigung der Fortbildung ist „mindestens ein Jahr Erziehung und Fortbildung im Fortbildungszentrum“. Danach folgen für alle 3–6-monatige Kurse zur Anhebung von Fertigkeiten, anschließend die Vermittlung von Arbeitsplätzen – so das Dokument.

15. Dezember 2019:
Neue staatliche Bestimmungen zur Internet-Ökologie setzen auf Verbreitung positiver Energie
Zweck der neuen Regularien ist die Schaffung eines „guten Internet-Ökosystems“, in dem „positive Energie“ verbreitet wird (§§ 1 und 2). Die Bestimmungen unterscheiden drei Arten von Informationen: erwünschte, illegale und negative (wörtlich: „ungute“, buliang 不良). Ermutigt werden insbesondere Inhalte, die Xi Jinpings Gedanken und die Politik der Partei verbreiten, die Bevölkerung zum Konsens führen, Verantwortung und Güte fördern oder den internationalen Einfluss der chinesischen Kultur verstärken (§ 5). Unter den illegalen Informationen werden u.a. Gefährdung der nationalen Sicherheit, Anstiftung zu Terrorismus, Extremismus und ethnischem Hass aufgeführt, aber auch „Schädigung der Ehre und der Interessen der Nation“ und Verbreitung von Gerüchten. Auch „Inhalte, die die staatliche Religionspolitik unterminieren oder Kulte und Aberglauben propagieren“ fallen darunter (§ 6). Zu den negativen Inhalten, die verhindert werden sollen, zählen Sensationalisierung, sexuell Anzügliches, die Jugend zu schlechten Sitten Verführendes, außerdem „unangemessene Kommentare zu Naturkatastrophen, größeren Vorfällen und anderen Katastrophen“ (§7). Die „Bestimmungen zur Regulierung der Ökologie von Internetinformationsinhalten“ 网络信息内容生态治理规定 wurden am 15. Dezember vom State Internet Information Office erlassen und traten am 1. März 2020 in Kraft (englische Übersetzung und Original unter www.chinalawtranslate.com/en/provisions-on-the-governance-of-the-online-information-content-ecosystem).
Das Konzept eines zu wahrenden ökologischen Gleichgewichts wird auch in der chinesischen Religionstheorie und -politik angewandt. Mehrere von UCAN befragte katholische Webmaster in
Festlandchina zeigten sich besorgt angesichts der neuen Regularien (Merics China Update 2020, Nr. 5; UCAN 6.03.2020).

28. Dezember 2019:
China schafft „Verwahrung und Erziehung“ für Prostituierte ab und verabschiedet Gesetz zur „Besserung in der Gemeinschaft“
Der Ständige Ausschuss des Nationalen Volkskongresses verabschiedete diese beiden gesetzlichen Neuerungen, die Freiheitsentzug in Gefängnissen oder anderen Anstalten reduzieren sollen. Dies war dem Forschungsinstitut Merics zufolge von der UN wiederholt angemahnt worden.
Unter den jetzt abgeschafften Bestimmungen für „Verwahrung und Erziehung“ (shourong jiaoyu 收容教育) konnten bisher Prostituierte und ihre Kunden für bis zu zwei Jahre in sogenannten Erziehungszentren festgehalten werden, wo sie laut BBC auch Zwangsarbeit leisten mussten. Diese Strafe konnte ohne Gerichtsverfahren von den Strafverfolgungsbehörden (Polizei) verhängt werden – ähnlich wie die bereits 2013 abgeschaffte „Umerziehung durch Arbeit“ (laojiao 劳教). Prostitution bleibt aber weiterhin gesetzwidrig.
Bei der „Besserung in der Gemeinschaft“ (community correction, shequ jiaozheng 社区矫正)handelt es sich um Strafvollzug außerhalb der Haftanstalt, in der Gemeinschaft, d.h. dem Nachbarschaftsviertel (shequ), in dem die Verurteilten ihren Wohnsitz haben. Das neue „Gesetz über Besserung in der Gemeinschaft“ tritt am 1. Juli 2020 in Kraft. Laut Xinhua richtet sich die „Besserung in der Gemeinschaft“ auf Straftäter, die zur öffentlichen Überwachung verurteilt, begnadigt, auf Bewährung entlassen oder zur vorübergehenden Verbüßung ihrer Strafe außerhalb des Gefängnisses zugelassen wurden. Die Entscheidung darüber treffen entweder Volksgerichte oder aber Strafvollzugsorgane oder Organe der öffentlichen Sicherheit. Erste Pilotversuche gab es bereits ab 2003 (BBC 28.12.2019; Merics China Update 2020, Nr. 1; Xinhua 28.12.2019; www.chinalawtranslate.com/community-corrections-law-2/?lang=en ;vgl. China heute 2014, Nr. 4, Chronik, 5. November 2014).

 

Religionspolitik

26. November 2019:
Beratung über zeitgemäße Auslegung religiöser Lehren und Vorschriften in der Kommission für Nationalitäten und Religionen der Politischen Konsultativkonferenz (PKK)
Übersetzungen kanonischer Bücher sollen überprüft und gegebenenfalls korrigiert werden

Sie stand unter dem Thema „Mit den sozialistischen Kernwerten die Religionen zu einer Auslegung ihrer religiösen Lehren und religiösen Vorschriften (教义教规) hinführen, die den Anforderungen des Fortschritts der Zeit entspricht“. 16 PKK-Abgeordnete aus den religiösen Kreisen, Fachwissenschaftler und weitere Religionsvertreter nahmen an dem Austausch teil. Die Teilnahme von Wang Yang, dem Vorsitzenden der PKK und Mitglied des Politbüros der KP, unterstrich den hohen politischen Stellenwert der Beratung. Wang Yang forderte in seiner Rede die schrittweise Bildung eines „religiösen Denksystems“ (宗教思想体系), das chinesische Besonderheiten aufweist und der fortschrittlichen Entwicklung der Zeit entspricht, als ideologische Grundlage für die Anpassungen der Religionen an den Sozialismus. Wie es in dem Bericht von Xinhua weiter heißt, waren alle Teilnehmer der Meinung, dass „die kanonischen Bücher und Lehren der Religionen zeitgemäß, autoritativ und korrekt ausgelegt werden müssen, um extremistisches Denken und Häresien abzuwehren. Die bestehenden Übersetzungen der kanonischen Bücher der Religionen (宗教经典) müssen umfassend bewertet und Inhalte, die nicht dem Fortschritt der Zeit entsprechen, je nach Notwendigkeit mit einem Kommentar versehen, korrigiert oder neu übersetzt werden.“ Ein „Plan für die Auslegungsarbeit“ (阐释工作计划) sei zu entwickeln, bei dem auch die Besonderheiten der einzelnen Religionen berücksichtigt würden, es solle nicht „alles über einen Kamm geschoren werden“. Die zuständigen Behörden sollen die Auslegungsarbeit durch Unterstützung und Dienstleistung gewährleisten, so der Xinhua-Bericht. Ein weiterer Bericht über die Beratung in der Zeitung der PKK zitierte u.a. Bischof Fang Xingyao, Vorsitzender der Chinesischen katholischen patriotischen Vereinigung und Vizevorsitzender der Bischofskonferenz, mit den Worten: „Die Liebe zum Land steht über der Liebe zur Religion, das staatliche Recht steht über den religiösen Vorschriften“ (www.xinhuanet.com/politics/2019-11/26/c_1125277447.htm; AsiaNews 2.12.; South China Morning Post 27.11.; tyzx.people.cn 29.11.; Xinhua 26.11.).

12. Dezember 2019:
Konferenz der nationalen religiösen Organisationen: Mit „Selbstvertrauen“ das „Narrativ der Religionen Chinas gut erzählen“, die „Vorzüge der Religionen Chinas in internationale Diskursvorteile umwandeln“
„Das Narrativ [die „Story“] der Religionen Chinas gut erzählen“ (讲好中国宗教故事) war Hauptthema der 11. Sitzung der Gemeinsamen Konferenz der nationalen religiösen Organisationen, d.h. der staatlich gestützten Dachverbände der fünf Religionen plus Chinas YMCA/YWCA. Wang Zuo’an, Vizeminister der Einheitsfrontabteilung der KP und Direktor des Nationalen Büros für religiöse Angelegenheiten, nahm an dem Treffen in Beijing teil und hielt eine Rede. Laut einem Bericht auf der Website der Einheitsfrontabteilung stellte die Konferenz fest, dass, im Versuch, Chinas Aufstieg einzudämmen, einige Kräfte im Ausland versuchten, Wahr und Falsch zu verdrehen und China der Religionsverfolgung zu beschuldigen. „Das chinesische Volk kann selbst am besten beurteilen, ob die chinesische Religionspolitik und die Situation der Religionen gut sind“, so die Konferenz. Das Wichtigste in dieser Situation sei „Selbstvertrauen“ (自信), es komme darauf an, nicht nur gut zu handeln, sondern dies auch gut darzustellen, so dass „die Menschen in der Welt es verstehen“. Dabei müsse die „Logik der historischen Entwicklung“ der chinesischen Religionen und ihr vor dem Hintergrund des Sozialismus mit chinesischen Merkmalen „unverwechselbarer politischer Charakter“ hervorgehoben werden. Im Vergleich mit der Geschichte und Realität in der Welt könne Chinas Theorie und Praxis „ein erfolgreiches Beispiel für die internationale Gemeinschaft sein, wie Religionsbeziehungen zu behandeln sind“. Die nationalen religiösen Organisationen müssten das „Vierfache Selbstvertrauen“ (四个自信 [i.e. das Vertrauen in den Weg des Sozialismus chinesischer Prägung, in die eigenen Theorien, das eigene System und die eigene Kultur]) festigen und die „Vorzüge der Religionen Chinas effektiv in internationale Diskursvorteile [国际话语优势] umwandeln“ – heißt es in dem Bericht der Einheitsfrontabteilung (www.zytzb.gov.cn/tzyw/321265.jhtml). Alle Vorsitzenden der Religionsverbände hielten bei dem Treffen Reden, für den Katholizismus Bischof Ma Yinglin, der Vorsitzende der Bischofskonferenz; für die Buddhistische Vereinigung, deren Vorsitz vakant ist, der Vizevorsitzende Yanjue.

 

Daoismus

11. November 2019:
Fünfjahresplan zur Sinisierung des Daoismus veröffentlicht
Nachdem bereits Fünfjahrespläne zur Sinisierung des Protestantismus (März 2018), des Katholizismus (Mai 2018) und des Islam (Januar 2019) veröffentlicht worden waren, legte nun auch die Chinesische daoistische Vereinigung einen „Abriss des Fünfjahres-Arbeitsplans für das Festhalten an der Ausrichtung des Daoismus auf Sinisierung (2019–2023)“ vor, der am 11. November auf ihrer Website eingestellt wurde. Er enthält, ebenso wie die Pläne der anderen Religionen, sehr viele parteipolitische Forderungen und Formulierungen. Ein erster Blick auf das Dokument zeigt aber auch, dass offenbar erhebliche Eingriffe in Lehren und Praktiken des Daoismus, der einzigen einheimischen unter den „fünf Religionen“ Chinas, vorgesehen sind: Die traditionellen daoistischen Gebote (道教戒律) sollen geordnet, nicht der Zeit entsprechende Bestimmungen sollen korrigiert oder gestrichen und zeitgemäße Verhaltensregeln ergänzt werden (Punkt 8). Die Kleidung der daoistischen religiösen Amtsträger soll standardisiert (Punkt 10), daoistische Praktiken (法务活动) sollen ebenfalls standardisiert, nicht den Erfordernissen der Zeit entsprechende Praktiken vereinfacht oder abgeschafft werden (Punkt 11). Die daoistischen Klassiker sollen geordnet und aktiv die moderne Konstruktion eines Systems der daoistischen Lehren betrieben werden (Punkte 13 und 14). Der Text des 坚持道教中国化方向五年工作规划纲要 (2019-2023) findet sich unter www.taoist.org.cn/showInfoContent.do?id=5209&p=‘p‘.
Eine Projektgruppe „Moderne Kon­struktion eines Systems der daoistischen Lehren“ nahm bereits im April 2019 ihre Arbeit auf; vgl. China heute 2019, Nr. 2, Daoismus, 26.-28. April 2019. Siehe auch den Eintrag über den Fünfjahresplan zur Sinisierung des Buddhismus in der folgenden Rubrik.

 

Buddhismus

27. Oktober 2019:
Die beiden rivalisierenden Karmapas veröffentlichen ein gemeinsames Gebet für die Reinkarnation des Shamarpa
Der Shamarpa ist eine wichtige Inkarnationslinie der Karma-Kagyu-Schule des tibetischen Buddhismus, deren Oberhaupt der Karmapa ist. Der 14. Shamarpa starb 2014. Für den aktuellen 17. Karmapa Lama wiederum wurde von unterschiedlichen hochrangigen Lamas der Linie jeweils ein anderer Knabe als Reinkarnation bestätigt. Der Karmapa Trinley Thaye Dorje, geb. 1983, wurde von dem 14. Shamarpa bestätigt; er kam schon als Kind nach Indien und wurde dort ausgebildet. Der Karmapa Ogyen Trinley Dorje, geb. 1985, ist auch vom Dalai Lama (der allerdings das Oberhaupt einer anderen Schule, der Gelugpa, ist) und der chinesischen Regierung anerkannt. Er wurde in der VR China unter Regierungsaufsicht ausgebildet und floh Ende Dezember 1999 nach Indien. Karmapa Trinley Thaye Dorje hatte am 27. Oktober 2014 erklärt, dass er die nächste Inkarnation des Shamar Rinpoche identifizieren werde. Dass er dies jedenfalls nicht im Konflikt mit dem „anderen“ Karmapa Ogyen Trinley Dorje tut, lässt sich aufgrund der Tatsache vermuten, dass beide genau fünf Jahre später, am 27. Oktober 2019, auf ihren jeweiligen Websites ein gemeinsames Gebet für langes Leben der Reinkarnation des 14. Shamarpa veröffentlichten. Bereits am 11. Oktober 2018 hatten beide Karmapas eine gemeinsame Absichtserklärung zur Überwindung der Spaltung in der Karma Kagyu-Linie abgegeben (Gebet unter https://kagyu.org/shamar-joint-prayer sowie unter karmapa.org; Bekanntmachung unter www.karmapa.org/karmapa-thaye-dorje-find-reincarnation-of-shamarpa; vgl. China heute 2018, Nr. 4, Chronik, Buddhismus, 11. Oktober 2018).

14. November 2019:
Fünfjahresplan zur Sinisierung des Buddhismus veröffentlicht
Der „Abriss des Fünfjahres-Arbeitsplans für das Festhalten an der Ausrichtung des Buddhismus auf Sinisierung (2019–2023)“ wurde bereits am 24. Juli 2019 vom Ständigen Verwaltungsrat der Chinesischen buddhistischen Vereinigung verabschiedet, aber erst am 14. November auf ihrer Website eingestellt. Er ist deutlich länger als die Fünfjahrespläne der anderen Religionen. Unter anderem plant er eine „Bereicherung und Weiterentwicklung des Denkens des humanistischen Buddhismus“. Dessen Ursprung und Entwicklungslinien sollen weiter erforscht, Erfahrungen in Übersee einbezogen werden, wobei falschem Denken und Handeln Widerstand geleistet werden soll. Die Errichtung eines Systems des humanistischen Buddhismus (人间佛教) mit Lehre, kanonischen Schriften, Spiritualität, Regeln und Liturgie soll erkundet werden. Eine weitere, laut Dokument vorgesehene Zukunftsaufgabe besteht darin, für Lehre und Vorschriften der tibetischen und der Theravada-Tradition des Buddhismus Auslegungen hervorzubringen, die der heutigen Entwicklung Chinas und der vorzüglichen traditionellen Kultur Chinas entsprechen. Der Text des 坚持佛教中国化方向五年工作规划纲要 (2019-2023) findet sich unter www.chinabuddhism.com.cn/e/action/ShowInfo.php?classid=506&id=40672. Siehe auch den Eintrag über den Fünfjahresplan zur Sinisierung des Daoismus in der vorstehenden Rubrik.

 

Islam

4. Dezember 2019:
Chinesische islamische Vereinigung (CIV) weist US-amerikanischen Uyghur Human Rights Policy Act of 2019 zurück
Nachdem der Gesetzentwurf in verschärfter Form am 3. Dezember 2019 vom US-Repräsentantenhaus verabschiedet worden war, veröffentlichte die CIV am 4. Dezember auf ihrer Website ein Statement, in dem sie Empörung über die nach ihrer Ansicht darin enthaltene verzerrte Darstellung und unbegründeten Anschuldigungen zur Menschenrechtslage in Xinjiang äußerte. In Xinjiang würden Menschenrechte und Glaubensfreiheit geschützt, so das Statement. Seit den 1990er Jahren hätten die „drei Kräfte“ unter dem Deckmantel der Religion die ethnischen religiösen Gefühle der Menschen ausgenutzt, um religiösen Fanatismus zu schüren, religiösen Extremismus zu verbreiten und einige Menschen zu gewalttätigen und terroristischen Akten anzustiften. Xinjiang sei das wichtigste Schlachtfeld im Kampf Chinas gegen Terrorismus und De-Extremismus, und die islamischen Kreise Xinjiangs beteiligten sich aktiv an der De-Extremisierungsarbeit, durch Auslegung der kanonischen Schriften und der Lehre sowie durch Widerlegung häretischer Theorien wie „Märtyrer des Heiligen Kriegs kommen in den Himmel“ oder der „Lehre von den Ungläubigen“ – so das Statement (www.chinaislam.net.cn/cms/news/jujiaoredian/201912/04-13661.html). Auch die Sprecherin des chinesischen Außenministeriums, Hua Chunying, hatte den Gesetzentwurf am 4. Dezember zurückgewiesen. Dieser fordert die US-Administration zu Sanktionen gegen chinesische Behördenvertreter auf, die als in die Internierungen in Xinjiang involviert identifiziert werden (South China Morn­ing Post 4.12.).

 

Orthodoxie

30. Oktober 2019:
Chinesischer Konsul trifft sich in Istanbul mit Patriarch Bartholomäus I.
Zum ersten Mal hat ein chinesischer Regierungsvertreter den orthodoxen Ökumenischen Patriarchen von Kon­stantinopel besucht. Das Treffen fand auf Initiative des chinesischen Generalkonsuls Cui Wei statt, der bei dieser Gelegenheit auch die orthodoxe Kathedrale im Phanar, einem Stadtviertel von Istanbul, besichtigte. Bartholomäus I. erklärte dem Gast die Geschichte des Patriarchats und seine Funktion für die orthodoxen Kirchen in aller Welt und unterrichtete ihn auch über die orthodoxe Metropolie in Hongkong. Cui legte dem Ehrenoberhaupt der Weltorthodoxie die chinesische Religionspolitik dar und lud den Patriarchen zu einem Besuch in China ein. Bartholomäus erklärte sich dazu bereit, sobald er eine offizielle Einladung der chinesischen Regierung erhalte. Laut Asia­News sehen Beobachter in dem Besuch des chinesischen Generalkonsuls eine anti-russische Note, da die Chinesen den Patriarchen von Konstantinopel als mögliches Gegengewicht zu dem russischen Patriarchen von Moskau betrachteten (AsiaNews 1.11.).

 

Protestantismus

Oktober 2019:
Internationale Bibel-Konferenz abgesagt
Das nationale theologische Seminar des Chinesischen Christenrates mit Sitz in Nanjing hatte für Anfang November eine Konferenz zum 100-jährigen Bestehen der Chinese Union Version der Bibel, einer chinesischen Übersetzung der English Revised Version, geplant, die ohne offizielle Angabe von Gründen im Oktober abgesagt wurde. An einer vollständigen chinesischen Übersetzung der Bibel aus den hebräischen und griechischen Originaltexten wird noch gearbeitet.
Isabel Friemann, China InfoStelle

11. und 12. November 2019:
Amity Druckerei feiert 200-millionste Bibel
Die 1986 gegründete Druckerei der Amity Foundation in Nanjing feierte den Druck der 200-millionsten Bibel. Bisher wurden Bibeln in über 130 Sprachen und Dialekten gedruckt, davon 85 Millionen für den chinesischen Markt. Das Jubiläum fand mit Beteiligung von über 200 Gästen aus Kirche und Gesellschaft statt, darunter auch vielen internationalen Gästen aus Afrika. In Äthiopien hat Amity 2015 das Amity Printing Africa Service Center eingerichtet, im Sommer 2019 zusätzlich die Amity Printing Kenya Corporation. Aus Anlass des Jubiläums zeigte die Druckerei eine Ausstellung historischer Evangelienbücher und Bibeln in chinesischer Sprache. Bischof Hans-Jürgen Abromeit aus der [deutschen evangelischen] Nordkirche vertrat als zweiter Vorsitzender die deutsche Bibelgesellschaft. Als einziger Vertreter eines Missionswerkes war Pastor Dr. Christian Wollmann, Leiter des Zentrums für Mission und Ökumene der Nordkirche, gebeten, als Stellvertreter für alle ausländischen Gäste ein Grußwort zu sprechen (http://en.ccctspm.org 29.11. und persönlicher Bericht C. Wollmann).
Isabel Friemann, China InfoStelle

21. und 22. November 2019:
Treffen tauscht sich über Anbindung von Versammlungspunkten an die Kirchen aus
Der Chinesische Christenrat (CCC) und die Drei-Selbst-Bewegung (TSPM) veranstalteten in Qingdao eine zweitägige Schulung mit Erfahrungsaustausch zu Strategien der Anbindung von nicht-registrierten Versammlungspunkten bzw. Hauskirchen an registrierte Gemeinden („以堂带点“). Nach der Eröffnung durch den TSPM-Vorsitzenden Xu Xiaohong hielt CCC-Präsident Wu Wei die Einführungsrede, in der er als notwendigen nächsten Schritt der Implementierung der neuen Vorschriften für religiöse Angelegenheiten die aktive Anbindung von nicht-registrierten Versammlungspunkten an registrierte Gemeinden erläuterte. „Solange sie einen reinen Glauben vertreten und keine Staat und Gesellschaft gefährdenden Aktivitäten treiben, sind es unsere Brüder und Schwestern, denen wir unsere Dienste entgegenbringen sollten“, sagte Wu. 70 kirchliche Mitarbeitende in Leitungsfunktionen verschiedener Provinzen und Städte hörten anschließend im Plenum beispielhafte lokale Erfahrungsberichte, bevor sie sich in Kleingruppen miteinander austauschten. Am zweiten Tag wurden zur Anschauung verschiedene christliche Hauskirchen in Qingdao besucht, die sich bereits Gemeinden angeschlossen haben. Beim Schlusswort betonte Pastor Wu Wei die Funktion von CCC und TSPM als Bindeglied zwischen Gläubigen einerseits sowie Partei und Regierung andererseits (ccctspm.org 25.11.).
Isabel Friemann, China InfoStelle

9. Dezember 2019:
Wang Yi ein Jahr in Haft
Wang Yi, Leiter der Rainbow Covenant Hauskirche in Chengdu, ist nach seiner Verhaftung am 9. Dezember 2018 weiterhin in Haft, bisher ohne Gesprächsmöglichkeit mit seinem Anwalt. Noch ist er nicht rechtskräftig verurteilt. Mutmaßungen gehen von einer Haftstrafe bis zu 10 Jahren aus. Ein zum Presbyter ordinierter Mitarbeiter der Gemeinde, Qin Defu, wurde Ende November zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. Gründe für die Festnahme Wang Yis war u.a. seine offene Kritik an Xi Jinpings Personenkult und Religionspolitik. Wangs Frau Jiang Rong steht zusammen mit dem gemeinsamen Sohn unter Hausarrest (AsiaNews 3.12.; vgl. China heute 2019, Nr. 1, Chronik, Christentum allgemein, 9. Dezember 2018).
Isabel Friemann, China InfoStelle

26. Dezember 2019:
Pastor Wang Yi zu neun Jahren Haft verurteilt
Am 26. Dezember wurde Pastor Wang Yi, regimekritischer Leiter der Early Rain Covenant Church in Chengdu, in einem Gerichtsverfahren unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu einer Haftstrafe von 9 Jahren verurteilt. Das Datum fällt nicht nur mit dem christlichen Weihnachtsfest, sondern auch mit dem Geburtstag von Staatsgründer Mao Zedong zusammen, was als Demonstration der vorherrschenden Ideologie verstanden werden kann. Neben der Haftstrafe wurden Pastor Wang für den Zeitraum von drei Jahren die Rechte als Staatsbürger aberkannt und persönliche Gegenstände im Wert von umgerechnet 6.500 Euro konfisziert. Begründet wurde das Urteil mit „Anstiftung zum Umsturz der Staatsmacht“ und „illegalem Handel mit religiösen Druckerzeugnissen“. Seine Frau, Jiang Rong, befindet sich mit dem gemeinsamen Sohn unter Hausarrest. Nach einer großangelegten Razzia und Festnahmeaktion in der Gemeinde waren die meisten Mitglieder rasch wieder auf freien Fuß gesetzt worden. Im November 2019 war bereits Qin Defu, ein Gemeindeleiter der Early Rain Covenant Church, wegen „illegaler Geschäftstätigkeit“ zu vier Jahren Gefängnis verurteilt worden (New York Times 30.12.2019; UCAN 3.01.2020).
Isabel Friemann, China InfoStelle

 

Katholische Kirche

28. Oktober 2019:
Öffentliche Priesterweihe in Mindong ohne Bischof Guo Xijin
Bischof Zhan Silu von Mindong in Fujian weihte in Abwesenheit seines Weihbischofs Guo Xijin zwei Diakone zu Priestern, den einen für seine eigene Diözese, den anderen für Minbei. Laut AsiaNews war es die erste öffentliche Priesterweihe in der Diözese Mindong seit 70 Jahren. Im Dezember 2018 hatte sich in Mindong der von der Regierung nicht anerkannte Ortsbischof Guo Xijin auf Bitten des Papstes dem vom Papst begnadigten, vormals illegitimen Bischof Zhan Silu unterstellt, war aber dennoch nicht von der Regierung als Weihbischof anerkannt worden; im Mai 2019 hatte er angesichts permanenten Drucks der Behörden auf seine Priester im Untergrund seinen Antrag auf staatliche Anerkennung zurückgezogen. Ein Priester erklärte AsiaNews, dass die Regierung Bischof Guo zur Teilnahme an der Priesterweihe eingeladen habe, dieser habe sich jedoch dazu nicht in der Lage gesehen, solange die Situation seiner Priester sich nicht verbessere. „Ich muss mich um die inoffiziellen Priester und Gläubigen kümmern, das ist die Aufgabe, die der Heilige Stuhl mir gegeben hat“, zitierte die Nachrichtenagentur Bischof Guo.
Am 13. November 2019 meldete AsiaNews, dass seit 9. November erneut verstärkt Druck auf Bischof Guo ausgeübt werde, sich dem „unabhängigen“ (offiziellen) Klerus anzuschließen. Einige Dutzend Untergrundpriester von Mindong hätten bereits die von der Regierung geforderte Zustimmung zur „Unabhängigkeit“ der Kirche unterzeichnet, würden aber dafür von den Gläubigen kritisiert, berichtete AsiaNews; es herrsche Verwirrung in der Diözese (AsiaNews 30.10.; 13.11.; vgl. China heute 2019, Nr. 1, Chronik, Katholische Kirche, Ab 13. Dezember 2018, Chronik, Sino-vatikanische Beziehungen, 12. Dezember 2018, Dokumentation; Nr. 2, Chronik, Katholische Kirche, Ab April 2019; Nr. 3, Chronik, Katholische Kirche, 21.-27. Juli 2019).

31. Oktober 2019:
Gläubige wehren sich vergeblich gegen Kirchenabriss in der Diözese Handan
Am frühen Morgen des 31. Oktober versammelten sich Hunderte Gläubige mit ihren Priestern vor der Kirche in Wugaozhuang (Kreis Guantao, Handan, Provinz Hebei), um gegen den von der Regierung angeordneten Kirchenabriss zu protestieren. Die Gläubigen baten in einem Hilfsappell an die Weltgemeinschaft um das Gebet. Wugaozhuang gehört zur offiziellen Kirche, soll aber nicht alle für den Bau benötigten Genehmigungen gehabt haben. Dies wird immer wieder als Argument für Kirchenabrisse angeführt. Wie AsiaNews schreibt, sahen die Gläubigen vor Ort den Abriss ihrer Kirche nicht als direkte Folge des sino-vatikanischen Abkommens vom September letzten Jahres, die Regierungsbehörden seien durch das Abkommen jedoch mächtiger geworden. Sie behaupteten, dass der Vatikan sie unterstütze. In Wugaozhuang konnte mit den Regierungsvertretern letztendlich noch eine Übereinkunft erzielt werden, dass die Kirche an anderer Stelle mit finanzieller Unterstützung der Regierung wieder neu aufgebaut werden darf.
Nach Aussagen von Gläubigen in der Diözese Handan stehen weitere 40 Kirchen auf der Abrissliste der Behörden (AsiaNews 31.10.; UCAN 4.11.; persecution.org 4.11.).

11.–13. November 2019:
6. Theologisches Forum zur Sinisierung des Katholizismus in Chengdu
Das Forum stand unter dem Motto „Sinisierung des Katholizismus – wie machen wir das?“ 140 Personen aus ganz China, darunter (nichtkirchliche) Experten, Priester und Laien, nahmen daran teil, heißt es in dem offiziellen Konferenzbericht auf der Website von Chinesischer katholischer patriotischer Vereinigung und Bischofskonferenz. Dem Bericht zufolge gab es nach den Eröffnungsreden ein „Spitzengespräch der fünf Religionen über die Sinisierung“, besetzt mit jeweils einem hochrangigen Vertreter der nationalen Organisationen von Daoismus, Buddhismus, Islam, Protestantismus und Katholizismus sowie Zhuo Xinping, dem Vorsitzenden der Chinesischen Vereinigung für Religionswissenschaft. Am nächsten Tag folgten zahlreiche Vorträge von universitären und kirchlichen Wissenschaftlern rund um das Thema „Verschmelzung von Katholizismus und chinesischer Kultur“. Die Vormittagssitzung am 13. November behandelte das Thema „Sinisierung von katholischer Architektur und Kunst“, sie fand an der Kathedrale von Chengdu statt, die über ein Areal von Innenhöfen und Nebengebäuden im traditionellen Sichuan-Stil verfügt (die Kirche selbst ist klassizistisch). Es folgte eine Session über „sinisiertes katholisches Predigen“. In einem „Predigtaustausch“ zeigten ausgewählte Priester aus 12 Provinzen, „wie katholische Kleriker [...] in feiner und stiller Art katholische Lehren und Vorschriften in Einklang mit der chinesischen Gesellschaft und Kultur auslegen“. Über die Inhalte der Vorträge erfährt man in dem Bericht nichts.
Ein Priester, der an der Konferenz teilnahm, sagte zu UCAN, das Forum habe eine politische Mission gehabt, es habe wenige Vorträge über Theologie und viele über politische Fragen gegeben. Ein anderer Teilnehmer namens Paul berichtete UCAN, in einer Diskussion über Sinisierung sei der Standpunkt vertreten worden, Priester sollten beim Hissen der Flagge und Singen nichtkirchlicher Lieder keine Messgewänder tragen. Die meisten Priester hätten sich allerdings für eine Sinisierung des Katholizismus ausgesprochen (chinacatholic.cn 16.11.2019; UCAN 21.11.2019).

19. November 2019:
AsiaNews: Blitzableiter statt Christus­figur auf Kirchtum in Shandong
Eine Christusfigur, die auf der Kirchturmspitze von Linjiazhuang (Jinan, Provinz Shandong) angebracht war, wurde von den Behörden abgenommen und durch einen Blitzableiter ersetzt. Dies sei als weitere Maßnahme zur „Sinisierung“ der katholischen Kirche geschehen, so AsiaNews, und stehe im Einklang mit dem Versuch, sichtbare Zeichen des Christentums immer mehr zu entfernen. Zahlreiche, bis dato oftmals weithin sichtbare Kreuze wurden an vielen Orten von Kirchtürmen oder Kirchenfassaden entfernt; dies betrifft vor allem die Provinzen Zhejiang, Henan, Xinjiang, Shanxi, Hubei und Guizhou, wie AsiaNews am 19. November berichtete (AsiaNews 19.11.).

20. November 2019:
Bischof Andreas Jin Daoyuan, Diözese Changzhi, verstorben
Bischof Jin, der im Alter von 90 Jahren starb, wurde am 13. Juni 1929 in eine katholische Familie im Bezirk Lucheng in Changzhi, Provinz Shanxi, geboren. Nach Studien in verschiedenen Seminaren, u.a. in Beijing, wurde er 1956 in Beijing zum Priester geweiht. Im selben Jahr kehrte er nach Changzhi für pastorale Tätigkeiten zurück. Während der Kulturrevolution wurde er verhaftet und verbrachte bis 1979 insgesamt 13 Jahre im Gefängnis. Im folgenden Jahr wurde er Pfarrer der Kirche von Nantiangong und 1992 zum Generalvikar der Diözese Changzhi ernannt. Bischof Jin wurde 2000 in Beijing ohne päpstliche Erlaubnis zum Bischof geweiht, 2008 jedoch auf sein Ansuchen hin von Papst Benedikt XVI. anerkannt. Allerdings wurde ihm vom Vatikan keine Diözese übertragen. Der heutige Bischof von Changzhi ist Peter Ding Lingbin, der 2016 mit Genehmigung seitens des Vatikans wie auch der chinesischen Regierung zum Bischof geweiht wurde. Bischof Jin wurde am 26. November im Dorf Nantiangong beigesetzt (UCAN 25.11.).

18. Dezember 2019:
Arbeitsbericht der offiziellen katholischen Leitungsgremien für 2019 spricht von Festhalten an der Unabhängigkeit der Kirche
Auf einer Sitzung der Ständigen Ausschüsse von Chinesischer katholischer patriotischer Vereinigung (PV) und Chinesischer Bischofskonferenz (BiKo) in Jinan (Shandong) stellte zunächst Bischof Ma Yinglin, Vorsitzender der BiKo, den Arbeitsbericht der Gremien für 2019 vor. Laut Bericht auf der offiziellen Website von PV-BiKo sagte Bischof Ma, im 70. Jahr der Gründung des Neuen China hätten PV-BiKo unter der Führung der Partei und der Regierung und angeleitet durch Xi Jinpings Gedanken zum Sozialismus chinesischer Prägung in der neuen Ära vollständig den Geist des 19. Parteitags und der 2., 3. und 4. Plenartagung des 19. ZK der KPCh umgesetzt, die wichtigen Diskurse von Generalsekretär Xi Jinping über die Religionsarbeit studiert, die revidierten „Vorschriften für religiöse Angelegenheiten“ effektiv bekanntgemacht und umgesetzt, die Fahne der Liebe zu Land und Religion hochgehalten, am Prinzip der Unabhängigkeit und Selbstverwaltung der Kirche und der Ausrichtung auf Sinisierung festgehalten, gute Erfolge bei der Stärkung des ideologischen Aufbaus, des Systemaufbaus, der Personalausbildung, der Wohlfahrtsorganisation und des Austauschs mit dem Ausland erzielt; dies sei von den Führern auf allen Ebenen positiv bewertet worden. Herr Liu Yuanlong, Vizevorsitzender der PV, stellte die Arbeitspläne für 2020 vor. Bischof Shen Bin, Vizevorsitzender von PV und BiKo, versprach auf der Sitzung, die Gremien würden unter der Führung von Partei und Regierung und im Licht des Heiligen Geistes künftig weiter an den genannten Prinzipien von Patriotismus, Unabhängigkeit der Kirche, Sinisierung usw. festhalten. An der Sitzung nahmen Vertreter der Abteilung für Einheitsfrontarbeit der Partei teil (chinacatholic.cn 18.12.2019).

Ende 2019 / Anfang 2020:
Pastorale Mottos für das Jahr 2020 in verschiedenen chinesischen Diözesen – Familien und Bibel im Fokus
Ein „Jahr der Ehe und Familie“ wurde 2020 in der Diözese Zhouzhi (Shaanxi) ausgerufen. Wie Diözesanbischof Wu Qinjing in einem Hirtenbrief erklärte, gibt es in den Ehen und Familien viele Schwierigkeiten: Konflikte und Zerbrechen von Familien, Ehescheidung und Wiederheirat, häusliche Gewalt, Ledige in vorgerückten Jahren, die keinen Ehepartner finden, die Unterstützung älterer Menschen in der Familie und das Problem der zurückgelassenen Kinder. Das Leben der Kirche hänge stark davon ab, wie sie diesen Problemen in ihren Familien begegne, so der Bischof. Die Diözese Nanjing rief ein Jahr des Bibelstudiums aus, das am 17. November feierlich eröffnet wurde. Wie Diözesanbischof Lu Xinping dazu im Interview mit Xinde erklärte, werden u.a. in allen Pfarreien Bibelgruppen eingerichtet, die sich mindestens zweimal im Monat treffen sollen. Die Diözese Xingtai in Hebei, die derzeit keinen Bischof hat, erklärte in einem Pastoralscheiben 2020 zum „Matthäus-Jahr“, dabei berief sie sich u.a. auf das Apostolische Schreiben „,Aperuit illis‘ zur Einführung des Sonntags des Wortes Gottes“ von Papst Franziskus (Xinde 2019, Nr. 44, S. 1; 2020, Nr. 1, S. 1-2).
Nach Ausbruch der Corona-Epidemie und der anhaltenden Schließung aller religiösen Stätten dürfte die Umsetzung dieser diözesanen Pläne allerdings äußerst schwierig geworden sein.

 

Sino-vatikanische Beziehungen

11. November 2019:
Kongolesischer Professor aus Taiwan zum Untersekretär des Päpstlichen Rates für interreligiösen Dialog ernannt
Der ursprünglich aus der DR Kongo stammende Xaverianer-Pater Batairwa Kubuya Paulin, der fließend Chinesisch spricht, ist Professor an der Fakultät für religiöse Studien der katholischen Fu-Jen-Universität in Taipei und Generalsekretär der Kommission für Ökumene und interreligiösen Dialog der Regionalen Bischofskonferenz von Taiwan. Nach Aussage von Sr. Beatrice Leung Kit-fun von der Wenzao-Sprachenuniversität der Ursulinen in Kaohsiung ist die Ernennung von P. Paulin einzigartig. Bisher sei kein Vertreter einer asiatischen Kirche in eine solche Position im Päpstlichen Rat für interreligiösen Dialog ernannt worden. P. Paulin könne zum Verständnis der chinesischen Kirche beitragen. P. Paulin lebt seit vielen Jahren in Taiwan. Im Februar 2019 begleitete er eine Delegation der Buddhistischen Vereinigung von Taiwan nach Rom, wo sie auch mit Papst Franziskus zusammentrafen (UCAN 19.11.; Vaticanews 11.11.; s. auch den Artikel von P. Paulin in den Themen dieser Nummer).

19.–26. November 2019:
Reise von Papst Franziskus nach Thailand und Japan – Chinabezüge
Auf dem Flug von Thailand nach Japan schickte der Papst beim Überflug über die jeweiligen Territorien Grußtelegramme an deren Regierungen, so auch an Chinas Präsident Xi Jinping, die Regierungschefin von Hongkong, Carrie Lam, sowie Tsai Ing-wen, Präsidentin der Republik China (Taiwan). UCAN berichtete, dass Katholiken aus der VR China nach Thailand und Japan gereist seien, um den Papst zu sehen. So hätten thailändische Medien von einer starken Präsenz chinesischer Katholiken bei der Messe im Nationalen Stadion von Bangkok gesprochen und von Reisegruppen chinesischer Katholiken in Bangkok berichtet, die gekommen waren, um den Papst zu sehen. Die katholische Website Xinde (Faith) übernahm zahlreiche Meldungen von Vatican News über die Papstreise. Die gemeinsame offizielle Website von Patriotischer Vereinigung und Chinesischer Bischofskonferenz berichtete über die Reise nicht (www.vaticannews.va/en/pope/news/2019-11/pope-francis-telegrams-flight-thailand-japan.html; UCAN 24.11.).

26. November 2019:
Papst Franziskus in der Pressekonferenz auf dem Rückflug von Japan zu Hongkong und China – Reaktion Chinas
Während der Pressekonferenz wurde in einer Frage an den Papst sein Telegramm an Carrie Lam erwähnt und gefragt, was er von der Situation in Hongkong halte. Die Telegramme würden beim Eintritt in die Territorien an alle Staatsoberhäupter geschickt, das sei ein automatischer Vorgang und nur als ein Zeichen der Höflichkeit zu verstehen, antwortete der Papst. Er fuhr fort: „Die andere Sache, die Sie mich fragen, ist, was ich denke [über die Situation in Hongkong]. Aber es geht nicht nur um Hongkong: Denken Sie an Chile, denken Sie an Frankreich, das demokratische Frankreich: ein Jahr mit den ‚Gelbwesten‘. Denken Sie an Nicaragua, denken Sie an andere lateinamerikanische Länder, an Brasilien, die solche Probleme haben, und auch an einige europäische Länder. Es ist eine allgemeine Sache. Wie geht der Heilige Stuhl damit um? Er ruft zum Dialog, zum Frieden ... Aber es geht nicht nur um Hongkong, es gibt verschiedene Realitäten, die Probleme haben, die ich im Moment nicht zu beurteilen vermag. Ich respektiere den Frieden und bitte um Frieden für alle diese Länder, die Probleme haben. Derartige Probleme gibt es auch in Spanien ... Es ist besser, die Dinge zu relativieren und zum Dialog, zum Frieden aufzurufen, damit die Probleme gelöst werden können.“ Auf die Frage, wann er nach Peking reisen werde, sagte er: „Ah, ich würde gern nach Peking reisen! Ich liebe China …“.
Am 28. November wurde Geng Shuang, Sprecher des chinesischen Außenministeriums, während einer Pressekonferenz nach seiner Reaktion auf die Aussage des Papstes gefragt; er sagte: „Wir haben die Berichte gesehen und schätzen die Freundlichkeit und den guten Willen des Papstes. Zwischen China und dem Staat Vatikanstadt gibt es eine gute Kommunikation, und wir freuen uns über die Verbesserung unserer Beziehungen. China ist aufrichtig und aktiv in der Förderung der Beziehungen zwischen China und dem Vatikan. Wir begrüßen den Austausch zwischen den beiden Ländern und sind offen für ihn“ (w2.vatican.va/content/francesco/de/speeches/2019/november/documents/papa-francesco_20191126_voloritorno-giappone.html; fmprc.gov.cn 28.11.).

8. Dezember 2019:
Kardinal Tagle wird zum Leiter von „Proganda Fide“ ernannt
Papst Franziskus ernannte den bisherigen Erzbischof von Manila, Kardinal Luis Antonio Gokim Tagle, zum Leiter der Kongregation für die Evangelisierung der Völker in Rom. Dies wurde am 8. Dezember vom Vatikan bekanntgegeben. Der 62-jährige Tagle wird Mitte Januar 2020 als Nachfolger des 73-jährigen Kardinals Fernando Filoni, der seit 2011 Leiter der Kongregation ist, sein neues Amt übernehmen. Tagle ist nach dem indischen Kardinal Ivan Dias (2006–2011) der zweite Asiate in dieser Position. Die Kongregation ist vor allem für die Kirchen in Afrika, Asien und Ozeanien zuständig. Kardinal Filoni wurde zum künftigen Großmeister des Ordens vom Heiligen Grab ernannt.
Kardinal Tagle wurde 1957 in Manila in einer katholischen Familie geboren und 1982 zum Priester geweiht. Sein Vater gehörte zur einheimischen Tagalog-Ethnie, seine Mutter war chinesischer Herkunft. Er studierte in Manila, Washington und Rom und ist heute u.a. auch Präsident von Caritas Internationalis und der Katholischen Bibelföderation. 2012 ernannte ihn Papst Benedikt XVI. zum Kardinal. Wie Vatican News schreibt, gehört der „charismatische Philippiner, den manche den ‚asiatischen Franziskus‘ nennen, zu den profiliertesten Mitgliedern des Kardinalskollegiums. Er hat sich vor allem durch soziale Initiativen und durch Anstöße zur Evangelisierung einen Namen gemacht.“ Der Kardinal gilt als begnadeter Kommunikator und richtete in den Philippinen verschiedene Fernsehsendungen aus. Er soll eine große Nähe zu Papst Franziskus haben und dessen Vision von einer missionarischen Kirche und der Sorge für die Armen teilen. Laut Paolo Affatato, Leiter des Asien-Abteilung von Fides, und Fr. Bernardo Cervellera PIME, Chefredakteur von AsiaNews, könnte die Ernennung von Kardinal Tagle hilfreich sein für die Verhandlungen mit China, so Crux Now (Crux Now 10.12.; America Magazine 8.12.; Vatican News 8.12.).

 

Hongkong

23. Oktober 2019:
Jesuiten übernehmen Zentrum für katholische Studien an der Chinese University of Hong Kong
In einer einfachen Zeremonie, die am 23. Oktober 2019 stattfand, ging das Zentrum, das Teil der Abteilung für Kulturelle und Religiöse Studien an der Chinese University of Hong Kong ist, in die Hände der Jesuiten über. Prof. Anselm Lam, der neue Direktor, betonte, dass künftig ein wichtiges Studienthema des Zentrums Versöhnung sein werde. Man wolle einen positiven Beitrag leisten in einer Zeit, in der Versöhnung in der gespaltenen Gesellschaft Hongkongs so dringend nötig sei (AsiaNews 11.01.).

 

Hongkong, Proteste

12. Oktober 2019:
Kardinal John Tong wendet sich im Hongkonger Radiosender RTHK an „alle Hongkonger Freunde“
In seiner Ansprache im RTHK spricht der Kardinal über seinen Schmerz über die sich verschlechternde Lage bei den Unruhen in Hongkong. Er sei jedoch überzeugt, dass Gott uns durch schwere Zeiten begleite. Den Zuhörern, von denen er wisse, dass die meisten keine Christen seien, riet er, sich in schwierigen Momenten zu erinnern, wie sie frühere Herausforderungen überstanden hätten, und mit Freunden zu sprechen. Er mahnte, Hoffnung zu bewahren, weil Enttäuschung und Ärger zu Hass führten, der die Fähigkeit der Unterscheidung zwischen Gut und Böse nach und nach verzehre und zu Gewalt führe. Wir haben alle den gleichen Ursprung, dieselbe Natur und Würde, so Kardinal Tong. Er rief zum Wiederaufbau von gegenseitigem Respekt und Vertrauen auf. Die Regierung drängte er, auf den „Schrei der Hongkonger Bürger“ zu hören und das Gesetz zu respektieren (https://app3.rthk.hk/special/pau/article.php?aid=3722; www.asianews.it/news-en/Card.-Tong-appeals-against-violence:-Restore-hope-and-trust-48254.html; Hong Kong Sunday Examiner 18.10.).

20. Oktober 2019:
Polizei bespritzt Kowloon-Moschee mit blaugefärbtem Wasser
Die Polizei setzte Wasserwerfer mit blaugefärbtem Wasser gegen Demonstranten einer nicht genehmigten Kundgebung ein und traf dabei den Eingang der Moschee in der Nathan Road zweimal. Wie die South China Morning Post berichtete, kontaktierte die Polizei unmittelbar danach den Haupt-Imam sowie Führer der muslimischen Gemeinde und erklärte in einem Facebook-Post, dass der Wasserwerfer „versehentlich den Eingang und das Eingangstor der Moschee in Mitleidenschaft gezogen habe“. Der Muslim Council of Hong Kong veröffentlichte am Abend ebenfalls eine Stellungnahme auf Facebook und rief Hongkongs Muslime auf, „Ruhe statt Rache, Weisheit statt Emotionen und Einheit statt Teilung zu suchen“. Dem Zeitungsbericht zufolge halfen Passanten, darunter Demonstranten, bei der Säuberung des Eingangs der Moschee. Der Vorfall habe gemischte Reaktionen unter den Muslimen Hongkongs hervorgerufen, so die Zeitung. In Hongkong leben rund 300.000 Muslime, davon sind 50.000 Chinesen, 150.000 Indonesier und 30.000 Pakistanis (South China Morning Post 20.10.; Zensus 2016 nach Wikipedia).

Oktober und November 2019:
Gebetsaufrufe und Gebetstreffen für Hongkong (Auswahl)
Am 21. Oktober rief der Hongkonger Weihbischof Joseph Ha in einem Facebook-Eintrag alle Gläubigen auf, im Oktober jeden Abend das Gegrüßet seist du Maria, das Vater unser, das Ehre sei dem Vater zu beten und mit dem Ruf „Maria Knotenlöserin, bitte für uns“ zu schließen. Er zeigte sich im gleichen Eintrag beeindruckt von einem Austausch katholischer Jugend mit der gesamten Hongkonger Diözesanleitung am 19. Oktober und forderte eine unabhängige Kommission zur Untersuchung [der Gewalt]. Am 26. Oktober fand im öffentlichen Chater Garden ein von der diözesanen Kommission Justitia et Pax organisiertes Rosenkranzgebet für Frieden, Freiheit, Demokratie und Gerechtigkeit in Hongkong mit 300 Teilnehmern statt; Weihbischof Ha erklärte dort in seiner Ansprache: „Gott kann uns helfen, dass wir uns nicht gegenseitig als Kakerlaken und Hunde, sondern als Menschen sehen.“ Wie UCAN erläuterte, nennen Proregierungsgruppen die Demonstranten oft „Kakerlaken“, während Demonstranten Polizisten als „Hunde“ beschimpfen. Am 11. November fand, wiederum im Chater Garden, ein christliches Gebetstreffen für den Studenten Chow Tsz-lok statt, der am 8. November starb, nachdem er vier Tage zuvor mutmaßlich auf der Flucht vor der Polizei von einem Parkhausdeck gestürzt war (Asia­News 21.10.; 11.11.; Catholic News Agency 23.10.; ucanews.org 28.10.).

11. November 2019:
Erklärungen zur Verhaftung auf dem Gelände der Holy Cross Church von Diözese und Pfarrei
Am 11. November drang Polizei auf das Gelände der Holy Cross Church in Sai Wan Ho ein und verhaftete auf deren Parkplatz Protestierende, die sich nach einem Zusammenstoß mit der Polizei auf das Kirchengelände geflüchtet hatten. Die Diözese Hongkong äußerte am gleichen Tag in einem Statement tiefes Bedauern über den Vorfall; sie wies darauf hin, dass die Kirchen heute sich von denen der Vergangenheit unterschieden: „Heute kann eine Kirche in keiner Weise garantieren, dass die, die sie betreten, nicht nach dem Gesetz verhaftet werden.“ Laut Sunday Examiner entschuldigte sich die Pfarrei Holy Cross in einem eigenen Statement, dass sie den Zutritt der Polizei zu ihrem Gelände nicht verhindern konnte. Sie verurteilte die von der Polizei angewandte exzessive Gewalt, wozu sie Aufnahmen der Überwachungskameras an ihrem Parkplatz veröffentlichte. Am 12. November erklärte sie, dass sie mit einem Rechtsteam dem Vorfall nachgehen und die Rechte der Verhafteten schützen wolle (Hong Kong Sunday Examiner 11.11.; 22.11.).

8. und 12. November 2019:
Christliche Kirchen in Hongkong werden von Medien auf dem Festland als Aufrührer bezeichnet
Das zur Parteizeitung Renmin ribao gehörende Nachrichtenportal people.com.cn bezichtigt die christlichen Kirchen Hongkongs in einem Artikel vom 8. November 2019, Anstifter für die Unruhen zu sein, die den „Dufthafen 香港“ in einen „Chaoshafen 乱港“ verwandelt hätten. Die 285 Grundschulen und 235 Mittelschulen in christlicher Trägerschaft betrieben Gehirnwäsche, um ihre Schutzbefohlenen pro-westlich und anti-chinesisch zu prägen, so dass sie zwar eine gelbe Haut, aber ein weißes Herz besäßen. Kirchen werden als „Tankstellen“ der Protestierenden kritisiert, die für die Versorgung der Bewegung mit Getränken, Essen und Medikamenten bereitstünden. Der beste Spiegel für die gegenwärtigen Geschehnisse in Hongkong sei die Revolution in Polen 1980, bei der die Unterstützung der Gewerkschaft Solidarnosc durch den Vatikan eine vergleichbare Rolle gespielt habe. Der Artikel schließt mit der Forderung, es sei an der Zeit, die Kirchen Hongkongs [wie ein Geschwür] auszuschaben („香港的教会, 是时候刮骨疗毒了!“) (http://hm.people.com.cn/n1/2019/1108/c42272-31445458.html).
Vier Tage später lud der Video-Kanal China Youth Studio 青微工作室 unter dem Titel „Religion oder Politik“ einen Beitrag hoch, in dem christliche Gruppen als die aktivsten Anstifter zu politischem Aufruhr bezeichnet werden. Der katholische Bischof Joseph Zen und der protestantische Theologieprofessor Ying Fuk-Tsang werden als Aufwiegler genannt, die Hong Kong Methodist Church als böser Unterschlupf, in dem Protestierende für ihr illegales Tun ausgerüstet würden. Den Kirchen wird Manipulation der öffentlichen Meinung, politisches Agieren durch Massen-Gebetsversammlungen und Anstachelung zu Feindschaft gegen die Volksrepublik vorgeworfen (www.youtube.com/watch?v=rZi78vywUPU).
Isabel Friemann, China InfoStelle

Zwischen 11. und 29. November 2019:
Gewaltsame Zusammenstöße zwischen Polizei und Studierenden in der Chinese University, Belagerung der Polytechnic University
Bei zweitägigen Zusammenstößen griff die Polizei am 12. November auf dem Campus der Chinese University mit Tränengas, Gummigeschossen und irritierenden Sub­stanzen Studierende an, während Studierende Steine und Molotow-Cocktails warfen. AsiaNews veröffentlichte am 13. November ein Statement von Lehrern, Angestellten, Studierenden und Alumni der Universität, in dem diese die Polizei beschuldigten, unmittelbar nach Vermittlungsversuchen des Universitätspräsidenten diesen und Studierende mit Tränengas beschossen und eine Waffenruhe verweigert zu haben. Ab 17. November belagerte die Polizei die Polytechnic University, die Hunderte von Protestierenden, darunter viele Minderjährige, besetzt hatten; am 19. November waren noch etwa 100 Personen eingeschlossen. Im Verlauf der Belagerung, die am 29. November endgültig beendet wurde, wurden über 1.100 Menschen verhaftet oder (Minderjährige) polizeilich erfasst.
Religionsführer boten sich als Vermittler an (siehe den folgenden Eintrag). So berichtete AsiaNews, dass der katholische Weihbischof Ha am Abend des 12. November in einer dringenden Nachricht per Facebook die Polizei aufrief aufzuhören und die Studierenden bat, auf ihre Sicherheit und ihr Leben zu achten. Am 18. November versuchte er gemeinsam mit pro-demokratischen Legislativratsabgeordneten vergeblich, ein vermittelndes Gespräch mit dem Polizeieinsatzleiter an der Polytechnic University zu führen (AsiaNews 12.,13.,19.,30.11.; Hong Kong Sunday Examiner 18.11.).

18. November 2019:
Kolloquium der Religionsführer Hongkongs veröffentlicht dringenden Appell angesichts der Eskalation der Konfrontation an der Polytechnic University
Darin fordern die Religionsführer:
„1. Alle Seiten sollten jede Art von Gewalt einstellen. 2. Protestierenden, die sich in der Universität befinden, die Verletzten eingeschlossen, sollte erlaubt werden, den Campus sofort zu verlassen. 3. Protestierende sollten aufhören, Gewalt anzuwenden, während Polizeikräfte vor Ort angemessene und legale Maßnahmen treffen und die Menschen den Campus friedlich verlassen lassen sollten. 4. Polizeikräfte und Protestierende sollten versuchen, Vermittlung [anzunehmen] und das Problem friedlich beizulegen.“ Die Religionsführer erklären sich außerdem bereit, nötigenfalls Repräsentanten zur Vermittlung und Lösung der Krise zu schicken (siehe www.examiner.org.hk/wp-content/uploads/2019/11/eng.pdf).
Das seit 40 Jahren bestehende „Colloquium of Six Religious Leaders of Hong Kong” setzt sich aus den sechs führenden Vertretern von Buddhismus, Daoismus, Konfuzianismus, Islam, Protestantismus (Hongkonger Christenrat) und der katholischen Diözese Hongkongs zusammen. Im Zusammenhang mit den Protesten in Hongkong hatten sie zuletzt am 12. Oktober und am 13. November 2019 gemeinsame Statements publiziert.

24. November 2019:
Prodemokratisches Lager erringt überwältigenden Sieg bei den Bezirksratswahlen in Hongkong
Bei einer ungewöhnlich hohen Wahlbeteiligung von 71% verdreifachte das prodemokratische Lager die Zahl seiner Sitze und gewann die Kontrolle über 17 der 18 Bezirke Hongkongs. Alle pro-Beijing-Parteien erlitten große Einbrüche bei den Wählerstimmen. Die Lokalwahlen wurden vielfach als de-facto-Referendum über die laufenden Proteste bewertet. Am 8. Dezember protestierten noch einmal 800.000 (nach Angaben der Polizei 183.000) Menschen überwiegend friedlich gegen die Regierung und für die „fünf Forderungen“, darunter auch Kardinal Joseph Zen und mehrere katholische Priester. Laut AsiaNews (9.12.) wurden in Hongkong in den letzten Monaten über 6.000 Menschen in Zusammenhang mit den Protesten verhaftet, darunter viele Minderjährige. Die South China Morning Post berichtete, dass es unter den Christen auch Stimmen gäbe, die eine stärkere Positionierung der Kirchen gegen Gewalt seitens der Protestierenden forderten (AsiaNews 25.11.; 9.12.; South China Morning Post 16.11.; Wikipedia).

 

Macau

20. Dezember 2019:
Rückgabe der ehemals portugiesischen Kolonie Macau an China jährt sich zum 20. Mal
Der chinesische Präsident Xi Jinping hielt anlässlich des Jahrestags in Macau eine Rede. Darin sagte er, die Menschen und die Regierung von Macau seien immer patriotisch gewesen und verstünden wirklich das System „Ein Land, zwei Systeme“. Sie hätten das Interesse der Nation und Macaus im Blick. Xi lobte den wirtschaftlichen Erfolg Macaus und die patriotische Erziehung in den Schulen; die jungen Leute seien tief in der nationalen Identität verwurzelt.
Macau ist seit dem 20. Dezember 1999 ein Sonderverwaltungsgebiet der Volksrepublik China (AsiaNews 20.12.2019).

Katharina Wenzel-Teuber
Katharina Feith
Isabel Friemann, China InfoStelle
Barbara Hoster



Alle Quellenangaben in der Chronik beziehen sich, wenn nicht anders angegeben, auf das Jahr 2019.

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