Spitzenvertreter der offiziellen chinesischen Kirche und des Vatikans bei einer Konferenz in Rom über die erste Bischofssynode Chinas
Vor hundert Jahren, vom 15. Mai bis 12. Juni 1924, fand in Shanghai erstmals ein gesamtchinesisches Konzil statt (siehe den Beitrag von L. Leeb in den Historischen Notizen). Diese Shanghaier Bischofssynode, das „Primum Concilium Sinense“, öffnete den Weg für die Indigenisierung und Inkulturation der Kirche in China, und sie wurde zum Vorbild auch für andere damalige Missionsgebiete. Zu Recht wurde der Jahrestag in mehreren Symposien gewürdigt. Akademische Konferenzen zu diesem Thema gab es am 20. Mai 2024 an der Universität Sacro Cuore in Mailand und vom 26. bis 29. Juni an der Saint Joseph’s University in Macau (siehe Konferenzbericht in den Informationen). Letztere war die einzige Veranstaltung zum Shanghaier Konzil auf chinesischem Boden; in Shanghai selbst gab es keine Gedenkfeier.
Ganz klar auf den vatikanischen Dialog mit China ausgerichtet war eine weitere Konferenz zum Konzil von Shanghai an der Päpstlichen Universität Urbaniana in Rom am 21. Mai. Sie trug den Titel „100 Jahre seit dem ‚Concilium Sinense‘: Zwischen Geschichte und Gegenwart“. Veranstalter war die Päpstliche Universität Urbaniana in Rom in Zusammenarbeit mit der päpstlichen Nachrichtenagentur Fides und der Pastoralkommission für China. Die Konferenz wurde kurzfristig anberaumt und fand eine sehr große Aufmerksamkeit in kirchlichen Kreisen und Medien. Grund dafür war die äußerst hochrangige Teilnahme – sowohl von Seiten des Vatikans als auch der staatlich gestützten Leitungsgremien der katholischen Kirche in China, Chinesischer Bischofskonferenz und Chinesischer katholischer patriotischer Vereinigung, sowie staatlicher chinesischer Wissenschaftseinrichtungen.
Bischof Shen Bin war als Bischof von Shanghai eingeladen, dem Ort des Konzils von 1924. Er ist aber auch der Vorsitzende der offiziellen, von Rom bislang nicht anerkannten Chinesischen Bischofskonferenz. Für ihn bedeutete der Auftritt in Rom die volle Rehabilitierung und Anerkennung, nachdem er letztes Jahr ohne päpstliche Zustimmung nach Shanghai versetzt und erst nachträglich vom Papst zum Bischof von Shanghai ernannt worden war. Der Laie Tan Lizhu, der ebenfalls einen Vortrag hielt, ist langjähriger theologischer Fachmann der offiziellen Leitungsgremien, aber seit 2022 auch Generalsekretär der Chinesischen katholischen patriotischen Vereinigung. Diese hohen kirchenpolitischen Funktionen von Shen und Tan wurden im Programm nicht erwähnt, waren aber natürlich von Bedeutung.
Papst Franziskus war nicht persönlich, aber mit einer vorher aufgezeichneten Videobotschaft vertreten. Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, der nach Papst Franziskus das zweithöchste Amt im Vatikan innehat, und Kardinal Luis Antonio Tagle, Pro-Präfekt des Dikasteriums für die Evangelisierung, waren die hochrangigsten vatikanischen Redner auf der Konferenz. Vom Institut für Weltreligionen der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften, einem maßgeblichen staatlichen Think Tank für Religionsfragen, sprachen dessen Leiterin, Zheng Xiaoyun, sowie der Christentumsforscher und Costantini-Experte Liu Guopeng (für weitere Vortragende siehe das Konferenzprogramm). Im Publikum – nach Schätzung von Augenzeugen rund 250 Personen – waren viele Priester, Seminaristen und Schwestern aus China, die in Rom studieren, außerdem mit der Kirche Chinas verbundene Personen aus einigen europäischen Ländern, darunter auch zwei vom China-Zentrum in Sankt Augustin.
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