Isabel Friemann
Conrad Hackett und Tong Yunping sind das Autorenduo einer von der American Sociological Association (ASA) herausgegebenen Studie mit dem Titel „The Growth of Christianity in China may Have Come to an End“. Die offen im Internet zugängliche Untersuchung stützt sich im Wesentlichen auf insgesamt 19 landesweite repräsentative Umfragen, die nach dem Jahr 2000 in China durchgeführt wurden. Hackett und seine Kollegin Tong forschen am Pew Research Center, das seinen Sitz in Washington D.C. hat. Sie begegnen mit der Auswertung der Daten aus diesen Umfragen verschiedenen Behauptungen und Argumentationen, die einen fortlaufenden Zuwachs an christlich gläubigen Menschen in der Volksrepublik China bis heute annehmen. Sie bemühen sich um eine realistische Einschätzung der Zahlen und Entwicklungstrends der letzten Dekaden, denn: „Das Schicksal des Christentums in China ist sowohl für unser Verständnis von Religion in China als auch von Christentum im globalen Kontext wegweisend.“ Ihre Studie stieß auf großes Interesse in mit dem Christentum in China befassten Kreisen. Die zentralen Gedankengänge, Argumente und Schlussfolgerungen dieser Untersuchung werden deshalb im Folgenden vorgestellt.
Hackett und Tong geht es in ihrem Beitrag um eine Beschreibung der erhobenen Daten ohne Anspruch auf Analyse der Hintergründe oder Voraussagen für die Zukunft. Im Ergebnis kommen sie zu einem gegenwärtigen Anteil der chinesischen Gesamtbevölkerung von um die 2% erwachsener Menschen, die sich selbst als Christen identifizieren.
In dieser Studie fokussieren wir uns auf die Behauptungen in Bezug auf Protestanten und die christliche Bevölkerung Chinas insgesamt. Katholiken machen grob 10% der chinesischen Christen aus, und es herrscht generelle Einigkeit, dass die Größe der katholischen Bevölkerung Chinas über die letzten Jahre recht stabil geblieben ist. Weniger klar ist die Skala, auf der das protestantische Christentum gewachsen sein könnte.
Ausgangslage
Während der Kulturrevolution war Religion in China verboten. Als die Restriktionen in den 1980er und 1990er Jahren gelockert wurden, blühte Religion auf, einhergehend mit dem Eintritt Chinas in eine Periode der wirtschaftlichen Reform und Öffnung zur Welt. Unter den großen Religionen in China erlebte das Christentum den auffallendsten Zuwachs. Viele Wissenschaftler und Journalisten haben behauptet, das Christentum in China, insbesondere das protestantische Christentum, habe sich in den vergangenen Jahren weiter ausgedehnt; andere dagegen haben Zweifel am fortgesetzten Aufleben und Wachstum des Christentums im 21. Jahrhundert geäußert.
Yang Fenggang habe 2016, ausgehend von einer jährlichen Wachstumsrate von 7 bis 10 Prozent, vorausgesagt, dass Christen 2050 die Mehrheit der Bevölkerung Chinas stellen würden, schreibt das Autorenduo. Vertreter der These eines fortgesetzten Wachstums des Christentums machten geltend, dass offizielle Umfrageergebnisse nicht glaubwürdig seien, weil die Antworten von Befragten durch erhöhte Zensur und Kontrolle christlicher Aktivitäten verfälscht würden, welche seit 2013, dem Beginn der Präsidentschaft von Xi Jinping, zugenommen hätten.
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