Bruno Lepeu MEP
Als ich auf das Thema des diesjährigen Europäischen Katholischen China-Kolloquiums „Zukunftsperspektiven der katholischen Kirche in China“ mit besonderem Schwerpunkt auf der „Jugend in China“ aufmerksam wurde, war ich sofort mit Begeisterung dabei, da es doch sehr dem Thema meiner 2023 am Institut Catholique de Paris verteidigten Dissertation mit dem Titel „Entstehung einer brüderlichen und synodalen Kirche in China – Theologische Analyse einer Umfrage unter jungen chinesischen Katholiken“ ähnelt.
Das Ziel meiner Forschung war, ein Verständnis darüber zu gewinnen, was sich in der Kirche in China gerade entwickelt. Das Bild von der Kirche in Festlandchina ist oft einseitig und von Parteinahme geprägt und konzentriert sich hauptsächlich auf die Kontrolle seitens der zivilen Behörden und deren negative Folgen auf das Leben der Kirche. Aber wie sieht der Alltag des Gottesvolkes aus? Durch meine dreißigjährigen Kontakte zu Gemeinschaften vor Ort bin ich mir des Wirkens des Heiligen Geistes bewusst geworden, insbesondere im Leben junger Menschen in China. Die Funktionsweise der kirchlichen Institution in China ist immer noch sehr klerikal geprägt, aber die Art und Weise, wie sich die jungen Menschen den Glauben aneignen, führt doch zu einer Erneuerung des Lebens der Kirche und unterstreicht die grundlegende Rolle brüderlicher Gemeinschaften, in denen wesentliche Elemente der Synodalität gelebt werden und so zu einer Öffnung für eine Vertrautheit mit dem Herrn, Bruder und Freund führen. In meinem Beitrag werde ich diesen Prozess der Erneuerung der Kirche in China vorstellen, wobei ich mir bewusst bin, dass es sich lediglich um einen Trend handelt, der nicht verallgemeinert werden kann; er besitzt aber dennoch eine prophetische Dimension.
Meine Methodik basiert auf dem Prinzip einer Ekklesiologie, die ihren Ausgangspunkt im Handeln der Kirche hat, die sich immer im Werden, im Entstehen, im Aufbau befindet. Dieser Ansatz beinhaltet, dass man demVolk Gottes zuhört. Zu diesem Zweck habe ich 50 junge chinesische Katholiken an 14 unterschiedlichen Orten auf dem chinesischen Festland interviewt. Die Entscheidung, den Erzählungen junger Katholiken zuzuhören, die sich aktiv in der Kirche engagieren, als Zugang zum Verständnis dessen, was in der Kirche in China gerade aufgebaut wird, basiert auf der Prämisse, dass junge Menschen gewissermaßen ein Versuchslabor dafür sind, was sich in der Kirche entwickelt. Das Gesamt dieser zeitgenössischen Erzählungen wurde mit einer biblischen Quelle, der Apostelgeschichte, dem „Manifest der christlichen Identität in ihrer Entstehung“, in Beziehung gesetzt. So entstand ein Widerhall in den Hypothesen, die sich aus den Erzählungen der jungen Leute herausschälten, und es konnte ein theologischer Diskurs konstruiert werden. Ich kann hier die Ergebnisse nicht im Detail vorstellen, aber ich werde auf vier Punkte eingehen, um besser zu verstehen, auf welche Weise die Jugend die Kirche erneuert: 1. Der Prozess der Aneignung des Glaubens seitens junger Menschen; 2. Die grundlegende Rolle brüderlicher kirchlicher Gemeinschaften; 3. Eine neue Vertrautheit mit dem Herrn, Bruder und Freund; 4. Eine neue Art, Kirche zu sein, brüderlicher und daher synodaler.
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