China und Vietnam: die eine Kirche in zwei Ländern

Leopold Leeb

Im Vergleich zum riesigen China mit 1,4 Milliarden Einwohnern ist Vietnam mit seinen 97 Millionen nur ein „kleines“ Land. Vietnam liegt im Süden von China und hat im Laufe des letzten Jahrtausends wiederholt versucht, sich dem politischen und kulturellen Einfluss Chinas zu entziehen. Sogar die chinesischen Schriftzeichen, die in der Han-Zeit (ca. 206 v. Chr. bis 220 n. Chr.) den Weg nach Vietnam fanden, wurden im 20. Jahrhundert aufgegeben zugunsten einer romanisierten Schrift, die die christlichen Missionare seit dem frühen 17. Jahrhundert entwickelt hatten.
Die Missionare der letzten vier Jahrhunderte sahen sich in Vietnam und in China mit ähnlichen Herausforderungen konfrontiert: einer komplizierten Sprache und Schrift, konfuzianisch geprägter Mandarinatskultur mit anti-ausländischen Tendenzen, Buddhismus und tief verwurzelter Ahnenverehrung, dazu einem fleißigen, aber oft profitorientierten Volk, dem die Aneignung westlicher Sprache und Literatur schwerzufallen schien.
Wie würde sich das Christentum in diesen beiden Völkern entwickeln? War ein Durchbruch möglich oder waren eher Verfolgungen zu erwarten? Und im Rückblick gefragt: Wie sehr konnte der neue Glaube die Struktur der Gesellschaft ändern, z.B. die Stellung der Frau, auch durch die Forderung der Einehe und Erziehung der Mädchen? Oder waren Konfuzianismus und Buddhismus zu starke Traditionen, die die Arbeit der Missionare behinderten oder zunichte machten? Hat die nationalistische Bewegung des 20. Jahrhunderts das Christentum eher als Verbündeten angesehen, so wie in Korea, oder wurden die Missionare in einer Angstreaktion mit westlichen Imperialisten gleichgesetzt, wie es ja schon die Tokugawa-Herrscher des 17. Jahrhunderts in Japan taten? Wer waren die großen Gestalten der chinesischen und vietnamesischen Kirchengeschichte, wann und wie wurden indigene Theologien formuliert?
Ein Blick auf die Statistik zeigt interessante Fakten auf: Der prozentuelle Anteil der Katholiken in Vietnam ist seit den frühen Erfolgen im 17. Jahrhundert ziemlich stabil geblieben und liegt heute etwa bei 8%. In China hingegen waren die Katholiken lange eine verschwindend kleine Minderheit, und erst in den hundert Jahren von 1850 bis 1950 wuchs ihr Bevölkerungsanteil von (geschätzt) 0,1% auf 1% (etwa 4 Millionen Katholiken im Jahr 1950 bei einer Gesamtbevölkerung von 400 Millionen). Diese Zahlen deuten auch die relative Position der Kirche in beiden Ländern an: Während der Katholizismus in Vietnam ein wesentlicher Bestandteil der Gesellschaft (geblieben) ist, hat es in China nie zu einer beachtlichen Stellung gereicht. Vor allem nach der generellen Auslöschung aller Religionen in der Zeit von 1949 bis 1978 verschwand die katholische Kirche praktisch aus der Gesellschaft.
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