Spiritualität der Einheit mit Taiji: Ein Interkulturationsmodell

Antoine Ren SJ

Zusammenfassung: Gong Yan 龚岩 ist aufgrund seiner „Spiritualität der Einheit mit Taiji“ (taiji heyi lingxiu 太極合一靈修) in den Kreisen der chinesischsprachigen Kirche und der Psychologie wohlbekannt. Zahlreiche Schwestern, Seminaristen, Priester und Laien haben an seinen Fortbildungskursen teilgenommen. Sie ist eine spirituelle Praxis, bei der moderne Psychologie mit dem traditionellen chinesischen Konzept der Taiji-Philosophie kombiniert wird. Die Vorstellung des Taiji liefert auch eine neue Interpretation für die Trinitätslehre, die Christologie und die theologische Anthropologie. Der vorliegende Beitrag vertritt die Auffassung, dass Gong Yans Spiritualität der Einheit mit Taiji ein Modell der „Interkulturation“ darstellt. Deswegen wird dieser Beitrag darlegen, wie Gong Yan seine Spiritualität systematisiert, indem er die chinesische Taiji-Philosophie, die moderne Psychologie, die Theologie und die Gebetsmethoden durchdringt und verbindet, um auf diese Weise den einzigartigen Beitrag seiner Innovation von Theorie und Praxis für die Interkulturation zu analysieren.

Vorwort
Inkulturation ist seit jeher nicht abstrakt, auch ist sie nicht nur eine theologische Theorie und akademische Diskussion, sondern äußert sich in konkreter Form auf den verschiedenen realen Ebenen des Glaubens. Der Verfasser hat in vielen diesbezüglichen Publikationen hervorgehoben, dass „Inkulturation“ (bendihua 本地化) als „Interkulturation“ (wenhua huhua 文化互化) – Kulturalisierung des Evangeliums und Evangelisierung der Kulturverstanden werden sollte, oder man verwendet am besten gleich „Interkulturation“, um das Wort „Inkulturation“, das sehr leicht einseitig verstanden wird, zu ersetzen.2 Eins der einseitigen oder abweichenden Verständnisse ist der Inkulturalismus; der Inkulturalismus verfällt wiederum leicht in Konservatismus und Protektionismus.3 Und der Glaube – als gegenseitige Einwirkung von „christlicher Kultur“ und Kulturentwickelt und verändert sich mit der Entwicklung der Kultur fortlaufend vorwärts, daher muss er frei sein, um der modernen Gesellschaft zu entsprechen. Die Freigabe erscheint beim heutigen Globalisierungsprozess besonders wichtig zu sein, weil die Globalisierung mit dem beschleunigten Austausch und Aufeinanderprallen verschiedener Kulturen zugleich auch deren wechselseitige Beeinflussung und gegenseitige Veränderung antreibt. Gibt es keine offene Haltung, dann ist es schwierig, Xenophobie und das Aufkommen von Konflikten zu vermeiden. Wenn man sagt, jedwede erfolgreiche Interkulturation in der Kirchengeschichte habe, obwohl sie lokale Besonderheit besitzt, dennoch auch ihren allgemeinen Wert, weshalb sie einen Beitrag für die universale Kirche leistet (wie beispielsweise die in der griechisch-römischen Kultur entwickelte westliche Kirche), dann sollte es sich umso mehr auch so mit der Interkulturation inmitten der gegenwärtigen Globalisierung verhalten.4 Besitzt der gegenwärtige chinesische Sprachraum konkrete Beispiele dieser Interkulturation? Der Verfasser meint, die von Gong Yan betriebene „Spiritualität der Einheit mit Taiji“ zähle hierzu.
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