China heute 206 -207 Chronik zu Religion und Kirche in China 3. Mai bis 4. Oktober 2020

Die „Chronik zu Religion und Kirche in China“ erscheint seit Anfang 2010 regelmäßig in den Informationen von China heute. Da manche Nachrichten (der Redaktion) erst später bekannt werden, kann es zu Überschneidungen zwischen den Chroniken kommen, wobei jeweils in der vorangegangenen Nummer bereits erwähnte Ereignisse nicht noch einmal aufgeführt werden. Alle Chroniken finden sich auch online auf der Website des China-Zentrums (www.china-zentrum.de). 
Der Berichtszeitraum der letzten Chronik (2020, Nr. 1, S. 13-21) reichte bis einschließlich 18. April 2020.

Politik, Gesellschaft, Menschenrechte

30. August 2020:
Trotz geringerer Jobmöglichkeiten wegen COVID-19 bleiben chinesische Migranten in den Städten 
Nach einer am 30. August veröffentlichten Studie des Beijing Social Work Development Centre for Facilitators möchten 63% von Chinas 290 Millionen Wanderarbeitern in den Städten bleiben, auch wenn sich wegen Corona die Arbeitsmöglichkeiten dort verschlechtert haben. Als Grund gaben sie die noch schlechteren Verdienstmöglichkeiten auf dem Land an. Das durchschnittliche Monatseinkommen lag laut dem Nationalen Statistikbüro 2018 auf dem Land bei ca. 1.000 Yuan, wohingegen ein Arbeitsmigrant in der Stadt ca. 3.700 Yuan verdienen konnte. 
58,84% meinte der Studie nach zudem, sie blieben auf jeden Fall in der Stadt wegen besserer Bildungschancen für ihre Kinder. Die Wanderarbeiter vom Land sind die Gruppe, die am meisten von den Auswirkungen der Corona-Pandemie betroffen sind. Auch wenn viele von ihnen schon seit Jahren in den Städten leben, haben sie nur beschränkten Zugang zum Gesundheitswesen und den Schulen, da sie in der Regel weiterhin in ihren Ursprungsdörfern registriert sind.
Die Ergebnisse der Studie unterscheiden sich von Daten, die vom Staatsfernsehen (CGTN China Global Television Network) gesendet wurden. Danach sollen Ende Juli die Provinzregierungen 13 Mio. neue Jobs für Wanderarbeiter, die aus den Städten zurückkehren, geschaffen haben. Am 8. August berichtete das Ministerium für Humanressourcen und soziale Sicherheit, dass Ende Juni 178 Mio. Wanderarbeiter in den Städten lebten, dies entspreche 97,3% der Zahl im gleichen Zeitraum des vergangenen Jahres (AsiaNews 2.09.).

30. August 2020:
Menschenrechtsorganisation: Zwischen 2013 und 2020 fast 30.000 Personen im „Überwachtem Wohnen an einem zugewiesenen Ort“ inhaftiert
Das „Überwachte Wohnen an einem zugewiesenen Ort“ (指定居所监视居住, Residential Surveillance in a Designated Location, RSDL) ist eine seit 2013 bestehende Sonderform der Untersuchungshaft. Sie ist nach dem Strafprozessgesetz (§ 75) für Verdächtige vorgesehen, wenn die Verbrechen die nationale Sicherheit oder Terrorakte betreffen. Wie die Organisation Safeguard Defenders (SD) in ihrer am 30. August 2020 veröffentlichten Studie Rampant Repression schreibt, gibt RSDL der Polizei die Möglichkeit, Personen ohne Gerichtsbeschluss bis zu sechs Monaten incommunicado an geheimen Orten außerhalb von regulären Haftanstalten festzuhalten. Dabei könne den Angehörigen, bei Ausländern der Regierung des betreffenden Landes, Auskunft über den Aufenthaltsort verweigert werden. Diese Fälle seien als „erzwungenes Verschwinden“ zu bewerten, so SD. Auch könne der Zugang zu einem Rechtsbeistand verweigert werden, was häufig geschehe. Die SD-Studie kommt, unter Benutzung von chinesischen Gerichtsurteils-Datenbanken, auf 29.110 Personen, die zwischen 2013 und 2020 zeitweise in RSDL inhaftiert waren, mit deutlich steigender Tendenz. Die tatsächliche Fallzahl liege sicher höher, da in den Datenbanken nur Fälle erfasst sind, in denen es später zu einem Gerichtsurteil kam. Laut SD benutzt die Polizei RSDL auch gegen aus politischen Gründen in den Fokus der Behörden geratene Personen wie Bürgerrechtsanwälte, Journalisten, NGO-Mitarbeiter, die oft wegen Gefährdung der nationalen Sicherheit angeklagt würden. In etlichen Fällen setze die Polizei RSDL auch als Strafmaßnahme ein, ohne Anklageerhebung und Prozess im Anschluss an die RSDL-Haft. Teilweise werde die gesetzliche Höchstdauer von 6 Monaten RSDL-Haft überschritten, und es komme nicht selten zu weiterer psychischer und physischer Misshandlung.
Für Parteimitglieder und staatliche Angestellte besteht seit 2018 ein dem RSDL ähnliches eigenes Haftsystem mit der Bezeichnung liuzhi 留置, das der bei der Verfassungsänderung 2018 eingerichteten „Nationalen Aufsichtskommission“ untersteht. 
Safeguard Defenders wurde 2016 gegründet. Direktor der Organisation ist der Schwede Peter Dahlin (LICAS 31.08.; https://safeguarddefenders.com/en/publications). Siehe auch China heute 2015, Nr. 4, Chronik, 12 November 2015; 2016, Nr. 1, Chronik, Anfang März 2016; 2018, Nr. 1, Chronik, Religionspolitik, 2.–3. Dezember 2017 / 20. Januar 2018.

1. September 2020:
Innere Mongolei: Proteste gegen verstärkte Sinisierung in den Schulen
Im Autonomen Gebiet Innere Mongolei im Norden der VR China haben Tausende von Schülern und Eltern in zahlreichen Städten gegen eine Schulbuchänderung protestiert. Wie es bereits seit 2017 in Xinjiang und Tibet der Fall ist, sollen zum Schuljahresbeginn am 1. September im ersten Jahrgang an Grund- und Mittelschulen mehrere Kernfächer – chinesische Sprache und Literatur, Geschichte sowie
„Ethik und Recht“ – mit einheitlichen neuen Lehrbüchern auf Chinesisch und nicht mehr auf Mongolisch unterrichtet werden. „Fächer also, bei denen bisher über die mongolische Sprache und die Schrift auch sehr viel mongolische Kultur vermittelt wurde“, so die Tagesschau vom 8. September. Die Behörden gingen massiv gegen die Streiks in den Schulen und die Proteste vor, u.a. wurde Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes, deren Kinder beim Schulstreik mitmachen, mit Kündigung, streikenden Schülern mit Schulverweis gedroht. Die Online-Zensur wurde sehr stark ausgeweitet. Es kam zu mehreren Festnahmen. Die Regierung hatte den Schritt mit der „graduellen Ausweitung der bilingualen Schulausbildung“ begründet, „die den ethnischen Minderheiten mehr Zukunftschancen eröffne und ‚die Anerkennung der chinesischen Nation‘“ verbessere, so Merics. 
Solidaritätsbekundungen mit den Protestierenden gab es auch im eigenständigen Mongolischen Staat (Global Times 7.90.; LICAS 2.09.; Merics China Briefing 10.09.; tagesschau.de 8.09.).

Religionspolitik

21.–27. Mai 2020:
Versammlung der Politischen Konsultativkonferenz des chinesischen Volkes
An der wegen der Corona-Pandemie auf dieses Datum verschobenen Versammlung nahmen wie immer auch Delegierte der fünf Religionen teil. Von katholischer Seite waren dies die Bischöfe Fang Xingyao, Ma Yinglin, Shen Bin, Zhan Silu, Lei Shiyin, Li Shan, Meng Qinglu, die Priester Wang Yaosheng und Wu Jianlin und der Laie Liu Yuanlong. Bischof Lei, einer der sieben im September 2018 vom Papst legitimierten Bischöfe, sagte im Interview mit der vom Nationalen Religionsbüro (NBRA) herausgegebenen Zeitschrift Zhongguo zongjiao, nach den Berichten der Delegierten aus Tibet, Xinjiang, Hongkong und der Armee sei ihm klargeworden, dass China mit beispiellosen Risiken konfrontiert sei und mehr denn je ein stabiles gesellschaftliches Umfeld benötige. Ferner sagte er, er habe die Katholische patriotische Vereinigung dazu geführt, am Prinzip der Unabhängigkeit festzuhalten (chinacatholic.cn 29.05.; Weixin zongjiao [WeChat-Konto des NBRA] 26.05.).

Ab 2. Juni 2020:
Sukzessive Wiederöffnung der religiösen Stätten nach Eindämmung der Epidemie
Ab 2. Juni durften in vielen Provinzen, unter Einhaltung von Präventionsmaßnahmen, die ersten religiösen und volksreligiösen Stätten wieder öffnen. Bis alle registrierten religiösen Stätten in einer Region geöffnet waren, dauerte es oft sehr viel länger – im Shanghaier Stadtbezirk Qingpu beispielsweise waren erst am 2. August alle 35 religiösen Stätten des Bezirks wieder in Betrieb. In Zhejiang musste nach Vorschrift der Provinzregierung jede Stätte bei ihrer Wiederöffnung die chinesische Flagge hissen und eine patriotische Lektion erteilen. Der 7. Juni 2020 war der erste Sonntag, an dem in den meisten Provinzen katholische Kirchen wieder für den Gottesdienst geöffnet waren. Es gab jedoch auch viele Einschränkungen. So wurde aus katholischen Gemeinden berichtet, dass die Behörden – etwa in Shenyang – nicht nur die Einhaltung der Präventionsmaßnahmen kontrollierten, sondern auch Minderjährige am Gottesdienstbesuch hinderten und Untergrundkirchen und -treffpunkte nach der Epidemiephase gar nicht mehr öffnen ließen (AsiaNews 8.06.; facebook.com/UCANChina 3.06.; 20.08.; mzb.com.cn 9.06.; mzzj.sh.gov.cn 20.08.; UCAN 4.06.; 21.08.). Siehe auch den Beitrag in den Informationen und den Eintrag von Anfang Juni 2020 in der Rubrik „Protestantismus“.

12. Juni 2020:
AsiaNews: Elternbrief einer Schule in der Inneren Mongolei droht Schülern, die an religiösen Aktivitäten teilnehmen, mit behördlichen Maßnahmen
Der Elternbrief der Mittelschule Nr. 6 von Xilinhot, der laut AsiaNews am 25. März 2020 herausgegeben wurde, befasst sich mit der Teilnahme von Schülern an religiösen Aktivitäten. AsiaNews veröffentlichte den Wortlaut des Briefs. Das Schreiben beruft sich einleitend auf Verfassung, Erziehungsgesetz u.a. Bestimmungen und erklärt, dass sozialistische Schulen neue sozialistische Menschen heranziehen und jede Form von religiöser Aktivität verbieten. „Keine religiöse Organisation oder Einzelperson darf [...] Schüler für religiöse Aktivitäten rekrutieren. [...] Religiöse Ideen und Rituale dürfen nicht in Schulen und unter Schülern verbreitet werden. Schüler in Schulen dürfen nicht zur Teilnahme an religiösen Aktivitäten genötigt oder verleitet werden.“ Solche Fälle seien der Regierung zu melden. Schüler seien die Zukunft des Sozialismus, sie müssten bewusst die patriotische, kollektive und kommunistische Erziehung annehmen und dürften keine religiösen Symbole tragen. „Eltern und andere dürfen Schüler nicht zwingen, an eine Religion zu glauben oder an religiösen Aktivitäten teilzunehmen. Die Schule muss Schüler, die an religiösen Aktivitäten teilnehmen, der Kritik und Erziehung unterziehen und sie, wenn die Erziehung nicht zu einer Änderung führt, den zuständigen Regierungsbehörden zur Behandlung übergeben.“ Eltern und Schüler müssen mit ihrer Unterschrift ihre Zustimmung zu dem Brief bekunden (AsiaNews 12.06.). 
In den letzten Jahren gab es bereits Fälle von ähnlichen Elternbriefen, beispielsweise im Jahr 2018 in Schulen in der Provinz Henan (vgl. China heute 2018, Nr. 3, Chronik, Religionspolitik, 2. September 2018 ).

27. Juli 2020:
Kommission für Ethnien und Religionen der Politischen Konsultativkonferenz (PKK) berät über Ausbildung religiösen Personals 
Es müssten noch mehr patriotische religiöse Talente ausgebildet werden, die „politisch zuverlässig, in ihrer Religion verdienstvoll, moralisch respektiert und im entscheidenden Moment durchsetzungsfähig sind“, sagte Wang Yang, Vorsitzender der PKK und Mitglied des Politbüros, in seiner Rede, Xi Jinping zitierend. An der Sitzung nahmen 11 PKK-Abgeordnete aus den religiösen Kreisen, weitere Religionsvertreter und Fachwissenschaftler teil. Wie es in dem Xinhua-Bericht weiter hieß, waren sich alle Teilnehmer einig, dass die ideologisch-politische Erziehung den ganzen Ausbildungsprozess durchdringen müsse. Die „Ebenen“ religiöser Talente seien zu optimieren – (einerseits) müsse Wert auf das Heranbilden von Religionsvertretern mit hohem Niveau gelegt werden, (andererseits) sei die Ausbildung religiöser Amtsträger an der Basis zu verstärken. Eine stärkere Nutzung von Ressourcen des staatlichen Erziehungssystems in der Ausbildung religiösen Personals sei zu überlegen, Austausch religiöser Kreise mit dem Ausland zur Horizonterweiterung sei zu unterstützen. Die zuständigen Behörden sollen einen wissenschaftlichen und vernünftigen Mechanismus für die Auswahl, Einsetzung [in bestimmte Positionen] und Bewertung des religiösen Personals einrichten (Xinhua 27.07.). 
Eine ähnliche Sitzung der Kommission über die zeitgemäße Auslegung religiöser Lehren fand am 26. November 2019 statt (vgl. China heute 2019, Nr. 4, Chronik, Religionspolitik, 26. November 2019). Die katholischen Leitungsgremien organisierten am 20. August eine Sitzung zur Seminarausbildung (siehe Rubrik „Katholische Kirche“).

27. Juli 2020:
Diözese Shanghai: Priester, die Trauerfeiern im städtischen Longhua-Bestattungsinstitut leiten, müssen Priesterausweis vorzeigen
Das bedeute, dass Untergrundpriester das Bestattungsinstitut, das größte in Shanghai, nicht benutzen oder betreten dürfen – schrieb UCAN, das über den Vorfall berichtete. Laut UCAN hat die Regierung die Diözese gezwungen, ein Rundschreiben herauszugeben, in dem es heißt, dass katholische Priester, die Trauergebeten im Longhua-Bestattungsinstitut vorstehen, ihren offiziellen Priesterausweis vorzeigen müssen. Auslöser sei gewesen, dass Katholiken aus der Untergrund- und der offiziellen Gemeinschaft der Diözese gemeinsam eine Trauerfeier für einen Untergrundpriester in dem Bestattungshaus besucht hatten. UCAN sieht in dem erzwungenen Rundschreiben, das Empörung im Untergrund auslöste, einen Versuch der Behörden, die zunehmende Einheit zwischen offizieller und Untergrundgemeinschaft in der Diözese zu brechen. 
Bereits im Februar hatte UCAN aus Zhejiang gemeldet, dass am 1. Dezember 2019 verabschiedete Vorschriften für zentralisierte Bestattungen der Provinzregierung festlegen, dassreligiöse Amtsträger nicht an Trauerfeiern zu Hause teilnehmen und dass „nicht mehr als 10 Familienmitglieder des Verstorbenen mit leiser Stimme Schriften rezitieren oder Hymnen singen dürfen“. Die Vorschriften untersagen laut UCAN auch streng religiöse Aktivitäten außerhalb von (registrierten) religiösen Stätten; dies bedeute, dass Priester keine Trauerfeiern außerhalb der Kirche abhalten dürften (UCAN 3.02. [nach Hong Kong Sunday Examiner 7.02.]; 12.08.). 
Beerdigungen und Trauerrituale haben einen sehr hohen Stellenwert in der chinesischen Kultur und auch bei den Kirchen in China.

Ab 11. August 2020:
Offizielle religiöse Organisationen folgen Aufruf Xi Jinpings gegen Lebensmittelverschwendung Präsident Xi Jinping rief am 11. August die Bevölkerung eindringlich dazu auf, Lebensmittel zu sparen, da in Zeiten der weltweiten Corona-Pandemie eine erhöhte Wachsamkeit hinsichtlich der Sicherung der Lebensmittelversorgung geboten sei. In der ganzen Gesellschaft solle die Atmosphäre „Verschwendung ist schändlich, Sparen ruhmreich“ entstehen. Im Rahmen dieser nationalen Kampagne – auch „Operation leere Teller“ genannt – organisierten in den folgenden Wochen die Religionsbehörden überall im Land Studiensitzungen für die Vertreter der fünf Religionen. Am 24. August publizierten die Shanghaier offiziellen religiösen Organisationen der fünf Religionen einen gemeinsamen Aufruf zum Lebensmittelsparen, in dem das von Xi vorgegebene Motto „Strenges Sparen durchführen, sich gegen Verschwendung wenden“ (厉行节约 反对浪费) durch entsprechende Aussagen aus dem buddhistischen Kontext, dem Koran und der Bibel unterstützt wird. Zahlreiche Aufrufe zu diesem Motto wurden im September auch von Organisationen der Religionen auf nationaler und auf lokaler Ebene veröffentlicht.
Laut The Guardian importiert China schätzungsweise 20-30% seines Getreidebedarfs, dazu haben im Sommer schwere Überschwemmungen an vielen Orten in China die Ernte vernichtet. Hinzu kommen die Afrikanische Schweinepest und unterbrochene Lieferketten aufgrund der Corona-Pandemie. Lebensmittelpreise sind stark gestiegen. Die Zeitung berichtete über durch die Kampagne ausgelöste Aktionen: so rief der Verband der Catering-Industrie von Wuhan die Restaurants der Stadt auf, ein „N-1 Bestellsystem“ einzurichten, wonach eine Gruppe Speisender immer ein Gericht weniger bestellen muss, als sie Personen zählt – traditionelle Höflichkeit gebietet „N+1“ (chinacatholic.org 30.08.; theguardian.com 13.08.; Xinhua 11.08.).

Buddhismus / Tibet

23. Mai 2020:
Saga Dawa: Behörden in Lhasa verbieten Studenten, Regierungsangestellten und Beziehern staatlicher Renten die Teilnahme an religiösen Aktivitäten
Dies berichtete der US-amerikanische Sender Radio Free Asia (RFA) unter Berufung auf örtliche Quellen. Saga Dawa ist im tibetischen Buddhismus der Monat der Verdienste, in dessen Verlauf auch Geburt, Tod und Erleuchtung des Buddha gefeiert werden; er begann 2020 am 23. Mai. Auch Eltern tibetischer Schulkinder seien aufgefordert worden, ihren Kindern während Saga Dawa nicht zu erlauben, an religiösen Aktivitäten teilzunehmen (RFA 26.05.). 
Über ähnliche Verbote während Saga Dawa war bereits in früheren Jahren berichtet worden.

22. September 2020:
Studie: „Berufsbildung im Militärstil“ und massenhafter Transfer von Arbeitskräften in und aus Tibet
Die von dem Forscher Adrian Zenz bei der Jamestown Foundation veröffentlichte Studie stützt sich u.a. auf Meldungen der Behörden im Autonomen Gebiet Tibet (AGT). Zenz zufolge hat das AGT im März 2019 einen „Aktionsplan 2019–2020 für Fortbildung und Arbeitstransfer von Bauern und Hirten“ eingeführt. Einem Regierungsbericht zufolge schulte das AGT in den ersten 7 Monaten dieses Jahres 543.000 „überschüssige ländliche Arbeiter“, von denen 49.000 an Arbeitsplätze in andere Teile des AGT und 3.109 in andere Teile Chinas transferiert wurden. Vor dem Jobtransfer werden die Hirten und Bauern einer obligatorischen zentralisierten „Fortbildung im Militärstil“ unterzogen, die – so Zenz – zum Ziel hat, „rückständiges Denken“ zu reformieren und „negative religiöse Einflüsse abzuschwächen“ sowie Arbeitsdisziplin, Recht und chinesische Sprache zu trainieren. In dem System gibt es laut Zenz zahlreiche Zwangselemente, etwa bei der Rekrutierung, in die die „dorfbasierten Arbeitsteams“, ein staatliches Programm zur Überwachung der Bevölkerung (vgl. China heute 2016, Nr. 1, Chronik, 18. Januar 2016), involviert sind. Da das AGT sich die Ausrottung der absoluten Armut bis Ende 2020 zum Ziel gesetzt habe, stünden lokale Behörden unter Druck, arme Bevölkerungsgruppen in das Arbeitstransferprogramm einzuspeisen. Zenz zufolge gibt es viele Parallelen zu dem Zwangssystem von Berufsbildung und Arbeitstransfer in Xinjiang. Allerdings unterliege der Transfer tibetischer Arbeitskräfte möglicherweise nicht so starken Sicherheitsvorkehrungen wie der uigurischer Arbeiter. Auch gebe es zur Zeit keinen Beleg dafür, dass das Berufsbildungs- und Transferprogramm in Tibet mit außergerichtlicher Inhaftierung verbunden sei (https://jamestown.org/program/jamestown-early-warning-brief-xinjiangs-system-of-militarized-vocational-training-comes-to-tibetAsiaNews 25.,26.,28.09.; Reuters 22.09.).

Islam / Xinjiang

24. Juni 2020:
Chinesische islamische Vereinigung (CIV) sagt Hadsch für 2020 ab
In einer Bekanntmachung an die Islamischen Vereinigungen auf Provinzebene schrieb die CIV, zwar habe China im Kampf gegen COVID-19 große strategische Erfolge erzielt, doch weltweit sei das Virus nicht unter Kontrolle und auch in Saudi-Arabien gebe es viele Fälle. Das saudische Hadsch-Ministerium habe deshalb am 22. Juni die Pilgerfahrt für ausländische Muslime abgesagt. Aus diesem Grund habe die CIV beschlossen, die Teilnahme der Muslime Chinas am Hadsch 2020 auszusetzen (chinaislam.net.cn 24.06.). 
Die CIV ist der einzige staatlich zugelassene Organisator des Hadsch für ganz China.

9. August 2020:
Statement von 76 Führern verschiedener Religionen verurteilt den „potenziellen Völkermord an den Uiguren und anderen Muslimen in China“ als „eine der ungeheuerlichsten menschlichen Tragödien seit dem Holocaust“
Zu den Erstunterzeichnern gehören Rowan Williams, der frühere anglikanische Erzbischof von Canterbury, die katholischen Kardinäle Charles Bo von Yangon (Vorsitzender der Förderation der Asiatischen Bischofskonferenzen) und Ignatius Suharyo von Jakarta, der koptischorthodoxe Erzbischof von London, Erzbischof Angaelos, eine Reihe hochrangiger Rabbiner aus Großbritannien, mehrere Imame, der Präsident der Buddhistischen Gesellschaft Großbritanniens, der Vertreter des Dalai Lama für Nordeuropa, Polen und das Baltikum sowie der Geschäftsführer der britischen Humanisten. In dem Statement heißt es: Mindestens eine Million Uiguren und andere Muslime in China seien in Lagern inhaftiert. Dort drohten ihnen der Hungertod, Folter, sexuelle Gewalt, Zwangsarbeit und erzwungene Organentnahmen, so das Statement. Außerhalb der Lager werde ihnen elementare Religionsfreiheit verweigert. Das klare Ziel der Behörden sei es, die uigurische Identität auszulöschen. „Nach dem Holocaust sagte die Welt ‚Nie wieder‘. Heute wiederholen wir diese Worte ‚Nie wieder‘, immer und immer wieder“, schreiben die Religionsführer. Sie rufen auf zu Gebet, Solidarität und Handeln, damit diese Verbrechen untersucht, die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen und die menschliche Würde wiederhergestellt würden. 
The Tablet zufolge waren dem Statement der Religionsführer zwei Erklärungen hochrangiger jüdischer Vertreter in England vorausgegangen, in denen der von jüdischer Seite aus seltene Schritt unternommen wurde, Vergleiche zwischen dem Holocaustund den Verbrechen an den Uiguren zu ziehen (The Tablet 9.08.; https://zenit.org/2020/08/24/feature-chinas-persecution-of-uighur-one-of-most-egregious-humantragedies-since-holocaust-international-faith-leaders-denounce/).

17. September 2020:
Chinas Staatsrat veröffentlicht Weißbuch „Beschäftigung und Arbeitsrechte in Xinjiang“
Xinjiang habe eine große verarmte Bevölkerung, wozu auch religiöser Extremismus beigetragen habe, heißt es in dem Weißbuch. Seit dem 8. Parteitag 2012 habe Xinjiang „energisch Beschäftigungsprojekte
umgesetzt, die Berufsbildung verbessert und die Beschäftigungskanäle und -kapazitäten erweitert“. Zur Berufsausbildung führt das Dokument aus, dass Xinjiang „von 2014 bis 2019 jedes Jahr Ausbildungslehrgänge für durchschnittlich 1,29 Millionen städtische und ländliche Arbeitnehmer“ anbot, davon 451.400 im Süden Xinjiangs. Dadurch hätten die Trainees Fertigkeiten und Qualifikationen mit Beschäftigungspotential erworben. Zum System für Berufsbildung in Xinjiang zählt das Dokument u.a. auch die „Berufsbildungszentren“ („vocational education and training centers“ 职业技 能教育培训中心) [der offizielle chinesische Begriff für die seit 2017 massenhaft eingerichteten Umerziehungslager in Xinjiang]. Zu Beschäftigungsförderung habe Xinjiang „Satellitenfabriken“ und „Werkstätten zur Armutsbekämpfung“ entwickelt, um überschüssigen Arbeitskräften auf dem Land Arbeit in der Nähe ihrer Heimatorte zu ermöglichen – so das Weißbuch weiter. Seit 2014 hätten außerdem 117.000 Menschen aus Xinjiang eine Beschäftigung mit höherem Einkommen in anderen Teilen des Landes gefunden, wo sie von ihren Arbeitgebern mit Unterkunft, medizinischer Versorgung usw. unterstützt würden. Zuvor seien sie, entsprechend der Marktnachfrage, sprachlich, rechtlich und in Bezug auf städtische Lebensgewohnheiten fortgebildet worden. Zwangsarbeit sei gesetzlich verboten, werde verhindert und bestraft. Zum Schutz der Arbeiterrechte zählt das Weißbuch auch die Wahrung ihrer Glaubensfreiheit. Der Lebensstandard der Menschen habe sich spürbar verbessert, sie seien zufrieden und blickten optimistisch in die Zukunft. Das widerlegt dem Weißbuch zufolge die „falschen Behauptungen“ gewisser internationaler Kräfte, dass in Xinjiang Zwangsarbeit herrsche (http://english.www.gov.cn/archive/whitepaper/202009/17/content_WS5f62cef6c6d0f7257693c192.html).
Laut Merics war das Weißbuch Teil einer größeren Propagandaoffensive Chinas zum Thema Xinjiang. Am 23. September verabschiedete der US-Kongress ein „Gesetz zur Verhinderung uigurischer Zwangsarbeit“, das Sanktionen gegen das staatlich-militärische Produktions- und Aufbaucorps Xinjiang, einen wichtigen Produzenten von Baumwolle und Tomaten, einschließt. Auch der schwedische Bekleidungskonzern H&M beendete die Zusammenarbeit mit Textilproduzenten in Xinjiang. Am 9. Dezember 2019 hatte der Vorsitzende der Regierung von Xinjiang, Shohrat Zakir, erklärt, dass alle „Trainees“ von den „Berufsbildungszentren“ in Xinjiang nunmehr „graduiert“ seien (Merics China Briefing 24.09.; Xinhua 9.12.2019).

25. September 2020:
Australian Strategic Policy Institute (ASPI) lanciert Xinjiang Data Project Website zu Zerstörung von Moscheen und zu Haftzentren in Xinjiang – Studie zu Zwangsarbeit
In dem Projekt wertet das Institut Satellitenaufnahmen aus; Ergebnisse können auf der Website https://xjdp.aspi.org.au abgerufen werden. Das Institut schätzt, dass in den letzten drei Jahren rund 8.450 Moscheen in Xinjiang zerstört und weitere 7.550 beschädigt wurden, etwa durch den Abriss von Kuppeln oder Minaretten. Die Zahlen sind eine Hochrechnung der Satellitenanalyse von 533 Moscheen. Außerdem kartierte und analysierte das ASPI 380 mutmaßliche Haftzentren in Xinjiang, die seit 2017 (dem Beginn der massenhaften Inhaftierung von Uiguren u.a. Volksangehörigen in Xinjiang im Zuge von „Deradikalisierungsmaßnahmen“) neu gebaut oder erweitert wurden, darunter Neubauten und Erweiterungen in den Jahren 2019 und 2020. Die meisten Lager seien nahe an Industrieparks errichtet, was nach denen viele Insassen der Lager Zwangsarbeit ausgesetzt waren. 
Bereits am 1. März 2020 war der Bericht „Uyghurs for sale. ‘Re-education’, forced labour and surveillance beyond Xinjiang“ des ASPI veröffentlicht worden. Diesem Bericht zufolge sollen zwischen 2017 und 2019 rund 80.000 Uiguren aus Xinjiang, ein Teil von ihnen direkt aus Umerziehungslagern, zur Arbeit in Fabriken in chinesische Provinzen außerhalb Xinjiangs gebracht worden sein, wo sie laut ASPI unter Bedingungen arbeiten, die Zwangsarbeit nahelegen: sie würden in getrennten Wohnheimen leben und ständiger Überwachung unterzogen, hätten eingeschränkte Bewegungsfreiheit, dürften ihre Religion nicht praktizieren und erhielten außerhalb der Arbeitszeit Sprach- und Ideologieunterricht. Diese chinesischen Fabriken seien [nach Angaben auf ihren eigenen Websites] direkte oder indirekte Zulieferer von 82 internationalen Marken im Technologie-, Bekleidungs- und Automobilsektor, darunter deutsche Konzerne wie BMW, Mercedes-Benz, Volkswagen, Adidas, Bosch und Siemens, aber auch Apple, Samsung, Nokia, Nike, Bombardier usw. Das ASPI wurde von der australischen Regierung gegründet und wird teilweise vom australischen Verteidigungsministerium finanziert (aspi. org.au 25.09.; FAZ 25.09.; LICAS 25.09.; www.aspi.org.au/report/uyghurs-sale).

28. September 2020:
South China Morning Post (SCMP): Religiöse Bräuche der muslimischen Utsul auf der Insel Hainan unter Druck
Die Utsul sind eine kleine Ethnie von ca. 10.000 Menschen, die in Sanya im Süden von Hainan leben. Staatlicherseits werden sie wegen ihrer Religion zu den chinesischsprachigen Hui-Muslimen gezählt, sie haben aber eine eigene Sprache, die dem Malayischen ähnlich ist. Der SCMP liegt ein „Arbeitsdokument zur Stärkung der allgemeinen Aufsicht über die Nachbarschaftsviertel Huixin und Huihui“ vor; das sind der Zeitung zufolge die beiden einzigen überwiegend von Utsul bewohnten Viertel von Sanya. In dem 2019 von der lokalen Organisation der Kommunistischen Partei herausgegebenen Dokument heißt es, Moscheen seien beim Wiederaufbau zu verkleinern und dürften keine „arabischen Tendenzen“ aufweisen. Jede Moschee müsse ein Parteimitglied in ihrem Verwaltungsgremium haben. Arabische Schrift oder die chinesischen Schriftzeichen für halal oder „islamisch“ seien von Geschäftsfronten zu entfernen. Parteimitglieder, die den Utsul angehören, sollten überprüft werden und machten sich strafbar, wenn sie religiös observant seien. Hidschab und die traditionellen langen Röcke der Utsul-Frauen seien an Schulen und am Arbeitsplatz verboten. Ein Anfang September 2020 verhängtes Hidschab-Verbot an Schulen stieß auf Widerstand und wurde vorübergehend wieder aufgehoben, nachdem Hunderte von Schülerinnen sich geweigert hatten, ihr Kopftuch abzulegen. 
Dru Gladney, Experte für den Islam in China, sagte dem Sender France 24, dass die sunnitischen Utsul nie Anzeichen gezeigt hätten, von strengen islamischen Richtungen wie dem Salafismus beeinflusst zu sein. Sie seien die älteste muslimische Gemeinschaft Chinas, ihre Friedhöfe gingen bis ins 12. Jh. zurück. Katja Drinhausen von Merics sagte dem Sender, die Situation in Hainan sei ein Paradebeispiel für die Entwicklung der Minderheitenpolitik unter Xi Jinping; es werde ein Klima des „Generalverdachts“ gegenüber religiösem Glauben kultiviert, selbst gegenüber einer so friedlichen kleinen Gruppe wie den Utsul (France 24 30.09.; SCMP 28.09.).

Protestantismus

3. Mai, 11. Juni und 22. Juli 2020:
Polizeiaktionen gegen Xingguang-Kirche in Xiamen
Am 3. Mai, 11. Juni und 22. Juli wurden Versammlungen von Gemeindemitgliedern durch Polizeikräfte beendet, Ausstattung und Einrichtungsgegenstände zerstört und Razzien in Privatwohnungen durchgeführt. Der Gemeinde wurde zur Last gelegt, gegen die Vorschriften für religiöse Angelegenheiten verstoßen zu haben, weil sie die offizielle Registrierung verweigerte. Nach verschiedenen Berichten kam es zu Festnahmen und Gewaltanwendung gegen Gläubige (AsiaNews 5.05.; chinaaid.net 22.07.; csw.org.uk 15.06.).
Isabel Friemann, China InfoStelle

Anfang Juni 2020:
Kirchen öffnen wieder 
Zwischen Ende Mai und Anfang Juni ergingen in vielen Provinzen und regierungsunmittelbaren Städten des Landes Erlasse und Bekanntmachungen, welche die Wiedereröffnung der protestantischen Kirchen nach einer viermonatigen Phase des Corona-Lockdowns einleiteten. In Zhejiang kündigte die Vertretung von Christenrat und patriotischer Drei-Selbst- Bewegung am 31. Mai eine geordnete Wiedereinsetzung christlicher Aktivitäten an, welche die Voraussetzungen erfüllen, in Bezug auf die Pandemie Vorsorgemaßnahmen und Kontrollen durchzuführen. Alle evangelischen Kirchen waren angehalten, Patriotismus-Lektionen zu erteilen, eine Risikoeinschätzung und Sicherheitsuntersuchung durchzuführen, einen Katalog an Kontroll- und Vorsorgemaßnahmen zu erstellen und einen strengen Notfallplan auszuarbeiten. In Jiangsu wurde von der Religionsbehörde der Provinz ein Arbeitstreffen zur Besprechung der notwendigen anstehenden Schritte zur ordentlichen Wiederherstellung religiöser Aktivitäten für den 30. Mai anberaumt. In Chongqing informierte die Holy Grace Kirche am 1. Juni ihre Mitglieder, dass der erste Gottesdienst im Gebäude am 7. Juni stattfinden würde. Gläubige mit auffälligen Symptomen wie Fieber, Frösteln, trockenem Husten etc. sollten sich fernhalten und sich medizinisch behandeln lassen. Alle Teilnehmenden müssten Masken tragen, ihre Personalien angeben, die Temperatur überprüfen lassen, im Abstand von 1 Meter zueinander Platz nehmen und die allgemeinen Hygieneregeln einhalten. Gläubigen, die in der Nähe der Kirche leben, wurde empfohlen, den Abendgottesdienst zu besuchen, um die Besucherzahl der beiden Morgengottesdienste zu reduzieren (chinachristiandaily.com 3.06.). 
Isabel Friemann, China InfoStelle

24. August 2020:
China Source: Motive des Glaubens
Im August veröffentlichte die protestantische Internetseite China Source die Ergebnisse einer Umfrage, die 2017–2018 von einem chinesischen Pastor durchgeführt wurde. Er erhielt gut 10% aller verschickten Fragebögen zurück, 1.655 ausgefüllt von Gläubigen und 110 von Gemeindeleiterinnen und -leitern aus 18 Provinzen. 72% der Teilnehmenden an der Umfrage waren weiblich (7% haben ihr Geschlecht nicht angegeben). Der Bildungsgrad der Gläubigen war mit 22% Universitätsabsolventinnen und -absolventen höher als erwartet. Die Mehrzahl der Gemeindemitglieder bestand nach Auswertung der Studie aus Personen im Alter zwischen 40 und 60 Jahren. 75% der Teilnehmenden stammten aus christlichen Familien. Die häufigste Antwort auf die Frage nach den wichtigsten Beweggründen für den eigenen Glauben war der Wunsch nach „Kenntnis der Wahrheit“, gefolgt von „Erlösung nach dem Tod“, danach kamen etwa gleich häufig „Heilungserlebnis“, „Gottes Hilfe im Leben“ und „die Bitte um Vergebung der Sünden“ (AsiaNews 2.09.; www.chinasource.org/resource-library/blog-entries/demographics-beyond-numbers-2).
Isabel Friemann, China InfoStelle

Mitte September 2020:
Neuer Pastor für Evangelische Gemeinde Deutscher Sprache Peking
Ende August reiste Pastor Lorenz Bührmann zusammen mit seiner Frau nach China ein und trat nach zwei Wochen Quarantäne Mitte September seinen Dienst als Leiter der Evangelischen Gemeinde Deutscher Sprache Peking an. Die offizielle Einführung in sein Amt erfolgt am 11. Oktober in der deutschen Botschaft, durchgeführt von Pastorin Dr. Annette Mehlhorn, der Kollegin in Shanghai. Herr Bührmann war zuvor als Pastor der Berliner Stadtmission tätig.
Isabel Friemann, China InfoStelle

23. September 2020:
70 Jahre Drei-Selbst-Bewegung
Der 23. September wurde als 70. Jahrestag der evangelischen Patriotischen Drei-Selbst-Bewegung mit einer offiziellen Feier in Shanghai begangen. Die Entwicklung der Organisation wurde als großer Erfolg und historische Pioniertat für die weltweite Christenheit gewürdigt. Es sei exemplarisch gelungen, alle ausländischen Einflüsse abzuschütteln und sich mit den politischen Zielen von Staat und Partei zu identifizieren. Nun arbeite die Drei-Selbst-Bewegung zielgerichtet am Dienst der eigenen Gesellschaft, d.h. an der Realisierung des „chinesischen Traumes“ mit. Bereits am 21. September wurde in der Mu’en-Kirche in Shanghai ein Erinnerungsgottesdienst abgehalten. Im gesamten Land sind Feiern der Drei-Selbst-Organisationen auf Provinz- und Stadtebene angekündigt (ccctspm.org 23.09.). Siehe auch den Bericht in den Informationen.
Isabel Friemann, China InfoStelle

Katholische Kirche

7. Mai 2020:
Bischof em. Josef Zhu Baoyu von Nanyang (Provinz Henan) im Alter von 98 Jahren verstorben
Bischof Zhu wurde am 2. Juli 1921 in Pushan, Provinz Henan, geboren. Mit sechs Jahren verlor er seinen Vater und wuchs anschließend in einem katholischen Waisenhaus in Jingang auf. Er besuchte das Kleine Seminar und studierte am Regionalen Priesterseminar der Erzdiözese Kaifeng. 1957 wurde er von Bischof Fan Xueyan von Baoding geweiht und arbeitete anschließend in verschiedenen Pfarreien in Nanyang. Viele Jahre verbrachte er im Gefängnis und in Arbeitslagern bis zu seiner Freilassung 1988. Am 19. März 1995 wurde Zhu Baoyu insgeheim zum Weihbischof von Nanyang geweiht und trat am 23. November 2002 im Alter von 81 Jahren nach dem Tod von Bischof Jin Dechen das Amt als Ortsbischof an. 2010 reichte Bischof Zhu beim Heiligen Stuhl aus Altersgründen sein Rücktrittsgesuch ein; Rom setzte daraufhin den 2007 insgeheim geweihten Koadjutorbischof Jin Lugang als seinen Nachfolger ein. Kurz nach seiner Resignierung, so AsiaNews, bat Bischof Zhu jedoch– vielleicht auf Druck hin – um die Anerkennung seitens der Regierung, die ihn 2011 schließlich als Ordinarius installierte; für die Regierung galt er bis zuletzt trotz seines hohen Alters weiter als der Ortsbischof. Aus Sicht des Heiligen Stuhls jedoch galt Jin seit 2010 als Ortsbischof und Zhu als emeritierter Bischof. Am 30. Januar 2019 installierte die Regierung Bischof Peter Jin Lugang offiziell als Koadjutorbischof, so dass Jin mit Bischof Zhus Tod nun auch behördlich als Ordinarius von Nanyang anerkannt ist. 
Bischof Zhu starb im Konvent des diözesanen Ordens der Schwestern von der Unbefleckten Empfängnis. Zum Begräbnis am 9. Mai waren nur 40 Personen zugelassen. 
Im Februar war Bischof Zhu positiv auf Corona getestet worden. Er war damals der älteste Chinese, der die Krankheit überlebte, was ihm einen Artikel und ein Video bei der Renmin ribao einbrachte. 
Zur Diözese von Nanyang zählen heute ca. 20.000 Katholiken, 20 Priester und ca. 50 Ordensschwestern (AsiaNews 30.1.; 13.2.2019; 17.2.; 7.5.2020; China heute 2019, Nr. 1, Chronik, Katholische Kirche, 30. Januar 2019Fides 23.5.2020; UCAN 12.5.2020).

19. Juni 2020:
Untergrundbischof Cui Tai von Xuanhua erneut verhaftet
Der 70-jährige Koadjutorbischof Augustinus Cui Tai von Xuanhua (Provinz Hebei) wurde nach Angaben von Gläubigen zum wiederholten Male verhaftet und an einen unbekannten Ort gebracht. Am 20. Januar 2020 war er im Zusammenhang mit Chinesisch Neujahr freigelassen worden und durfte wohl wegen der Corona-Pandemie bis Juni bei seiner Familie bleiben. Dieser Zeitraum war, so AsiaNews, die längste Freiheitsperiode, die dem Bischof in den letzten Jahren gewährt wurde. Bischof Cui wird seit 2007 von den Behörden immer wieder ohne Gerichtsverfahren in geheimen Haftzentren oder Hotels festgehalten oder unter Hausarrest gestellt. Cui Tai wurde 1990 zum Priester geweiht und 2013 Koadjutorbischof von Xuanhua. Der Ordinarius von Xuanhua, Bischof Thomas Zhao Kexun, ist bereits 96 Jahre alt (AsiaNews 23.06.; siehe auch China heute 2019, Nr. 1, Chronik, Katholische Kirche, 29. März 2019 sowie 2020, Nr. 1, Chronik, Katholische Kirche, 20. Januar 2020).

8. Juli 2020:
AsiaNews veröffentlicht Bericht über Druck auf die Untergrundkirche in der Diözese Yujiang (Jiangxi)
In dem Bericht von Pietro Jiang, einem Katholiken aus Yujiang, heißt es, dass kürzlich dem gesamten Untergrundklerus der Diözese Yujiang verboten worden sei, zu predigen und kirchliche Handlungen auszuüben. Damit habe sich die Situation weiter verschlimmert, so Jiang. In den letzten Jahren seien viele Versammlungsorte der Untergrundgemeinden von den Behörden geschlossen und Katholiken, die Räume für Gottesdienste zur Verfügung stellten, seien eingeschüchtert worden. An einigen Orten hätten die Behörden Untergrundpriester vertrieben und durch offizielle Priester ersetzt. Besonders seit dem vorläufigen sino-vatikanischen Abkommen würden der Untergrundbischof von Yujiang, Peng Weizhao [geweiht 2014], und seine Priester zunehmend unter Druck gesetzt, sich zu registrieren; der Bischof und die meisten seiner Priester hätten sich bisher aber geweigert. Da die offizielle Kirche [die die fünf Diözesen der Provinz zu einer einzigen Diözese Jiangxi fusioniert hat] ihren eigenen Bischof habe [Li Suguang, 2010 geweiht zum Bischof von Nanchang bzw. Jiangxi], sei unklar, wer im Falle einer Zusammenlegung der offiziellen und der Untergrundgemeinschaft die Kirche leiten würde. Nach dem Fall Mindong hätten sie diesbezüglich wenig Vertrauen in die Behörden (AsiaNews 8.07.).

20. August 2020:
Sitzung in Xi’an über katholische Seminarausbildung – Plan für Aufbau einheitlicher Lehrprogramme und Lehrbücher
Über 30 katholische Vertreter mit Funktionen in den offiziellen katholischen Leitungsgremien, darunter sieben Bischöfe sowie Verantwortliche der Priesterseminare, nahmen an dem Treffen zur „Seminar-Arbeit“ teil. Wang Lei, Direktorin der Stelle für Ausbildungsstätten des 11. Büros der Zentralen Abteilung für Einheitsfrontarbeit der Partei und ein Vertreter der Provinz Shaanxi „besuchten das Treffen, um die Arbeit zu leiten“. Bischof Ma Yinglin zufolge wurde es einberufen, um den „Geist“ des Treffens der Kommission für Ethnien und Religionen der Politischen Konsultativkonferenz vom 27. Juli umzusetzen (siehe Eintrag in der Rubrik „Religionspolitik“). Frau Wang Lei stellte eine offenbar in Arbeit befindliche neue staatliche Richtline, „Maßnahmen für die Verwaltung religiöser Ausbildungsstätten“, vor. Sie forderte die katholischen Leitungsgremien – Patriotische Vereinigung und Bischofskonferenz – dazu auf, die Verantwortung für die Verwaltung der Seminare zu übernehmen, die ideologisch- politische Erziehung zu optimieren und an der Sinisierung festzuhalten. Vertreter der verschiedenen Seminare stellten ihre Lehrprogramme vor und machten Vorschläge für allgemein zu verwendende Lehrbücher. Man verabschiedete einen „Plan zur Förderung des Aufbaus eines fachlichen Lehrprogramms und allgemeiner fachlicher Lehrmaterialien für alle katholischen theologisch- philosophischen Seminare (Entwurf)“ (chinacatholic.cn 21.08.).

Sino-vatikanische Beziehungen

24. Mai 2020:
Weltgebetstag für die katholische Kirche in China: Papst Franziskus nach dem Regina Caeli
Nach dem Regina Caeli, das aus der Bibliothek des Apostolischen Palastes per Multimedia verbreitet wurde, sagte Papst Franziskus: „Vereinen wir uns geistlich mit den katholischen Gläubigen in China, die heute mit besonderer Hingabe das Fest der Seligen Jungfrau Maria feiern, Hilfe der Christen und Schutzpatronin Chinas, die im Heiligtum von Sheshan in Shanghai verehrt wird. Wir empfehlen der Führung und dem Schutz unserer himmlischen Mutter die Hirten und Gläubigen der katholischen Kirche in diesem großen Land, damit sie stark im Glauben und fest in der brüderlichen Einheit seien, freudige Zeugen und Förderer der Nächstenliebe und brüderlichen Hoffnung und gute Bürger.“ Dann fuhr er fort, sich direkt an die chinesischen Katholiken wendend: „Liebe katholische Brüder und Schwestern in China, ich möchte euch versichern, dass die Weltkirche, deren integraler Bestandteil ihr seid, eure Hoffnungen teilt und euch in den Prüfungen des Lebens unterstützt. Sie begleitet euch mit dem Gebet für eine neue Ausgießung des Heiligen Geistes, damit das Licht und die Schönheit des Evangeliums, Gottes Kraft für das Heil aller, die glauben, in euch leuchten möge. Indem ich euch allen noch einmal meine große und aufrichtige Zuneigung zum Ausdruck bringe, erteile ich euch einen besonderen Apostolischen Segen. Möge die Muttergottes euch immer beschützen!“ (www.vatican.va/content/francesco/de/angelus/2020/documents/papa-francesco_regina-coeli_20200524.html). 
Papst Benedikt XVI. hat im Jahr 2007 das Fest Maria Hilfe der Christen (24. Mai) zum Welttag des Gebets für China bestimmt. Die Pilgerfahrt zu dem von Papst Franziskus genannten Marienwallfahrtsort Sheshan in Shanghai wurde 2020 wegen der Corona-Pandemie abgesagt, ebenso wie die anderen Wallfahrten in China im Marienmonat Mai (vgl. China heute 2020, Nr. 1, Informationen, S. 4).

9. Juni 2020:
83-jähriger Untergrundbischof Lin Jiashan offiziell als Bischof von Fuzhou (Provinz Fujian) installiert
Die Zeremonie wurde von Bischof Cai Bingrui von Xiamen geleitet, dem Vorsitzenden der Patriotischen Vereinigung der Provinz. Ein Vertreter der offiziellen (von Rom bisher nicht anerkannten) Bischofskonferenz verlas das Approbationsschreiben der Bischofskonferenz. Laut Bericht auf der Website der offiziellen katholischen Leitungsgremien schwor der Bischof in seinem Eid, „Gottes Gebote zu halten, seine Hirtenpflichten als Bischof zu erfüllen, das Evangelium treu zu verkünden und die Priester und Laien der Diözese Fuzhou anzuleiten, sich an die Verfassung zu halten, die Einheit des Mutterlandes und die soziale Harmonie zu schützen, Land und Kirche zu lieben, an der Ausrichtung der katholischen Kirche auf Sinisierung festzuhalten und zur Verwirklichung des chinesischen Traums vom großen Wiedererstarken der chinesischen Nation beizutragen“. Das besonders strittige Versprechen, das Prinzip der Unabhängigkeit der Kirche [von ausländischen Kräften, d.h. vom Papst in Rom] einzuhalten, war demnach nicht in seinem Eid enthalten. Allerdings war der Eid „politischer“ als der in den offiziellen „Bestimmungen der Chinesischen katholischen Bischofskonferenz für die Wahl und Weihe von Bischöfen“ von 2012, nach denen der Weihekandidat lediglich schwören muss, „dass er am Glauben und der Lehre Christi festhalten, treu zur einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche und treu zum Vaterland sein, die Verfassung und die Gesetze einhalten und den Menschen dienen wird“. 
Die Situation im Erzbistum Fuzhou ist kompliziert. Traditionell ist die Untergrundgemeinschaft sehr stark, jedoch ist sie seit Jahren gespalten. Laut AsiaNews unterstützten etwa 20 Priester Bischof Lin, während eine andere Gruppe von etwa 60 Priestern im Untergrund Priester Lin Yuntuan favorisierte. Um die Einheit der Diözese zu wahren, entließ der Vatikan 2007 Bischof Lin und setzte Bischof Huang Shoucheng vom Nachbarbistum Mindong als Administrator von Fuzhou ein. Nach Bischof Huangs Tod im Jahr 2016 erreichte Bischof Lin, dass der Vatikan, der laut AsiaNews eigentlich Lin Yuntuan zum Administrator ernennen wollte, wieder ihn als Ortsbischof einsetzte. AsiaNews zufolge wollte Bischof Lin Jiashan schon lange seine Beziehung zu den Behörden formalisieren. Nur 40 bis 50 der über 100 Priester nahmen an der Installation teil, darunter auch Lin Yuntuan. Interessanterweise bezeichnete sich Lin Yuntuan im Interview mit UCAN (chinesische Ausgabe) als Leiter des Büros von Bischof Lin und erklärte, er habe bereits die Ernennung des Heiligen Stuhls zum Koadjutorbischof von Fuzhou erhalten. „Der Papst hat wiederholt die Notwendigkeit eines Dialogs mit der Regierung betont, um dafür zu kämpfen, dass die Untergrundkirche ein normales Glaubensleben führen kann, ohne unterdrückt zu werden“, sagte Lin Yuntuan zu UCAN
Bischof Lin Jiashan, 1936 geboren, wurde 1997 insgeheim zum Bischof geweiht. Die Erzdiözese Fuzhou gehört zu den größten Chinas, mit etwa 300.000 Gläubigen, über 100 Priestern und über 500 Ordensfrauen (AsiaNews 9.06.; chinacatholic.cn 9.06.; facebook.com/UCANChina 9.06.; UCAN 10.06.). 
Am 30. Januar 2019 war bereits der Untergrundbischof Jin Lugang als Koadjutorbischof von Nanyang (Henan) offiziell installiert worden (siehe China heute 2019, Nr. 1, Chronik, Katholische Kirche, 30. Januar 2019, und Eintrag vom 7. Mai in der Rubrik „Katholische Kirche“).

22. Juni 2020:
Bisher nicht behördlich anerkannter Bischof Li Huiyuan offiziell als Bischof von Fengxiang (Provinz Shaanxi) installiert
Die Zeremonie wurde von (Erz)Bischof Dang Mingyan von Xi’an geleitet, der auch einer der Vizevorsitzenden der Patriotischen Vereinigung der Provinz ist; fast alle anderen Bischöfe von Shaanxi nahmen teil: Bischof Tong Changping von Weinan, Bischof Wu Qinjing von Zhouzhi, Bischof Han Yingjin von Sanyuan, Bischof Xu Hongwei von Hanzhong und Bischof Yang Xiaoting von Yan’an. Laut UCAN waren außerdem alle Priester der Diözese Fengxiang und die Gemeindeleiter aller Pfarreien des Bistums anwesend. Die Approbation der offiziellen Bischofskonferenz wurde verlesen. Bischof Li Huiyuans Eid enthielt – nach Angaben im Bericht der offiziellen katholischen Leitungsgremien über die Installation – auch das Festhalten an der Unabhängigkeit der Kirche. 
Die Diözese Fengxiang gehörte unter der Leitung von Bischof Lukas Li Jingfeng (1921–2017) lange zur Untergrundkirche. 2004 gelang es Lukas Li, sich auch vom Staat anerkennen zu lassen, ohne in die Patriotische Vereinigung eintreten zu müssen. 2011 organisierte er die Wahl von Li Huiyuan (geb. 1965) zu seinem Nachfolger in einem Verfahren, das sowohl mit dem Kirchenrecht als auch mit den Wahlvorschriften der chinesischen Regierung übereinstimmte. Da dennoch keine offizielle Weiheerlaubnis erteilt wurde, weihte er Li Huiyuan im Jahr 2014 heimlich zum Koadjutorbischof. Als Bischof Lukas Li 2017 starb, wurde Bischof Li Huiyuan sein Nachfolger, jedoch ohne behördliche Anerkennung. Im Mai 2019 wurde die Patriotische Vereinigung der Stadt Baoji, zu der der Kreis Fengxiang gehört, gegründet und Li Huiyuan zu deren Vorsitzenden gewählt.
Laut AsiaNews sind alle Priester der Diözese Fengxiang schon zu Bischof Lukas Lis Zeiten übereingekommen, sich nicht spalten zu lassen. Auch bestehe eine große Einheit mit den anderen Diözesen der Provinz, was die Beziehungen zu den Provinzbehörden erleichtere. Das Bistum Fengxiang zählt etwa 20.000 Katholiken, 50 Priester und 200 Schwestern (AsiaNews 22.06.; chinacatholic.cn 22.06.; facebook.com/UCANChina 22.06.; UCAN 25.06.).

9. Juli 2020:
Untergrundbischof Ma Cunguo offiziell als Bischof von Shuozhou (Provinz Shanxi) installiert
Die Zeremonie wurde von (Erz)Bischof Meng Ningyou von Taiyuan geleitet, der auch Vorsitzender der Patriotischen Vereinigung der Provinz Shanxi ist; die Shanxier Bischöfe Wu Junwei von Yuncheng und Ding Lingbin von Changzhi nahmen ebenfalls teil, und das Approbationsschreiben der offiziellen Bischofskonferenz wurde verlesen. Laut UCAN wurde die Zeremonie low key gehalten und erst am 13. Juli durch einen Bericht in dem zur italienischen La Stampa gehörenden Vatican Insider bekannt. Während Bischof Ma laut einem Bericht der offiziellen chinesischen katholischen Leitungsgremien vom 16. Juli in seinem Eid angeblich auch das Festhalten an der Unabhängigkeit der Kirche versprochen haben soll, berichteten AsiaNews und UCAN, dass Bischof Ma einen eigenen Eid ablegte, in dem die Unabhängigkeit nicht erwähnt wurde. Laut AsiaNews zirkulierte der Eid in den sozialen Medien und lautete: „[...] Ich werde Gottes Gebote halten, meine Hirtenpflichten als Bischof erfüllen, das Evangelium treu verkünden, treu zur einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche sein, ich werde mich für den Aufbau des Leibes Christi, der Kirche, einsetzen und mein Leben der Seelsorge und der Verkündigung des Evangeliums widmen. Ich möchte der Lehre des Apostels Petrus ‚Unterwerft euch um des Herrn willen jeder menschlichen Ordnung‘ [1 Petrus 2,13] folgen und die Priester und Laien der Diözese leiten, sich an die Verfassung und Gesetze zu halten, die Einheit des Mutterlandes und die soziale Harmonie zu schützen, Land und Kirche zu lieben, an der Ausrichtung der katholischen Kirche auf Sinisierung festzuhalten und zur Verwirklichung des chinesischen Traums vom großen Wiedererstarken der chinesischen Nation beizutragen.“
Bischof Ma Cunguo, 1971 geboren, studierte am (offiziellen) Priesterseminar von Shanxi und wurde 2004 mit nur 33 Jahren insgeheim zum Bischof geweiht. Er soll schon länger den Wunsch nach behördlicher Anerkennung gehabt haben. Die kleine Diözese Shuozhou hat nur etwa 10.000 Gläubige und rund ein Dutzend Priester und Schwestern (AsiaNews 18.07. [chinesische Fassung]; chinacatholic.cn 16.07.; facebook.com/UCANChina 16.07.; UCAN 20.07.; Vatican Insider 13.07.).

18. August 2020:
Behördlich bisher nicht anerkannter Bischof Jin Yangke offiziell als Bischof von Ningbo (Provinz Zhejiang) installiert – fünfter solcher Fall seit dem sino-vatikanischen Abkommen
Die Zeremonie wurde von Bischof Ma Yinglin von Kunming geleitet, dem Vorsitzenden der offiziellen Bischofskonferenz; das Approbationsschreiben der Bischofskonferenz wurde verlesen. Nach Angaben im Bericht der offiziellen katholischen Leitungsgremien über die Installation enthielt Bischof Jins Eid auch das Festhalten an der Unabhängigkeit der Kirche. AsiaNews zufolge ist die Diözese Ningbo „sehr geeint und dynamisch“; Bischof Jin wird als guter und beliebter Oberhirte beschrieben. Bischof Jin Yangke, 1958 geboren, gehörte seit jeher der offiziellen Kirche an, seit 1990 arbeitete er offen als Priester in der Diözese Ningbo. Sein Vorgänger Bischof Hu Xiande weihte ihn 2012 dennoch heimlich zum Koadjutorbischof, wohl um die Teilnahme eines illegitimen Bischofs an der Weihe zu verhindern. 2017 wurde Bischof Jin Leiter der Patriotischen Vereinigung von Ningbo. Im gleichen Jahr übernahm er nach dem Tod von Bischof Hu Xiande die Leitung des Bistums. Die behördliche Anerkennung erfolgte aber erst jetzt. Die Diözese Ningbo hat rund 30.000 Gläubige, 29 Priester and 30 Ordensfrauen (AsiaNews 19.08.; chinacatholic.cn 18.08.; facebook.com/UCANChina 18.08.; UCAN 19.08.).
Somit wurden seit dem sino-vatikanischen Abkommen von 2018 nunmehr (Stand 15.10.2020) fünf vor Jahren mit päpstlicher Ernennung geweihte, aber behördlich bisher nicht anerkannte Bischöfe offiziell installiert. Zählt man den Untergrundbischof Zhuang Jianjian von Shantou hinzu, der am 22. Januar 2019 von den Behörden als „Bischof emeritus“ anerkannt worden war, wurden in diesem Zeitraum insgesamt sechs heimlich geweihte Bischöfe staatlich anerkannt. Nach Angaben des Holy Spirit Study Centre in Hongkong gab es Ende 2019 noch 31 von der Regierung nicht anerkannte Bischöfe im Untergrund, davon waren 16 im Amt.

10. September 2020:
Sprecher des chinesischen Außenministeriums nennt Umsetzung des Abkommens „reibungslos“, jedoch keine Aussage zu Verlängerung
Bei der turnusmäßigen Pressekonferenz fragte ein Journalist des Senders Phoenix TV den Außenamtssprecher Zhao Lijian, ob er bestätigen könne, dass China und der Vatikan über eine Erneuerung des Abkommens von 2018 verhandelten, und man hoffe, dass es in den nächsten Wochen um zwei Jahre verlängert werden könne. Zhao Lijian antwortete: „Unter den gemeinsamen Bemühungen beider Seiten erfährt das vorläufige Abkommen zwischen China und dem Vatikan über die Ernennung von Bischöfen seit zwei Jahren eine reibungslose Umsetzung. Seit diesem Jahr haben sich beide Seiten bei der Bekämpfung der COVID-19-Pandemie gegenseitig unterstützt, sich gemeinsam um die Aufrechterhaltung der weltweiten Sicherheit der öffentlichen Gesundheit bemüht und durch eine Reihe positiver Interaktionen größeres gegenseitiges Vertrauen und Verständnis aufgebaut. Beide Seiten werden weiter eine enge Kommunikation und Konsultation aufrechterhalten und den Prozess der Verbesserung der Beziehungen weiter vorantreiben“ (fmprc.gov.cn 10.09.)

14. September 2020:
Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin: Abkommen läuft erst im Oktober ab, Vatikan möchte es ad experimentum verlängern; bisherige Resultate waren „nicht so bemerkenswert“
Am Rande eines Vortrags über 45 Jahre KSZE-Schlussakte von Helsinki beantwortete Kardinal Parolin Fragen einiger Journalisten über das vorläufige Abkommen mit China. Der katholischen Nachrichtenagentur Zenit zufolge sagte der Kardinal: „Das Abkommen ist noch nicht abgelaufen“, dies werde erst im Oktober geschehen, zwei Jahre nach dem Inkrafttreten. Auf die Frage, ob er eine Erneuerung des Abkommens für wahrscheinlich halte, erklärte Parolin: „Ja, das glaube ich wirklich, unsere Absicht ist, dass es verlängert wird, dass wir es weiter ad experimentum anwenden, wie es in diesen zwei Jahren geschehen ist, um noch weiter den Nutzen für die Kirche in China zu prüfen.“ Gefragt, ob China seiner Meinung nach an einer Verlängerung interessiert sei, erwiderte der Kardinal: „Ich glaube und hoffe es, auch wenn diese ersten Resultate nicht so bemerkenswert waren, mir scheint, dass eine Richtung eingeschlagen wurde, die es wert ist, fortgeführt zu werden, und dann werden wir am Ende dieser weiteren Periode sehen, was zu tun ist.“ Weiter sagte er: „[...] unser Interesse ist es, [...] dass die Kirche ein normales Leben führen kann, was für die katholische Kirche auch beinhaltet, Beziehungen zum Heiligen Stuhl und zum Papst zu haben, und dann, dass innerhalb der chinesischen Kirche Einheit ist“ (Zenit 14.09.).

19. September / 1. Oktober 2020:
US Außenminister: Erneuerung des Abkommens gefährdet moralische Autorität des Vatikans – statt Papst Franziskus empfängt ihn Kardinal Parolin
Mike Pompeo schrieb auf seinem Twitter-Account: „Vor zwei Jahren hat der Heilige Stuhl ein Abkommen mit der Kommunistischen Partei Chinas erzielt, in der Hoffnung, Chinas Katholiken zu helfen. Doch die Misshandlung der Gläubigen durch die KPCh ist nur schlimmer geworden. Der Vatikan gefährdet seine moralische Autorität, sollte er den Deal erneuern.“ Ähnlich hatte er sich tags zuvor in der Zeitschrift First Things geäußert. Als er am 30. September nach Italien reiste, lehnte es Papst Franziskus ab, ihn zu empfangen, weil er im Wahlkampf sei; stattdessen traf er am 1. Oktober Kardinalstaatssekretär Parolin (Catholic News Service 22.09.; UCAN 2.10.).

22. September 2020:
Zweiter Jahrestag des Abschlusses des „vorläufigen Abkommens zwischen China und dem Heiligen Stuhl über die Ernennung von Bischöfen“
Am 22. September 2018 unterzeichneten der Unterstaatssekretär für die Beziehungen des Heiligen Stuhls mit den Staaten, Msgr. Antoine Camilleri, und der stellvertretende chinesische Außenminister Wang Chao ein vorläufiges Abkommen über die Ernennung von Bischöfen. Am gleichen Tag gab Papst Franziskus seinen Entschluss bekannt, die letzten acht verbliebenen „offiziellen“ Bischöfe (einen davon posthum), die ohne päpstliches Mandat geweiht worden waren, in die volle kirchliche Gemeinschaft aufzunehmen. Der Inhalt des Abkommens ist unbekannt – nach Angaben von Gerard O’Connell in America hatte die chinesische Seite auf der Geheimhaltung bestanden. Da durchgesickert war, dass das Abkommen auf zwei Jahre geschlossen worden sei, ging man allgemein davon aus, dass es am 22. September 2020 ablaufen werde. Katholiken in China zeigten sich gegenüber UCAN verwirrt, weil es bis zum 22. September noch keine Nachricht bezüglich einer Verlängerung gab (americamagazine.org 15.09.; facebook.com/UCANChina 22.09.).

22. September 2020:
Sprecher des chinesischen Außenministeriums spricht von guter Kommunikation zwischen China und dem Vatikan, jedoch erneut keine Aussage zur Verlängerung des Abkommens
Auf die Frage eines Journalisten sagte Außenamtssprecher Wang Wenbin: „Das vorläufige Abkommen zwischen China und dem Vatikan über die Ernennung von Bischöfen erfährt, unter den gemeinsamen Bemühungen beider Seiten, seit zwei Jahren eine reibungslose Umsetzung, der Katholizismus in China entwickelt sich gesund. Beide Seiten werden weiter eine enge Kommunikation und Konsultation aufrechterhalten und den Prozess der Verbesserung der Beziehungen weiter vorantreiben. Zwischen China und dem Vatikan besteht eine gute Kommunikation. Die chinesische Seite ist aufrichtig und positiv bezüglich des Vorantreibens der sino-vatikanischen Beziehungen. Sie ist offen für einen Austausch beider Seiten und heißt ihn willkommen“ (fmprc.gov.cn 22.09.).

29. September 2020:
Chef der vatikanischen Medien: vorläufiges Abkommen läuft am 22. Oktober aus; „positive Ergebnisse“ laden ein, es „in seiner jetzigen Form für weitere Zeit fortzuführen“
Andrea Tornielli, der Chefredakteur der vatikanischen Medien, schrieb in einem Leitartikel in Vatican News zu dem vorläufigen Abkommen über Bischofsernennungen: „In Kraft trat es einen Monat darauf [d.h. einen Monat nach der Unterzeichnung am 22. September 2018], also läuft es am kommenden 22. Oktober aus. Es wurde in Peking unterzeichnet, vorgesehen war eine Dauer von zwei Jahren ad experimentum, vor einer eventuellen endgültigen Bestätigung oder anderen Entscheidung.“ Dies war die erste offizielle Angabe seitens eines der Vertragspartner über das konkrete Ablaufdatum des vorläufigen Abkommens. Das Abkommen betreffe „ausschließlich das Prozedere zur Ernennung von Bischöfen“, so Tornielli. Das Ziel sei rein pastoral, nämlich, „den katholischen Gläubigen Bischöfe zu ermöglichen, die in voller Einheit mit dem Nachfolger Petri stehen und zugleich auch von den Autoritäten der Volksrepublik China anerkannt werden“. Die ersten zwei Jahre haben laut Tornielli „neue Bischofsernennungen in Absprache mit Rom gebracht und einige Bischöfe sind von der Regierung in Peking offiziell anerkannt worden. Die Ergebnisse sind positiv, wenn auch begrenzt – auch angesichts der Pandemie, die in der Tat die Kontakte in den vergangenen Monaten blockiert hat.“ Sie lüden dazu ein, das Abkommen „in seiner jetzigen Form für weitere Zeit fortzuführen“ (vaticannews.va 29.09.).

4. Oktober 2020:
Weihbischof Guo Xijin von Mindong gibt seinen Rücktritt bekannt
Bischof Guo (geb. 1958) leitete vor dem vorläufigen sino-vatikanischen Abkommen über Bischofsernennungen als von der Regierung nicht anerkannter Ortsbischof die große Untergrundgemeinschaft der Diözese von über 80.000 Gläubigen und 57 Priestern, während damals nur etwa 4.000 Gläubige und 8 Priester zum offiziellen Teil der Diözese gehörten, die von dem noch illegitimen Bischof Zhan Silu geleitet wurde. Auf Bitten Roms stimmte Bischof Guo zu, sich als Weihbischof mit seinen Priestern dem nunmehr legitimierten Ortsbischof Zhan zu unterstellen. Am 18. April 2019 feierten die beiden Bischöfe und alle Priester gemeinsam die Chrisammesse. Doch nach fortgesetztem Druck der Behörden auf die Priester im Untergrund, eine Erklärung zur Unterstützung der Unabhängigkeit der Kirche zu unterzeichnen, zog Weihbischof Guo im Mai 2019 seinen Antrag auf staatliche Anerkennung zurück. Noch am 1. September 2020 wurde wieder ein Untergrundpriester der Diözese, Liu Maochun, für 17 Tage verschleppt, um ihn zu zwingen, sich der offiziellen Kirche anzuschließen, wie es bis auf etwa 20 Priester der Untergrundklerus von Mindong bis dahin bereits getan hatte. Am 4. Oktober 2020 erklärte Weihbischof Guo Xijin nun seinen Rücktritt vom Amt und seinen Rückzug in ein Leben des Gebets (siehe Dokumentation). Möglicherweise hatte er auch auf mehr klärende Unterstützung durch Rom in dieser Lage gehofft. Er macht in seinem Rücktrittsbrief aber deutlich, dass er die vom Papst getroffene Entscheidung, Bischof Zhan zum Leiter der Diözese zu machen, nicht in Frage stellt und dass alle Priester der Diözese gültig die Sakramente spenden. Mindong galt als Pilotprojekt für die Umsetzung des Abkommens über Bischofsernennungen (AsiaNews 17.,18.09.; 5.10.). Vgl. China heute 2019, Nr. 1, Chronik. Katholische Kirche, Ab 13. Dezember 2018, Chronik, Sino-vatikanische Beziehungen, 12. Dezember 2018, Dokumentation; Nr. 2, Chronik, Katholische Kirche, Ab April 2019 ; Nr. 3, Chronik, Katholische Kirche, 21.-27. Juli 2019; Nr. 4, Chronik, Katholische Kirche, 28. Oktober 2019; 2020, Nr. 1, Chronik, Katholische Kirche, Januar bis April 2020.

Hongkong

1. Juni 2020:
Wiederaufnahme von heiligen Messen in Hongkong
Aufgrund der Corona-Pandemie durften vom 15. Februar bis 31. Mai keine öffentlichen heiligen Messen in den katholischen Kirchen Hongkongs gefeiert werden. Ab 1. Juni durften an den Werkstagsmessen, ab 7. Juni an den Sonntagsmessen wieder Gläubige teilnehmen. Allerdings wurden aufgrund steigender Infektionszahlen die Gottesdienste erneut vom 15. Juli bis zum 1. Oktober ausgesetzt. Vom 2. Oktober an werden wieder Werktagsmessen, vom 4. Oktober an Sonntagsmessen öffentlich gefeiert. Dies unter Einhaltung strikter Hygienemaßnahmen und mit nur der Hälfte der normalen Besucherkapazität. Beim Betreten der Kirchen müssen die Gläubigen Mund-Nasen-Schutz tragen, Temperatur messen lassen und sich die Hände desinfizieren. Nur Handkommunion ist zulässig (catholic.org.hk; Sunday Examiner 22.05.; UCAN 2.06.; 15.,29.07.).

4. Juni 2020:
Trotz Verbots Versammlungen zur Erinnerung an das Massaker von Tian’anmen
Obwohl die Polizei aus „Gesundheitsgründen“ Ansammlungen von mehr als acht Personen verboten hatte, strömten am Abend des 4. Juni Tausende von Menschen in den Victoria Park, um bei der traditionellen Vigil der Opfer des Massakers am Tian’anmen-Platz in Beijing am 4. Juni 1989 zu gedenken. Versammlungen gab es auch an vielen weiteren Orten Hongkongs. Lee Cheuk-yan, Präsident der Hong Kong Alliance in Support of Patriotic Democratic Movements of China, die alljährlich das Gedenken veranstaltet, sagte, dass es nicht nur um die Vergangenheit gehe, sondern auch um die Zukunft Hongkongs. Im Park saßen die Menschen in Achtergruppen zusammen. Die Polizei hielt sich weitgehend zurück. Dieses Jahr waren auch besonders viele junge Menschen und Studenten präsent; diese hatten sich in den letzten Jahren teils zurückgezogen mit dem Argument, die Organisatoren sollten ihren Fokus mehr auf die Situation in Hongkong richten. Für Lee war dies ein Zeichen einer erneuten Einigkeit beim Ruf nach Demokratie in China wie auch in Hongkong. In sieben katholischen Kirchen wurden an dem Abend Heilige Messen im Gedenken an die Toten gefeiert; einer der Messen stand Weihbischof Ha vor (siehe seine Predigt in der Dokumentation dieser Nummer) (AsiaNews 5.06.; 7.08.).

1. Juli 2020:
Nationales Sicherheitsgesetz tritt in Kraft
Am 30. Juni wurde das Gesetz der Volksrepublik China zur Wahrung der nationalen Sicherheit in der Sonderverwaltungszone Hongkong verabschiedet. Es trat am 1. Juli in Kraft und wurde als Anhang in das Hongkonger Grundgesetz aufgenommen. Es wurde ohne Beteiligung der politischen Institutionen oder der Menschen in Hongkong geschrieben und vom Ständigen Ausschuss des Nationalen Volkskongress in Beijing einstimmig verabschiedet. In seinen 66 Artikeln führt das Sicherheitsgesetz in Hongkong damit die Verbrechen von Sezession, Subversion, Terrorismus und Kollaboration mit ausländischen Kräften zum Schaden der nationalen Sicherheit Chinas ein. Das Gesetz hatte in Hongkong bei den pro-demokratischen Kräften schon im Vorfeld zu großer Beunruhigung geführt, da Befürchtungen bestehen, dass es die Autonomie des Sonderverwaltungsgebiets weiter untergräbt und jeglicher Widerspruch möglicherweise kriminalisiert werden könnte. Ein von Beijing in Hongkong eingesetztes Büro zum Schutz der nationalen Sicherheit, das über die lokale Gerichtsbarkeit gestellt wurde, hat die Macht, das neue Gesetz umzusetzen.
Seit dem Inkrafttreten kam es offensichtlich im Zusammenhang mit dem Sicherheitsgesetz zu einer ganzen Reihe von Verhaftungen von Journalisten, politischen Aktivisten und Geschäftsleuten, darunter Jimmy Lai, Gründer der oppositionellen Zeitung Apple Daily, Martin Lee, Gründer der Demokratischen Partei, Lee Cheuk-yan, Mitbegründer der Labour Party. Am 24. September wurde auch Joshua Wong, das bekannteste Gesicht der Hongkonger Demokratiebewegung, kurzfristig verhaftet, nach seiner Festnahme gegen Kaution allerdings wieder freigelassen.
Wie P. Gianni Criveller PIME, der lange in Hongkong gelebt hat, schreibt (siehe seinen Artikel in den Themen dieser Nummer), könnten kirchliche Gemeinschaften und Religionen zu einem späteren Zeitpunkt in den direkten Fokus rücken, „nachdem Beijing sich die Kontrolle über die Schaltzentralen der Stadt gesichert hat“.
Das Urteil zum Sicherheitsgesetz fällt bei den Kardinälen John Tong und Joseph Zen in Hongkong unterschiedlich aus. In einem Interview mit der Diözesanzeitschrift Kung Kao Po Ende Juni sagte Kardinal Tong: „Ich persönlich denke, dass das Nationale Sicherheitsgesetz keine Auswirkungen auf die Religionsfreiheit haben wird.“ Das Hongkonger Grundgesetz garantiere die Religionsfreiheit und das Recht der Kirchen, zu sozialen Fragen Stellung zu nehmen. Gleichzeitig rief er Beijing und die Lokalregierung dazu auf, sich der Anliegen der Hongkonger Bevölkerung anzunehmen. Bezüglich der Beziehungen zum Vatikan sagte Kardinal Tong: „Die katholische Kirche in Hongkong hatte immer eine direkte Beziehung zum Vatikan; die Beziehung zwischen der Diözese Hongkong und dem Vatikan sollte als interne Angelegenheit betrachtet werden“ und nicht als „Kollaboration mit ausländischen Kräften“. Kardinal Zen hingegen zeigte sich besorgt. „Das Nationale Sicherheitsgesetz […] kann echte Religionsfreiheit nicht vollständig garantieren. […]  Ich habe kein Vertrauen“, so der Kardinal in einem Video auf Facebook. Religionsfreiheit bedeute auch, dass man für die Angelegenheiten der Kirche keine Beteiligung der Regierung brauche (Asia­News 24.06.; 3.07.; focus.de 24.09.; LICAS 1.07.; tagesschau.de 30.06.).

5. Juli 2020:
Journalisten: Papst Franziskus hat in seiner Angelus-Ansprache Worte zu Hongkong vorgesehen, sagt sie aber nicht
Wie verschiedene Journalisten enthüllten, hatte das etwa eine Stunde vorher unter Embargo an Journalisten verteilte Manuskript der Ansprache des Papstes nach dem Angelus-Gebet eine Passage zu Hongkong enthalten, die Papst Franziskus aber nicht vortrug. Nach Angaben des Journalisten Marco Tosatti – für die es keine vatikanische Bestätigung gibt – lautet diese Passage: „In letzter Zeit habe ich die Entwicklung der komplexen Situation in Hongkong mit besonderer Aufmerksamkeit und nicht ohne Besorgnis verfolgt, und ich möchte vor allem meine herzliche Nähe zu allen Bewohnern dieses Gebiets zeigen.“ Die Themen seien im gegenwärtigen Kontext heikel und er hoffe, „dass alle beteiligten Personen wissen, wie sie den verschiedenen Problemen mit einem Geist weitsichtiger Weisheit und eines authentischen Dialogs begegnen können. Dies erfordert Mut, Demut, Gewaltlosigkeit und die Achtung der Würde und Rechte aller. Ich bringe daher den Wunsch zum Ausdruck, dass die gesellschaftliche Freiheit, insbesondere die Religionsfreiheit, in voller und wahrer Freiheit zum Ausdruck kommt, wie dies in der Tat in verschiedenen internationalen Dokumenten vorgesehen ist. Ich begleite mit meinem ständigen Gebet die gesamte katholische Gemeinschaft und alle Menschen guten Willens in Hongkong.“
Während manche Journalisten hinter dem Vorfall eine „Knebelung“ des Papstes durch Beijing vermuteten, sahen ihn andere als eine indirekte Form, Sorge um Hongkong zu äußern, ohne Beijing vor den Kopf zu stoßen (marcotosatti.com 5.07.; South China Morning Post 9.07.).

21. September 2020:
Kardinal Tong ruft in Hirtenbrief zu Einheit auf
In dem auf den 21. September 2020 datierten Hirtenbrief mit dem Titel „In Einheit mit der Kirche“ (siehe die Dokumentation dieser Nummer) prangert der Apostolische Administrator von Hongkong, Kardinal John Tong, „in pastoraler Sorge“ einige negative Haltungen an, die ihren Weg auch in kirchliche Kreise gefunden und dadurch eine Spaltung verursacht hätten, so u.a. die Rechtfertigung von Gewalt, Kompromisslosigkeit, Verleumdung und Ablehnung von Andersdenkenden ohne Bereitschaft zu Dialog und Aussöhnung. Auch wenn es wie überall auch unter den Gläubigen unterschiedliche Ansichten zu gesellschaftlichen und politischen Themen geben dürfe, so dürften diese doch nicht zu einer Spaltung in der Kirche führen. In harten Worten stellte sich Kardinal Tong zudem gegen das vermeintliche „Recht“ von Katholiken, die Kirche öffentlich zu kritisieren oder sogar Kirchenführer zu „verleumden“. Auch dies schaffe eine Spaltung in der Kirche. Die Laien sollten „ihren Hirten gehorchen und sie gebührend respektieren“ (Lumen Gentium). Die Katholiken, die düster in die Zukunft blicken, ruft er zu einem vertieften Glauben an Gott auf. Im September gab die Katholische Diözese Hongkong auch ein „Gebet für Hongkong und die katholische Kirche“ heraus (siehe Dokumentation).
Der Hirtenbrief führte in der Diözese zu kontroversen Diskussionen, einige fragten sich, ob der Brief wirklich von Kardinal Tong stammt, da er nicht seinem früheren, eher moderaten Schreibstil entspreche.
Kardinal Tong hatte am 31. Juli und am 28. August weitere Hirtenbriefe geschrieben. Der erste war ein Familienbrief zur Corona-Pandemie, der zweite ging an die Priester und Diakone der Diözese. Darin schrieb der Kardinal u.a., dass Priester und Gläubige eine prophetische Rolle hätten und es manchmal nötig sei, in der Predigt auf soziale Probleme hinzuweisen. Zweck der Predigt sei aber nicht, persönliche Ansichten zu vermitteln, z.B. zu politischen Fragen. Jemanden durch Andeutungen anzugreifen, zu Hass oder sozialer Unruhe anzustacheln, widerspreche dem Geist Christi und sei in der Liturgie unpassend. Die Gläubigen erwarten in der heutigen kritischen Situation laut Kardinal Tong tröstende, konstruktive und ermutigende Worte. Die Priester und Diakone sollten sorgfältig auf ihre Worte und Taten in- und außerhalb der Messe achten. Auch dieser Brief erregte unter manchen Klerikern Widerspruch (Apple Daily 28.08.; CNA 1.09.; facebook.com/UCANChina 25.09.; Hong Kong Sunday Examiner 31.07.).

1. Oktober 2020:
Kardinal Zen darf keine Mondkuchen an Inhaftierte verteilen
Da es nach Aussagen der Gefängnisbehörden eine „politische Aktivität“ sei, durfte Kardinal Zen Ze-kiun von Hongkong in diesem Jahr nicht die traditionellen Mondkuchen zum Mittherbstfest an Gefängnisinsassen verteilen. Der Kardinal praktiziert diese Geste sei 2010, im Jahr 2013 wurde die Kampagne sogar von Papst Franziskus gesponsort. Alljährlich sammelt der Kardinal dafür Spenden. In den sozialen Medien wurde darüber diskutiert, ob das Verbot mit dem am 1. Juli in Kraft getretenen nationalen Sicherheitsgesetz ür Hongkong im Zusammenhang stehen könnte (AsiaNews 10.09.).

Taiwan

4. Mai 2020:
Katholische Kirchen im Erzbistum Taipei wiedereröffnet
Nach einem Lockdown von 45 Tagen durften laut AsiaNews ab dem 4. Mai unter Auflagen wieder öffentliche Gottesdienste im Erzbistum Taipei stattfinden. Nach den Regeln dürfen nicht mehr als 100 Gläubige an einer Messe teilnehmen, sie müssen sich registrieren, Temperatur messen lassen, sich die Hände desinfizieren und in der Kirche den erforderlichen Abstand halten. Taiwan ist bisher aufgrund von Prävention und frühzeitigen konsequenten Schutzmaßnahmen glimpflich durch die Pandemie gekommen (AsiaNews 5.05.; siehe auch China heute 2020; Nr. 1, S. 10f.).

18. Juli 2020:
Neuer Erzbischof von Taipei in sein Amt eingeführt
Der neue Erzbischof Thomas Chung An-zu wurde am 18. Juli in der Chung-Mei-Halle der Katholischen Fu-Jen-Universität in sein Amt eingeführt. An der Feier nahmen 1.000 Personen teil, darunter Vertreter anderer Religionen und Regierungsbeamte. Anwesend war auch Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen, die im Anschluss eine Ansprache hielt und dabei den Beitrag der Kirche für die Gesellschaft und die bisherige fruchtvolle Arbeit des neuen Erzbischofs mit Jugendlichen lobte. In Kirchenkreisen wurde die Anwesenheit der Präsidentin auch als politisches Zeichen gegenüber Festlandchina gedeutet.
Der 68-jährige Erzbischof Chung ist der achte Erzbischof der Erzdiözese Taipei und folgt in diesem Amt Erzbischof John Hung Shan-chuan SVD, der am 23. Mai aus Altersgründen zurücktrat. Chung bekundete gegenüber UCAN, dass seine Ernennung keine großen Auswirkungen auf die Beziehungen zwischen China, Taiwan und dem Vatikan habe. Der Vatikan trüge weiterhin Sorge für die Beziehungen mit Taiwan, so habe es keine Vakanz für das Bischofsamt in Taipei gegeben und der Geschäftsträger des Heiligen Stuhls in Taipei, Msgr. Arnaldo Catalan, habe ihn vor seinem Weggang aus Chiayi besucht und sich über die Situation der Kirche informiert. „Ich kann versichern, dass sich die Beziehungen des Vatikans mit Taiwan normal weiterentwickeln werden“, so Chung.
Erzbischof Chung wurde 1952 in Yunlin geboren und 1981 in der Diözese Tainan zum Priester geweiht. In Rom erwarb er einen Doktorgrad in Moraltheologie. 2006 wurde er zum Weihbischof der Erzdiözese Taipei ernannt und 2008 zum Bischof von Chiayi. Zudem war er Vorstandsmitglied der Katholischen Fu-Jen-Universität und Rektor des Regionalseminars von Taiwan. Am 8. Juli 2020 wurde Erzbischof Chung als Mitglied des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog ernannt. Er war bisher in Taiwan führend aktiv bei kirchlichen Kontakten zu Buddhisten, Daoisten und anderen Religionsvertretern und ist Mitglied im Komitee für den interreligiösen Dialog in der Regionalen Bischofskonferenz Taiwans (Fides 23.05.; Taipei Times 20.07.; UCAN 26.05.; 22.07).

1. September 2020:
Taiwan: Mehr Selbstmorde unter Jugendlichen
Die Zahl der Selbstmorde unter den Jugendlichen in Taipei stieg in den letzten zwei Jahren infolge psychischer Schwierigkeiten rapid an, meldete die Gesundheitsbehörde von Taipei Ende August. Während letztes Jahr 339 Personen freiwillig aus dem Leben schieden, was eine Senkung von zehn Prozent gegenüber 2018 bedeutet, stieg die Zahl bei den 15- bis 24-Jährigen von 17 auf 28, also um 64,7 Prozent. Das Taipeier Zentrum zur Verhütung von Suiziden nannte als Gründe für Selbstmorde unter jungen Menschen mentale Probleme (36,3 Prozent), Schwierigkeiten innerhalb der Familie und bei Liebensbeziehungen (32,9 Prozent) sowie Schulprobleme (10,7 Prozent). Der Bürgermeister von Taipei, Ke Wenzhe, gab gegenüber der Taipei Times vom 1. September 2020 zu bedenken, viele fänden es zu peinlich, bei emotionalen Problemen oder Suizidgedanken den Arzt aufzusuchen. Dabei könnten Depressionen sehr gut mit Medikamenten und Psychotherapie behandelt werden. Laut der Taiwanischen Gesellschaft für Suizidforschung geht die Selbstmordrate in Taiwan insgesamt zurück, die Zahl der Selbstmordversuche von Kindern, Teenagern und jungen Erwachsenen mit 7.038 Fällen im vergangenen Jahr steigt jedoch (Taipei Times, 1.,9.09.). Willi Boehi


Katharina Feith
Isabel Friemann, China InfoStelle
Katharina Wenzel-Teuber

 

 

Alle Quellenangaben in der Chronik beziehen sich, wenn nicht anders angegeben, auf das Jahr 2020.

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