4. November 2020:
Global Times: China vor dem Ende der Geburtenkontrolle?
„Chinesische Demographen sind der Ansicht, dass ein Aufheben der Familienplanung ein Trend in der Bevölkerungspolitik des Landes sein wird, und es wird erwartet, dass Gruppen von Minderheiten, darunter unverheiratete Frauen und gleichgeschlechtliche Paare, die gleichen Rechte haben werden, Kinder großzuziehen“, so schreibt die regierungsnahe Global Times am 4. November 2020. Der neue Fünfjahresplan (2021–2015) habe die Rhetorik der „Familienplanung“ ausgemustert und zum ersten Mal von „Inklusivität“ bezüglich der Geburtenpolitik gesprochen. Dabei gehe es vor allem um Maßnahmen gegen eine massiv alternde Gesellschaft. Seit 2017 ist die Zahl der Geburten jährlich gesunken, trotz des Aufhebens der Ein-Kind-Politik und der Einführung der Zwei-Kind-Politik ab 2016. Die Global Times lässt allerdings auch andere Stimmen zu Wort kommen, so Lu Jiehua, Soziologieprofessor an der Peking University, der sagte, die Anpassung und Verbesserung der Geburtenpolitik seien ein wichtiger Bestandteil der nationalen Strategie angesichts der alternden Bevölkerung, aber es bleibe unklar, „wie diese Politik in den nächsten fünf Jahren angepasst werden kann und ob die Drei-Kind-Politik eingeführt wird oder alle Restriktionen komplett aufgehoben werden“ (Global Times 4.11.; bpb.de 28.10.).
3. Dezember 2020:
Xi Jinping erklärt Ende der absoluten Armut in China
Präsident Xi hatte bei seiner Machtübernahme vor acht Jahren die Bekämpfung der absoluten Armut zu einem der Hauptziele seiner Regierung gemacht. Das Einkommen von fast 100 Mio. Einwohnern habe Chinas offizielle Armutsgrenze – diese liegt bei 1,68 US-Dollar am Tag – in den vergangenen acht Jahren überschritten, so Xi vor dem Ständigen Ausschuss des Politbüros am 3. Dezember. Die Weltbank definiert nach einem Bericht des BMZ Menschen als extrem arm, wenn sie weniger als 1,90 US-Dollar pro Tag zur Verfügung haben.
Die KP Chinas bezeichnet die Überwindung der absoluten Armut als Schritt zu „bescheidenem Wohlstand“ für die gesamte Bevölkerung. Im Zuge der Kampagne gegen die Armut wurden allerdings Zigmillionen Menschen aus entlegenen Dörfern in neugebaute Siedlungen in der Nähe von Städten umgesiedelt. Ältere und behinderte Bewohner bekamen Barzahlungen und die Regierung hat Beschäftigungsprogramme gestartet für Personen, die vorher arbeitslos waren oder abhängig von staatlicher Unterstützung im landwirtschaftlichen Bereich. Im November 2020 hatte China die letzten neun Landkreise, die sich alle in Guizhou befinden, von einer staatlichen Liste der ärmsten Landkreise entfernt. Angesichts langsameren Wirtschaftswachstums und der Auswirkungen der Corona-Pandemie wird das Thema Armut China jedoch auch in Zukunft begleiten (Bloomberg 4.12.2020; Merics China Briefing 10.12.2020; www.bmz.de/de/service/glossar/A/armut.html).
Dezember 2020 bis März 2021:
Religionen in der Corona-Pandemie
Ab Anfang Juni 2020 begann der monatelang dauernde Prozess der Wiederöffnung der religiösen Stätten nach dem landesweiten Lockdown (vgl. China heute 2020, Nr. 2-3, Informationen). Für die Wintermonate ist das Bild unvollständig. An Weihnachten wurden in verschiedenen Teilen Chinas unter Präventionsmaßnahmen katholische Gottesdienste abgehalten, wie Berichte des katholischen Portals Xinde zeigen; an anderen Orten, wie z.B. in Shijiazhuang, mussten sie abgesagt werden. Laut einem Bericht der China Christian Daily über protestantische Weihnachtsgottesdienste in Beijing mussten die meisten Kirchen, darunter die Haidian-Kirche, die Gangwashi-Kirche und die Fengtai-Kirche, ihre Gottesdienste kurzfristig ins Internet verlegen. In dem Beitrag wird einer der wenigen unter sehr umfangreichen Sicherheitsmaßnahmen stattfindenden Präsenz-Gottesdienste in Beijing beschrieben; in der Kirche war Fotografieren verboten und die Mobiltelefonsignale waren blockiert.
Anfang Januar gab es Corona-Ausbrüche in den Provinzen Hebei (siehe den Beitrag vom 7. Januar 2021 in der Rubrik „Katholische Kirche“), Heilongjiang und Jilin. Am 8. Januar 2021 wurden alle 155 religiösen Stätten in Beijing geschlossen. Ein Rundschreiben des Staatsrats vom 18. Januar wies alle Provinzen an, aufgrund steigender Infektionen die Prävention zu verstärken und u.a. auf dem Land „kollektive Aktivitäten in religiösen Stätten vorübergehend einzustellen und illegale religiöse Aktivitäten gemäß dem Gesetz zu stoppen“. Die Zentralregierung rief die Bevölkerung im Vorfeld des Chinesischen Neujahrsfests (12. Februar) dazu auf, auf Reisen möglichst zu verzichten. Einer Bekanntmachung der Chinesischen buddhistischen Vereinigung vom 27. Januar ist zu entnehmen, dass zwar kollektive religiöse Aktivitäten in Tempeln eingestellt, aber Tempelbesuche in kontrollierter Weise weiter möglich sein sollten. Am 16. März 2021 meldete Xinde, dass „nach Sichuan und Zhejiang nun auch Beijing, Shanghai, Chongqing, Jiangxi, Xi’an in Shaanxi, Baotou und Chifeng in der Inneren Mongolei ihre Stätten für religiöse Aktivitäten nacheinander wieder geöffnet haben oder demnächst öffnen werden“ (AsiaNews 8.,9.01.2021; chinabuddhism.com 28.01.2021; chinachristiandaily.com 28.12.2020/4.01.2021; gov.cn 18.01.2021; NZZ 4.02.2021; scmp.com 8.01.2021; xinde.org 16.03.2021).
4. Dezember 2020:
ChinaAid: Grundschullehrer im Wenzhouer Bezirk Longwan mussten eine Verpflichtung unterzeichnen, nicht an eine Religion zu glauben
Wie die in den USA ansässige Organisation ChinaAid meldete, wurden Lehrer von Grundschulen im Bezirk Longwan in der Stadt Wenzhou (Zhejiang) aufgefordert, eine „Verpflichtung für Lehrpersonal, nicht an eine Religion zu glauben“ (教师不信教承诺书) zu unterzeichnen. Eine örtliche Quelle berichtete, dass an ihrer Schule das Lehrpersonal am 30. November in einer Versammlung ein Formular ausfüllen musste, von dem ChinaAid ein Foto zeigte. Das Formular enthält Felder für Angaben zur Person und eine zu unterzeichnende Erklärung von 4 Punkten. Punkt 1 verpflichtet dazu, „fest in der marxistischen Auffassung von Religion zu stehen, atheistische Erziehung und Bildung zu stärken, nicht an Religion zu glauben, an keinerlei religiösen Aktivitäten teilzunehmen und an keinem Ort Religion zu predigen und zu verbreiten“. Der/die Unterzeichnende verpflichtet sich außerdem, sich nicht an „Kulten“ wie Falungong zu beteiligen, keinen „feudalen Aberglauben“ zu betreiben und sich stattdessen für den Sozialismus und den „Auftrag, für Partei und Staat Menschen heranzuziehen“, einzusetzen. Lehrer, die der KP angehören, mussten der Quelle zufolge das Formular „Verpflichtung für Parteimitglieder, nicht an eine Religion zu glauben“ ausfüllen. Laut ChinaAid sind 10% der Bevölkerung von Wenzhou Christen (AsiaNews 10.12.2020; chinaaid.net 4.12.2020).
Schon früher wurde gemeldet, dass sich an einigen Orten Schüler und ihre Eltern schriftlich verpflichten mussten, nicht an religiösen Aktivitäten teilzunehmen (vgl. China heute 2018, Nr. 3, Chronik, Religionspolitik, 2. September 2018; 2020, Nr. 2-3, Chronik, Religionspolitik, 12. Juni 2020). Seit einigen Jahren gibt es zudem aus einer zunehmenden Zahl von Orten in China Berichte, dass Minderjährige keine Gottesdienste besuchen und nicht am Religionsunterricht teilnehmen dürfen.
18. Oktober 2020:
Zweites Forum zu „Internet + religiöse öffentliche Meinung“ beschäftigt sich mit dem Thema „Religion und Cyber-Sicherheit“
Angesichts der erheblich gestiegenen Cyber-Aktivität der Menschen während der Corona-Pandemie sei es notwendig und wichtig, sich mit den Themen des Forums zu beschäftigen – sagte Zheng Xiaoguan 郑筱筠, die Direktorin des Instituts für Weltreligionen (IWR) der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften (CASS), zu Beginn der Tagung. Die noch relativ neue, seit April 2019 amtierende Direktorin ist eine Spezialistin u.a. für den Theravada-Buddhismus und Religionen ethnischer Minderheiten. Zheng Xiaoguan kündigte an, dass das Forum, geleitet von wichtigen Gedanken Xi Jinpings zur Cybersicherheit, sich auf die Themen Religion und Cybersicherheit, Forschung zu Religion im Internet, Internet und Künstliche Intelligenz sowie Aufbau einer Cyber-Schicksalsgemeinschaft konzentrieren werde. Die Hauptvorträge behandelten die Themen „Cyperspace-Sicherheit im Zeitalter von Big Data und Steuerung (zhili 治理) der Religionen“, „Neue Religionen im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz“, „Arten und Besonderheiten der religiösen öffentlichen Meinung und ihre gesellschaftliche Steuerung“ sowie „Bericht über den Grad der Nutzung des Internet + durch Stätten für religiöse Aktivitäten im ganzen Land – am Beispiel des Buddhismus“. In den anschließenden Unterforen ging es um Themen wie „Das Internet und der Aufbau individueller religiöser Identitäten“, „Konzepte und Methoden der globalen Internet-Steuerung“, „Eine Untersuchung des Einflusses des WeChat-Raums auf die Beziehungen innerhalb religiöser Interessengruppen“, „Neue Internetmedien und die Entwicklung des Christentums in Taiwan“ oder „Mediatisierung und Mediation: Eine anthropologische Studie über die Beziehung zwischen Internet und dem Heiligen“. Veranstalter des Forums waren die Chinesische Vereinigung für Religionswissenschaft, das IWR, das Forschungszentrum für böse Kulte der CASS und das Institut für Minderheiten- und Religionsforschung der Provinz Fujian; es wurde von der Forschungsstelle für digitale humanistische Religion und religiöse öffentliche Meinung des IWR durchgeführt (zytzb.gov.cn 21.10.).
Das chinesische Konzept „Internet + [Plus]“ bezeichnet ursprünglich die Anwendung des Internets auf die Industrie (ähnlich dem deutschen Konzept „Industrie 4.0“) und andere Wirtschaftsbereiche. Zum Thema Religion und Internet siehe auch den Eintrag vom 30. November / 1. Dezember 2020 in der Rubrik „Katholische Kirche“.
18. November 2020:
Entwurf für „Maßnahmen für die Verwaltung religiöser Amtsträger“ zur Einholung von Meinungen veröffentlicht
Bisher gab es an landesweiten staatlichen Rechtsnormen für religiöse Amtsträger aller Religionen nur die „Maßnahmen für die Akteneintragung religiöser Amtsträger“ und die „Maßnahmen für die Akteneintragung der Besetzung leitender religiöser Ämter an Stätten für religiöse Aktivitäten“ (beide in Kraft seit 1.03.2007; vgl. China heute 2007, Nr. 1-2, S. 23-25, 31-33). Diese beiden Dokumente gehen, mit verschiedenen Neuerungen, in Kapitel 3 und 4 der künftigen Rechtsnorm auf. Es bleibt bei dem Prinzip, dass religiöse Amtsträger, um legal tätig sein zu können, von den [staatlich sanktionierten] religiösen Organisationen nach Regeln, die diese selbst [unter Anleitung der Behörden] festlegen, als solche anerkannt und von den Behörden in die Akten eingetragen sein müssen. Das vom Nationalen Religionsbüro veröffentlichte neue Dokument ist jedoch von weit umfassenderem Charakter. Kapitel 1 enthält den Grundsatz, dass religiöses Personal patriotisch und gesetzestreu sein, die Führung der KP Chinas unterstützen und am Prinzip der Unabhängigkeit festhalten muss. Kapitel 2 listet Rechte und Pflichten religiöser Amtsträger auf. Zu den Pflichten gehört u.a. Widerstand gegen illegale religiöse Aktivitäten, extremistische religiöse Ideologie und Infiltration ausländischer Kräfte mittels Religion. Eine lange Liste verbotener Handlungen reicht von der Durchführung terroristischer Aktivitäten, dem Eingreifen in die Ausübung staatlicher Funktionen (darunter Erziehung), der eigenmächtigen Annahme von der Ernennung für ein religiöses Amt durch eine ausländische Institution, der Durchführung religiöser Aktivitäten außerhalb registrierter Stätten bis hin zu „Verbreitung von Religion mittels Wohltätigkeit, in Schulen [...] oder anderen Bildungseinrichtungen, und andere illegale missionarische Handlungen“. Kapitel 5 „Beaufsichtigung und Verwaltung“ legt u.a. fest, dass religiöse Organisationen Systeme für die Verwaltung, Evaluierung, Belohnung und Bestrafung ihres religiösen Personals ausarbeiten, Informationen zu dem Personal archivieren und den Behörden melden müssen, die entsprechende digitale Datenbanken anlegen. Provinzübergreifende Tätigkeit religiöser Amtsträger bedarf besonderer Genehmigung. Für Strafmaßnahmen bei Verstößen verweist das Dokument auf §§ 65 und 73 der „Vorschriften für religiöse Angelegenheiten“. Die Eingabefrist für Änderungsvorschläge endet am 17. Dezember (Text der 宗教教职人员管理办法 [征求意见稿] unter www.moj.gov.cn/news/content/2020-11/18/zlk_3260133.html, engl. Übersetzung unter www.chinalawtranslate.com/en/religious-professionals-draft).
18. November 2020:
Entwurf für „Durchführungsbestimmungen zu den Verwaltungsvorschriften für religiöse Aktivitäten von Ausländern in der VR China“ zur Einholung von Meinungen veröffentlicht
Bei diesen vom Nationalen Büro für religiöse Angelegenheiten (NBRA) im Entwurf vorgelegten Durchführungsbestimmungen scheint es sich um eine Neufassung des gleichnamigen Dokuments von 2000 (Revision 2011) zu handeln. Sie basieren auf den weiterhin gültigen „Verwaltungsvorschriften für religiöse Aktivitäten von Ausländern auf dem Territorium der Volksrepublik China“ von 1994 (dt. in China heute 1994, Nr. 1, S. 7). Am 7. Mai 2018 hatte das NBRA bereits einen Entwurf für „Maßnahmen für die Verwaltung kollektiver religiöser Aktivitäten von Ausländern auf dem Territorium der Volksrepublik China“ veröffentlicht (vgl. China heute 2018, Nr. 2, Chronik, Religionspolitik, 7. Mai 2018), der jedoch nicht realisiert wurde, sondern in Kapitel 2 „Kollektive religiöse Aktivitäten“ der neuen Durchführungsbestimmungen eingeflossen zu sein scheint.
Ausländer, die in China religiöse Aktivitäten durchführen, müssen die Gesetze Chinas einhalten und u.a. das Prinzip der Unabhängigkeit der Religionen respektieren (§ 5). Ausländer dürfen an religiösen Aktivitäten in chinesischen Tempeln, Moscheen und Kirchen teilnehmen (§ 6). Wollen sie selbst kollektive religiöse Aktivitäten durchführen, müssen sie drei „Veranstalter“ wählen, die weder „chinafeindliche Worte oder Taten“ noch „negative Einträge“ aufweisen und keine Immunität genießen dürfen (§ 8). Diese Veranstalter stellen bei der Organisation der entsprechenden Religion auf Stadtebene einen Antrag auf Nutzung einer religiösen Stätte und schließen mit ihr einen detaillierten Nutzungsvertrag (§ 9-10). Wo dies nicht möglich ist [etwa weil die betreffende Religion (z.B. Judentum, Mormonen, Bahai’i) in China kein offizielles Gegenstück hat], kann bei den Behörden die Nutzung einer provisorischen religiösen Stätte beantragt werden; dafür müssen sehr detaillierte Unterlagen vorgelegt werden, z.B. die Personalien und Visa aller Personen, die an den geplanten Aktivitäten teilnehmen werden (§ 12-16). Die religiösen Aktivitäten der Ausländer sollen von dem einheimischen Klerus der gastgebenden Stätte geleitet werden; falls wirklich die Leitung durch einen ausländischen religiösen Amtsträger notwendig ist, ist dies den Behörden zu melden (§ 11). Chinesen (der die religiösen Aktivitäten leitende Klerus ausgenommen) dürfen nicht an kollektiven religiösen Aktivitäten von Ausländern teilnehmen (§ 17). Ausländer dürfen unter chinesischen Bürgern kein religiöses Personal ernennen, nicht missionieren und keine religiösen Fortbildungen durchführen (§ 21). Kapitel 3 legt fest, dass „Religiöser Austausch“ (inklusive auf kultureller und akademischer Ebene) über die religiösen Organisationen auf nationaler oder Provinzebene organisiert werden muss (§ 22). Es wird festgelegt, unter welchen Voraussetzungen ausländische religiöse Amtsträger an chinesischen religiösen Stätten predigen (§§ 23-24), Ausländer religiöse Literatur nach China bringen dürfen etc. Kapitel 4 (§§ 30-36) sieht eindrucksvolle Strafen für den Bestimmungen zuwiderhandelnde Ausländer vor, die entweder durch die Religionsbehörden oder andere zuständige Behörden verhängt werden – bei Verstößen gegen das Anti-Spionage-Gesetz beispielsweise durch die Behörden für Staatssicherheit. Strafen sind auch für chinesische religiöse Gruppen oder Stätten vorgesehen, die gegen die Durchführungsbestimmungen verstoßen, und für das Bereitstellen von Voraussetzungen für illegale religiöse Aktivitäten von Ausländern. Die Eingabefrist für Änderungsvorschläge endet am 17. Dezember. Der parteinahen Global Times zufolge zielen die neuen Bestimmungen darauf ab, „die Infiltration religiöser Extremisten“ zu verhindern (Text der 中华人民共和国境内外国人宗教活动管理规定实施细则 [修订征求意见稿] unter http://www.moj.gov.cn/news/content/2020-11/18/zlk_3260126.html, engl. Übersetzung unter www.chinalawtranslate.com/en/foreign-religion-in-china; AsiaNews 25.11.; Global Times 23.11.)
27.–28. November 2020:
10. Nationalversammlung der Vertreter der Chinesischen daoistischen Vereinigung (CDV)
Die 352 daoistischen Delegierten und 48 Gäste trafen sich in Jurong (Jiangsu) am Maoshan-Gebirge. Die Versammlung wählte turnusgemäß eine neue Führungsriege der CDV: einen 204-köpfigen Vorstand und einen Ständigen Vorstand mit 92 Mitgliedern. Der daoistische Priester Li Guangfu (geb. 1955), der auch Präsident der Daoistischen Vereinigung vom Wudangshan ist, wurde als Präsident der CDV wiedergewählt. Ihm stehen künftig 18 Vizepräsidenten zur Seite. Li Hanying wurde Generalsekretär. Die Satzung der CDV und weitere Dokumente wurden revidiert, 7 neue Regelungen wurden verabschiedet, darunter „Verhaltensnormen für daoistische religiöse Amtsträger“. Wang Zuo’an, Vizeminister der Einheitsfrontabteilung der KP Chinas und Direktor des Nationalen Büros für religiöse Angelegenheiten, hob in seiner Rede bei der Nationalversammlung u.a. hervor, dass die CDV in den letzten Jahren die Ordinationszeremonien der Quanzhen-Schule „wiederhergestellt“ und die Liturgie der Registerverleihung (Ordination) der Zhengyi-Schule „weiter normiert“ habe. Als gravierende Probleme nannte er eine unzureichende innere Motivation zur Sinisierung des Daoismus (sic!), mangelnde Disziplin in manchen Klöstern, Leidenschaft für Wahrsagerei und Fengshui sowie generell eine niedrige „Qualität“ des Klerus. Für die Zukunft forderte Wang die Daoisten auf, den „patriotischen Geist“ zu fördern, u.a. anlässlich der Hundertjahrfeier der Gründung der KP Chinas; eine klare Grenze zwischen „normalen religiösen Aktivitäten“ und „feudalem Aberglauben“ zu ziehen und entschlossenen Widerstand gegen alle „illegalen und gesetzwidrigen Aktivitäten, die den Daoismus benutzen“, zu leisten. Er rief den Daoismus auf, bei der Interpretation seiner Lehren und Regeln „mit der Zeit zu gehen“. Der „Stil“ des Daoismus sei zu korrigieren, die „Gebote zum Meister zu machen“ (yi jie wei shi 以戒为师). Die traditionellen daoistischen Gebote und Regeln (jielü 戒律) müssten geordnet, vereinfacht und vereinheitlicht werden, so Wang. Das System für den Ausschluss aus dem daoistischen Klerus müsse verbessert und ein webbasiertes Nachschlagesystem für ausgeschlossene Personen eingerichtet werden, damit, „wer an einem Ort gegen die Gebote (jie 戒) verstoßen hat, überall in die Schranken gewiesen wird“ (sara.gov.cn 15.12.; taoist.org.cn 18.12.; zytzb.gov.cn 30.11.).
Die Nationalversammlungen sind die höchsten offiziellen Gremien der fünf anerkannten Religionen, sie tagen turnusmäßig alle fünf Jahre. Die 9. Nationalversammlung der Daoisten fand vom 26.–29. Juni 2015 in Beijing statt; vgl. China heute 2015, Nr. 3, Chronik, 26.-29. Juni 2015.
21. Dezember 2020:
Maßnahmen der Provinz Guangdong für die Verwaltung der Registrierung und Nummerierung von Stätten für Volksglaubensaktivitäten werden erlassen
In der Volksrepublik China konnten lange nur Stätten der anerkannten „fünf Religionen“ einen legalen Status durch Registrierung beim Staat erlangen. Seit einiger Zeit erproben die Behörden Methoden, traditionelle volksreligiöse Praktiken offiziell zuzulassen und in die staatliche Verwaltung aufzunehmen. Als erstes erließ im Jahr 2009 die Provinz Hunan Verwaltungsmaßnahmen zur Registrierung volksreligiöser Stätten (vgl. China heute 2011, Nr. 2, Dokumentation, Themen). Die im Dezember erlassenen Maßnahmen der Provinz Guangdong (广东省民间信仰活动场所登记编号管理办法) definieren Volksglauben als „Phänomene des nicht institutionalisierten Glaubens, bei denen eine Vielzahl von Gottheiten verehrt wird, mit dem Hauptzweck, um Segen zu beten und Schaden abzuwenden, die eng mit Brauchtumsaktivitäten verbunden sind und spontan im Volk weitergegeben werden“. Konfuziustempel (wenmiao 文庙) und Ahnenhallen von Clans (zongzu citang 宗族祠堂) zählen nicht als Stätten für Volksglaubensaktivitäten im Sinn der Maßnahmen (§ 2). Volkglaubensstätten, die eine Grundstücksfläche von mindestens 500 qm oder eine Gebäudefläche von mindestens 300 qm haben oder jährlich eine Einzelaktivität mit mindestens 1.000 Teilnehmern abhalten, müssen registriert und nummeriert (dengji bianhao 登记编号) werden. Kleinere Stätten werden registriert und archiviert, sie erhalten keine Nummer; wie die größeren Stätten werden sie in das „Verwaltungssystem für ethnische und religiöse Angelegenheiten der Provinz Guangdong“ eingespeist (§ 4). Das Dorf- oder Einwohnerkomitee des Ortes, an dem die Stätte sich befindet, organisiert, dass das demokratische Verwaltungsgremium der Stätte bei der Regierung auf Gemeindeebene einen Antrag unter Beifügung der notwendigen Unterlagen (u.a. Nachweis über Eigentums- oder Nutzungsrecht der Immobilie) stellt. Diese leitet ihn nach Überprüfung an die Regierung auf Kreisebene weiter, welche dann das entsprechende Registrierungszertifikat ausstellt (§ 5).
Durchführungsmaßnahmen der Stadt Ningbo (Provinz Zhejiang) vom 16. November 2020 zum gleichen Thema nennen als Ausschlusskriterien für die Registrierung als Stätte für Volksglaubensaktivitäten u.a.: „es wohnt dort ständig ein religiöser Amtsträger“ (sic!) und „es werden häretische (xiejiao 邪教), abergläubige und andere illegale Aktivitäten durchgeführt“ (Dokumente unter http://mzzjw.gd.gov.cn/gkmlpt/content/3/3155/post_3155269.html#617 und www.ningbo.gov.cn/art/2020/11/16/art_1229096003_983380.html).
17. November 2020:
Radio Free Asia (RFA) meldet Schließung der Räuchergefäße vor dem Jokhang-Tempel in Lhasa sowie Demontage von Gebetsfahnen in vielen Teilen Tibets
Der US-amerikanische Sender berichtete, dass zwei Räucheröfen für Sang-Sol-Rituale – das Verbrennen von Wacholderzweigen und andere Rauchopfer – vor dem Jokhang-Tempel für die Gläubigen ganz geschlossen worden seien. Die Behörden sollen dies damit begründet haben, dass die Rauchopfer der Umwelt schadeten, und seit Anfang November eine entsprechende Erziehungskampagne durchgeführt haben. Bereits früher sei im Zuge von Renovierungsarbeiten vor dem Jokhang ein Areal abgezäunt worden, um Gläubige daran zu hindern, dort öffentlich zu beten und ihre Niederwerfungen auszuführen.
Ferner berichtet RFA, dass die Behörden in vielen Teilen Tibets die Zerstörung von Gebetsfahnen befohlen hätten, was – so RFA – „einen der bisher schärfsten Angriffe auf die sichtbaren Symbole der tibetischen Kultur und Religion darstellt“. Einer Quelle zufolge seien alle Gebetsfahnen mit aufgedruckten Mantras, ob alt oder neu, im Namen der „Säuberung der Umwelt“ und der „Verhaltensreform“ entfernt und sogar die Masten, an denen sie aufgehängt waren, abgerissen worden. Nach einem Bericht der Organisation Free Tibet begann die Gebetsfahnen-Abrissaktion im März im Autonomen tibetischen Bezirk Golog (Guoluo) in der Provinz Qinghai. In einem online einsehbaren Bericht der Einheitsfrontabteilung von Golog vom 11. April 2020 heißt es, dass sich seit März alle 66 Tempel des Bezirks an der Aktion „grüne Tempel“ beteiligt hätten. Die Aktion wendete sich u.a. gegen das „chaotische Aufhängen von Gebetsfahnen“; über 5.900 Mönche und Nonnen beseitigten in der Umgebung von Klöstern tonnenweise Müll sowie „34 Tonnen kaputte alte Gebetsfahnen“. Zu der Aktion „grüne Klöster“ gehörte auch die „Reduzierung der [finanziellen] religiösen Lasten“ der Bevölkerung als Beitrag zur Armutsbekämpfung; laut Bericht kooperierten zu diesem Zweck die Klöster mit den Behörden, indem sie „31 Dharma-Versammlungen im Umfang reduzierten, 8 Dharma-Versammlungen absagten, 4 chaotisch [d.h. ohne behördliche Genehmigung] gebaute religiöse Stätten abrissen und den Kadern auf allen Ebenen halfen, 117 Versammlungen über Politik und Rechtsnormen abzuhalten“ (Einheitsfront Golog nach fjnet.com 11.04.; freetibet.org 26.06.; rfa.org 17.06.; 17.11.).
1.–2. Dezember 2020:
10. Nationalversammlung der Vertreter des Buddhismus in China tagt in Ningbo
An der turnusmäßigen Sitzung des höchsten Gremiums des offiziellen Buddhismus nahmen 570 buddhistische Delegierte und 81 besonders Geladene aus ganz China teil. Meister Yanjue stellte im Namen des 9. Vorstands der Chinesischen buddhistischen Vereinigung (CBV) den Bericht über die Arbeit der letzten 5 Jahre vor. Der 1955 geborene Yanjue, einer der Vizevorsitzenden in der vergangenen Amtszeit des Vorstands der CBV, hatte diese kommissarisch geleitet, seit der damalige Vorsitzende, Abt Xuecheng, im August 2018 wegen Vorwürfen der sexuellen Nötigung von Nonnen aller Ämter enthoben worden war (vgl. China heute 2018, Nr. 3, Chronik, Buddhismus, 15., 23., 24. August 2018, Themen S. 183-184). Die 10. Nationalversammlung wählte Yanjue nun zum Vorsitzenden der CBV. Gewählt wurden ferner 33 Vizevorsitzende und ein Generalsekretär, Liu Wei. Die Satzung der CBV wurde revidiert und eine Resolution verabschiedet. Yanjue forderte in seiner Abschlussrede u.a. die Stärkung der „Selbstreinigungskräfte“ der buddhistischen Kreise und die Entwicklung eines „humanistischen buddhistischen Denkens“ (renjian fojiao sixiang 人间佛教思想) (https://mp.weixin.qq.com/s/2L0_4sEOZpPMgDfXKO_G4g).
27. Dezember 2020:
Im „Tibet Policy and Support Act“ drohen die USA mit Sanktionen im Fall einer Einmischung des chinesischen Staates in die Nachfolge des Dalai Lama – China weist dies zurück
Am 27. Dezember unterzeichnete der damalige US-Präsident Donald Trump den Tibet Policy and Support Act. Das Gesetz fordert, dass die Nachfolge der tibetisch-buddhistischen Führer, einschließlich des Dalai Lama, allein den tibetischen Buddhisten überlassen werden solle. Chinesische Beamte, die sich in den Prozess der Auswahl tibetisch-buddhistischer Führer einmischen, sollen mit Sanktionen belegt werden, einschließlich der Verweigerung der Einreise in die USA. Schon die Verabschiedung des Gesetzentwurfs durch das US-Repräsentantenhaus am 28. Januar 2020 hatte Chinas Außenamtssprecherin Huang Chunyin als schwere Verletzung der Grundsätze internationaler Beziehungen und Einmischung in innere Angelegenheiten Chinas zurückgewiesen. In einem langen Interview mit der staatlichen Nachrichtenagentur China News Service, das am 14. Januar d.J. veröffentlicht wurde, wies Zhu Weiqun, früherer Vizeminister der Einheitsfrontabteilung der KP Chinas, ebenfalls das Gesetz zurück und erläuterte noch einmal den offiziellen chinesischen Standpunkt zur Reinkarnation des Dalai Lama. Tibet und die Nachfolge des Dalai Lama seien eine innere Angelegenheit Chinas. Noch nie sei die Reinkarnation eines Dalai Lamas vom vorherigen persönlich entschieden worden; sie müsse ein bestimmtes Verfahren durchlaufen, dessen Kern die Anerkennung der obersten Autorität der chinesischen Zentralregierung in Angelegenheiten der Reinkarnation lebender Buddhas sei. Wenn die USA und der Dalai Lama nun behaupteten, dass nur der Dalai Lama selbst das Recht habe, seinen Nachfolger zu bestimmen, und der nächste „sogenannte Dalai“ auf solche Weise erzeugt würde, könne dies nur ein „falscher Dalai“ sein (AsiaNews 22.12.2020; chinanews.com 14.01.2021; fmprc.gov.cn 29.01.2020).
2007 hat die chinesische Regierung „Verwaltungsmaßnahmen für die Reinkarnation Lebender Buddhas“ erlassen. Der heute 85-jährige 14. Dalai Lama Tenzin Gyatso hat 2011 in einer ausführlichen Erklärung zur Frage seiner Reinkarnation festgelegt, dass er im Alter von etwa 90 Jahren mit anderen hohen Lamas entscheiden werde, ob die Reinkarnation des Dalai Lama weitergehen solle, und falls ja, klare Anweisungen dafür hinterlassen werde. Kein von anderen, etwa den Machthabern der VR China, ausgewählter Kandidat solle anerkannt werden (Texte der Dokumente in China heute 2007, Nr. 6, Dokumentation, und 2012, Nr. 1, Dokumentation).
19. November 2020:
Online-Seminar des Uyghur Human Rights Project: Hunderte von Imamen in Internierungslagern
Abduweli Ayup, ein in Norwegen ansässiger Mitarbeiter des International Cities of Refuge Network, sagte in dem Seminar, ab Mai 2018 habe man begonnen, auf der Grundlage von Interviews mit Uiguren aus Xinjiang eine Liste von Imamen zu erstellen, die in den seit 2017 in Xinjiang eingerichteten extralegalen Lagern inhaftiert worden seien. Beim letzten Update im Juni 2020 habe diese Liste 613 inhaftierte Imame enthalten. Er berichtete auch, dass Uiguren in Xinjiang nun Angst hätten zu sterben, weil niemand da sei, um das Begräbnis für sie zu halten. Rachel Harris, Ethnomusikologin an der School of Oriental and African Studies (SOAS) der University of London, wies in dem Seminar darauf hin, dass auch weibliche religiöse Führer betroffen seien. Sie seien in der uigurischen Gesellschaft extrem wichtig, da sie in den Familien mit den Frauen arbeiteten, die Beerdigungen von Frauen leiteten, Kindern das Rezitieren des Koran beibrächten etc. Sie rief dazu auf, weibliche religiöse Führer in die Untersuchungen zu den Masseninhaftierungen und anderen Rechtsverletzungen in Xinjiang einzubeziehen. Das Online-Seminar „Where are the Imams?“ des in Washington ansässigen Uyghur Human Rights Project ist online als Video abrufbar (https://uhrp.org/press-release/video-where-are-imams-evidence-mass-detention-uyghur-religious-figures.html; Radio Free Asia 20.11.).
1. Dezember 2020:
Neue staatliche Bestimmungen für den Hadsch chinesischer Muslime treten in Kraft
Die „Maßnahmen für die Verwaltung islamischer Hadsch-Angelegenheiten“ (伊斯兰教朝觐管理办法, im Folgenden kurz „Maßnahmen“) wurden am 27. August 2020 vom Nationalen Büro für religiöse Angelegenheiten (NBRA) und sieben weiteren Behörden promulgiert und am 12. Oktober veröffentlicht. Sie traten am 1. Dezember in Kraft. Es handelt sich um die bisher umfassendsten Bestimmungen für die Wallfahrt von Muslimen aus der Volksrepublik China zu den heiligen Stätten des Islam in Saudi-Arabien. Seit 1985 sind Pilgerfahrten nach Mekka für Selbstzahler wieder erlaubt, seit Inkrafttreten der ersten Fassung der „Vorschriften für religiöse Angelegenheiten“ im Jahr 2005 ist nur noch der von der Chinesischen islamischen Vereinigung (CIV) organisierte Hadsch legal. Seit Sommer 2006 stellt Saudi-Arabien nur noch Gruppen-Pilgervisa für solche von der CIV zentral organisierten Wallfahrten aus. Die neuen „Maßnahmen“ von 2020 legen noch einmal fest, dass keine andere Organisation als die CIV den Hadsch chinesischer Bürger organisieren darf (§ 2) und dass das NBRA für die „Verwaltung der Hadsch-Angelegenheiten“ zuständig ist (§ 3). Das NBRA legt eine jährliche Pilgerquote fest, die auf die unteren Ebenen verteilt wird. Pilgerwillige muslimische Bürger, die patriotisch, gesetzestreu, gesund sind und über hinreichend finanzielle Mittel verfügen, können sich für die Teilnahme am Hadsch bewerben. Die CIV übernimmt die konkrete Reiseorganisation. Vor der Ausreise müssen die Pilger an Schulungen zu politischen, religiösen und anderen Themen teilnehmen. Während der Reise außerhalb Chinas (Kapitel 5) haben die Organisatoren u.a. die Aufgabe, „Infiltration durch religiöses extremistisches Denken“ zu verhindern (§ 35.2). „Wer eigenmächtig den Hadsch von Bürgern organisiert oder die Voraussetzungen für illegale Hadsch-Aktivitäten schafft“, muss mit Strafen rechnen (§ 40) (Text der neuen Maßnahmen unter www.sara.gov.cn/ywdt/344208.jhtml; aa.com.tr 16.10.; scmp.com 15.10.; globaltimes.cn 12.10.).
2018 und 2019 nahmen nach Angaben der Global Times jeweils über 11.000 Muslime aus der VR China am zentral organisierten Hadsch teil. Saudi-Arabien sagte wegen der Corona-Pandemie den Hadsch für das Jahr 2020 für ausländische Pilger ab. Für Hintergründe zu den neuen Bestimmungen siehe den Beitrag in den Informationen.
8.–10. Dezember 2020:
Chinesische islamische Vereinigung (CIV) hält Sitzung zur Hadsch-Arbeit ab
Am 1. Dezember waren neue staatliche „Maßnahmen für die Verwaltung muslimischer Hadsch-Angelegenheiten“ in Kraft getreten (vorgestellt in China heute 2020, Nr. 4, Informationen). Islamische Vertreter aus verschiedenen Teilen Chinas studierten die neuen Bestimmungen und passten das System für die Hadsch-Arbeit an, heißt es in dem Bericht auf der Website der CIV. Sie berieten außerdem über Strafmaßnahmen gegen islamische Geistliche, die illegale Hadsch-Pilgerfahrten organisieren oder daran teilnehmen. Nach den staatlichen Bestimmungen ist nur der von der CIV zentral organisierte Hadsch legal. Man tauschte sich außerdem darüber aus, wie die Hadsch-Organisation unter dauerhafter Corona-Prävention verbessert werden könnte. Im Jahr 2020 ließ Saudi-Arabien wegen der Pandemie keine Ausländer zum Hadsch einreisen (chinaislam.net.cn 17.12.2020).
12. Dezember 2020:
Weiter Druck auf chinesische Juden in Kaifeng
Nachdem im April 2016 Repressalien gegen die jüdische Gemeinde in der Stadt Kaifeng (Provinz Henan) bekannt geworden waren, berichtet The Telegraph am 12. Dezember 2020 von weiterem Druck auf die kleine Gemeinde. Er sieht dies u.a. im Zusammenhang mit Präsident Xi Jinpings anhaltenden Kampagnen gegen ausländischen Einfluss und offiziell nicht anerkannte Religionen, zu denen das Judentum gehört. Etwa 1.000 Personen in Kaifeng beanspruchen heute, jüdische Vorfahren zu haben, davon sollen etwa 100 praktizierende Juden sein. Die jüdische Gemeinde von Kaifeng entstand in der frühen Song-Zeit (960−1126) und ging später durch Assimilation in ihrem chinesischen Umfeld auf; vom chinesischen Staat werden die Kaifenger Juden nicht als Religion oder ethnische Minderheit anerkannt. „Das ist die Regierungspolitik“, so ein Nachfahre der Juden im Gespräch mit The Telegraph, „ihr Ziel ist es zu garantieren, dass es in der kommenden Generation keine jüdische Identität mehr gibt“. Der Staat möchte offensichtlich nicht, dass die jüdische Gemeinde in Kaifeng Beziehungen mit Juden im Ausland aufnimmt. Zahlenmäßig seien sie unbedeutend, könnten aber sehr viel Aufmerksamkeit unter der internationalen jüdischen Gemeinschaft auf sich ziehen, meint Noam Urbach von der Bar-Ilan University in Israel, der über Juden in Kaifeng geforscht hat. 2016 wurde in Kaifeng u.a. das jüdische Zentrum geschlossen, Schilder zur Erinnerung an die historische jüdische Gemeinde waren entfernt worden, jüdische Reisegruppen wurden nicht mehr in die Stadt gelassen und die Gemeindemitglieder von Sicherheitskräften überwacht. Die Juden praktizieren heute im Verborgenen, Treffen am Sabbat finden heimlich statt. Sie trauten sich auch nicht mehr, sich zu gemeinsamen Restaurantbesuchen zu treffen, so ein Gemeindemitglied. Da religiöse Materialien nicht käuflich zu erwerben sind, kaufen sie christliche Bibeln und lesen darin das Alte Testament. Die Unterdrückung sei allerdings keine Form von Anti-Semitismus, so Anson Laytner, Präsident des Sino-Judaic Institute (The Telegraph 12.12.2020; s. auch China heute 2016, Nr. 2; Chronik, 28. April 2016 sowie den Beitrag von Anson Laytner über den „Status der Kaifeng-Juden im Wandel“ in China heute 2015, Nr. 2, Themen).
12. Oktober 2020:
Online-Seminar „One Health – One World“ von Missionsakademie Hamburg, Asienhaus Köln und China InfoStelle
Missionsakademie Hamburg, Asienhaus Köln und China InfoStelle luden gemeinsam zur Online-Veranstaltung „One Health – One World“ ein, bei der Personen aus der chinesischen Zivilgesellschaft an einem Diskurs über die ethischen Implikationen der Corona-Pandemie zu Wort kamen. Das Impulsreferat hielt Dr. Dietrich Werner, theologischer Berater bei Brot für die Welt. Er betonte die Verschlechterung der globalen Menschenrechtssituation sowie der Umweltsituation und die dringende Notwendigkeit zur aktiven Kooperation. Prof. He Guanghu, Renmin-Universität Beijing, Philosoph, Religionswissenschaftler und Christ, argumentierte für agape – allumfassende Liebe als Verkörperung des göttlichen Gesetzes innerhalb der menschlichen Natur und die gesamte Schöpfung transzendierend als Schlüssel zur Lösung des Dilemmas zwischen der Wahrung von Freiheitsrechten und dem Schutz des Lebens angesichts der Pandemie. Als dritter Redner sprach der Umweltaktivist Wen Bo, der sich besonders mit Studien zur Verschmutzung der Meere einen Namen gemacht hat, über die Problematik von Wildtiermärkten, Anreizen durch die chinesische Regierung, mit der Zucht seltener Tiere Armut zu überwinden, und die negativen Folgen der Ausbeutung der Natur für die Welt. Yan Zihui, Programmdirektorin des CVJM Shanghai, berichtete über Initiativen, das Umweltbewusstsein und die Offenheit für interreligiöse Gemeinschaftsprojekte bei jungen Menschen zu fördern, z.B. in Camps in der Inneren Mongolei, wo Bäume gegen die fortschreitende Versteppung gepflanzt werden. Die jungen Leute werden bewusst von buddhistischen, muslimischen und christlichen Organisationen zur gemeinsamen Teilnahme angeworben. In der anschließenden Diskussion waren sich alle einig, dass die Gesundheit von Menschen, Tieren und Natur nicht voneinander getrennt gedacht werden kann, sondern eine Einheit bildet.
Eine Fortsetzung des Dialogs ist mit einer Folgeveranstaltung am 26. März 2021 geplant. Alle Redebeiträge des ersten Dialogs sind auf der Internetseite der Missionsakademie nachzulesen: www.missionsakademie.de. Eine ausführlichere Version des Beitrags von He Guanghu findet sich in den Themen dieses Heftes.
Isabel Friemann, China InfoStelle
13. Oktober 2020:
Gerichtsverfahren gegen Pastor Zhao Huaiguo
Pastor Zhao Huaiguo, Gründer der Bethel Church in Cili, einem Ort in der Nähe von Zhangjiajie, Provinz Hunan, wurde am 15. März 2020 in Polizeigewahrsam genommen und am 2. April offiziell verhaftet. Unter Anklage der „Anstiftung zum Aufruhr gegen den Staat“ fand am 13. Oktober ein erster Prozesstermin statt. Zhao wird vorgeworfen, Informationen über die Ausbreitung von COVID-19 innerhalb und außerhalb von China verbreitet zu haben, dabei eine Software zur Umgehung der nationalen Internetkontrolle verwendet und sie anderen ebenfalls zur Nutzung empfohlen zu haben. Diese Taten stellen aus Sicht der Regierung eine ernsthafte Bedrohung der nationalen Sicherheit dar. Pastor Zhao soll sich im Sinne der Anklage als schuldig bekannt haben. Ihm drohen 18 Monate Gefängnis.
Seit Gründung der Bethel Church im Jahr 2007 wurde die Gemeinde mehrfach aufgefordert, sich in die offiziellen protestantischen Dachorganisationen einzugliedern, was sie verweigerte. Im März 2019 fand eine großangelegte Razzia der Kirche statt, bei der Mobiliar und sakrale Gegenstände zerstört sowie Bibeln und andere Druckerzeugnisse konfisziert wurden (asianews.it 9.11.; chinaaid.org 5.11.).
Isabel Friemann, China InfoStelle
26. November 2020:
Erstmals Doktorprüfungen am Nationalen Theologischen Seminar in Nanjing
Am 26. November bestanden Frau Wang Jiawei und Herr Luo Chengzan ihre Disputationen am Nationalen Theologischen Seminar in Nanjing. Damit sind sie die ersten Personen, denen ein Doktortitel im Rahmen des innerkirchlichen Prüfungssystems von Christenrat und Drei-Selbst-Bewegung verliehen wird. Ihr Promotionskurs begann 2016. Von staatlichen Universitäten wird der Abschluss nicht anerkannt. Frau Wangs Arbeit über die Christologie bei Kathryn Tanner wurde vom Leiter der Baptist University Hong Kong, Prof. Joshua Cho, mitbetreut; die Arbeit von Herrn Luo über Athanasius von Alexandria war u.a. von Prof. Miikka Ruokanen begleitet. Die externen Fachbetreuer haben den Status von Gastdozenten am Nanjinger Seminar.
Am 20. Dezember legten He Wenbo, Dong Yanhui und Chen Kuangrong ihre Prüfungen zur Erlangung des „Doctor of Ministry“ ab. Das den kirchlichen Dienst begleitende Promotionsstudium begann für alle drei im Jahr 2017. Herr He verfasste eine Studie über „Druck und Bewältigungsstrategien von Gemeindeleiterinnen und Gemeindeleitern im Jangtse-Delta“, Herr Dong beschäftigte sich mit „Altersvorsorge für Gemeindeleiterinnen und Gemeindeleiter“, Frau Chen mit „Konflikte und Kommunikation von Gemeindeleiterpaaren mittleren Alters“. Bei beiden Prüfungen ergänzten externe Fachleute wie Prof. Zhuo Xinping von der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften oder der Leiter des Theologischen Seminars in Fujian, Dr. Yue Qinghua, das Prüfungskomittee aus Professorinnen und Professoren des Nanjinger Seminars (Microblog 今日金陵生活 2.,26.12.2020; njuts.cn).
Isabel Friemann, China Infostelle
2. November 2020:
Priester, Schwestern und Seminaristen in Baoding festgenommen
AsiaNews berichtete am 6. November unter Berufung auf katholische Quellen in Hebei, dass am Morgen des 2. November zwei Priester und mehr als ein Dutzend Seminaristen und Schwestern der inoffiziellen Gemeinschaft von Baoding unter Zwang von Regierungsmitarbeitern weggebracht worden seien. Am gleichen Tag sei auch der Priester Lu Genjun, der frühere Generalvikar des Bistums Baoding, weggebracht worden. Man wisse nicht, wo sie festgehalten würden.
Die Katholiken der Diözese Baoding gehören zum großen Teil dem Untergrund an. Der Untergrundbischof von Baoding, Su Zhimin, ist seit 1997 im Polizeigewahrsam verschwunden. Sein Koadjutor An Shuxin war nach Entlassung aus langer Gefängnishaft 2009 der Patriotischen Vereinigung beigetreten und 2010 offiziell als Ortsbischof installiert worden (AsiaNews 6.11.).
23. November 2020:
Thomas Chen Tianhao wird mit Zustimmung der Regierung und des Papstes zum Bischof von Qingdao (Shandong) geweiht – Bischofswahlen in Pingliang und Wuhan
Hauptweihender war Bischof Fang Xingyao von Linyi (Shandong), der auch Vorsitzender der Chinesischen patriotischen Vereinigung ist. Mitweihende waren die Shandonger Bischöfe Yang Yongqiang von Zhoucun und Zhang Xianwang von Jinan. 21 Priester sowie 210 Schwestern und Gläubige nahmen an der Weiheliturgie teil. Dem Bericht auf der Website der offiziellen katholischen Leitungsgremien zufolge wurde Bischof Chen Tianhao im Dezember 1962 geboren. Er graduierte 1989 vom Heilig-Geist-Seminar in Shandong und wurde im gleichen Jahr zum Priester geweiht; danach arbeitete er im Bistum Qingdao in der Seelsorge. 1998 wurde er zum Vorsitzenden der Patriotischen Vereinigung (PV) von Qingdao ernannt, 2010 zum Mitglied des Ständigen Ausschusses der PV auf nationaler Ebene; am 19. November 2019 wurde er [nach dem offiziellen chinesischen Verfahren] zum Bischofskandidaten von Qingdao gewählt. Der offizielle Bericht erwähnt keine Einzelheiten der Weiheliturgie, wie Verlesung der Ernennung und Eidesformel. Bei den ersten beiden Bischofsweihen nach Abschluss des vorläufigen Abkommens – der Bischöfe Yao Shun von Jining und Xu Hongwei von Hanzhong am 26. und 28. August 2019 – wurde jeweils die Ernennung der Chinesischen Bischofskonferenz verlesen mit dem neuen Zusatz „Der Papst hat dem Kandidaten bereits zugestimmt“ (vgl. China heute 2019, Nr. 3, Chronik, Katholische Kirche, 11. Juni 2018). Vatikansprecher Matteo Bruni sagte laut einer Meldung von Vatican News vom 25. November, er könne bestätigen, dass Chen „der dritte Bischof ist, der im Rahmen des vorläufigen Abkommens zwischen dem Heiligen Stuhl und der Volksrepublik China ernannt und geweiht wurde“. Einigen Experten zufolge sei dies die erste Bischofsweihe nach den Modalitäten des vorläufigen Abkommens, schrieb hingegen AsiaNews. Es zählt die Bischöfe Yao Shun und Xu Hongwei nicht eigentlich als „Früchte“ des Abkommens, da der Papst sie schon vor Jahren ernannt hat.
Die Hongkonger Journalistin Lucia Cheung berichtete am 16. November auf ihrem Blog von zwei weiteren nach offiziellem chinesischem Verfahren durchgeführten Bischofswahlen. In der Diözese Pingliang (Gansu) sei ungefähr im Juli 2020 der Priester Li Hui und in der Diözese Wuhan (Hubei) vor dem Nationalfeiertag am 1. Oktober 2020 der Priester Cui Qingqi zum Bischofskandidaten gewählt worden. Cheung zufolge waren diese beiden Kandidaten weder vom Heiligen Stuhl gewollt noch im Voraus vom Papst ernannt worden, weshalb sie die ersten wirklichen Testfälle für das Abkommen gewesen seien. Sie vermutet, dass der Vatikan die Kandidaten schließlich akzeptiert habe, um die Verlängerung des Abkommens nicht zu gefährden. Es gibt sonst keine Medienberichte zu diesen Wahlen, nur der Blogger Shan Ren Shen Fu erwähnt sie in einem Kommentar in AsiaNews (asianews.it 26.10.; chinacatholic.cn 23.11.; vaticannews.va 25.11.; https://medium.com/@luciacheungoffice/口頭照會方式延續的中梵協議告訴我們甚麼-55b31d824ade).
30. November / 1. Dezember 2020:
Katholische Leitungsgremien gedenken des „Guangyuan-Manifests“ vor 70 Jahren, besprechen Pläne für 2021 und Internetarbeit
Am 30. November 1950 veröffentlichte der Priester Wang Liangzuo in Guangyuan (Provinz Sichuan) eine Erklärung, in der er den Bruch mit allen imperialistischen Mächten und eine sich selbst verwaltende, selbst erhaltende und selbst verbreitende Kirche forderte. Die chinesische Regierung förderte die Verbreitung des Manifests und nutzte es als Mittel, um die Trennung der chinesischen Kirche von der Weltkirche voranzutreiben. 70 Jahre später nahmen rund 120 Personen an der Gedenkveranstaltung in Guangyuan teil, die von den katholischen nationalen Leitungsgremien „Eine Vereinigung und eine Konferenz“, d.h. Patriotische Vereinigung (PV) und Bischofskonferenz, organisiert wurde – neben Kirchenvertretern auch Repräsentanten von Einheitsfrontabteilung der KP und Religionsbehörde der Provinz und andere Parteivertreter. Bischof Fang Xingyao, Vorsitzender der PV, erklärte in seiner Rede, damals sei die „beste Entwicklungsphase in der Geschichte der katholischen Kirche Chinas“ gewesen; die katholischen Kreise des Landes sollten voll Dankbarkeit Klerus und Gläubige dazu führen, weiter in den Spuren der patriotischen Vorgänger den Geist der 5. Plenartagung des 19. Zentralkomitees der KP zu studieren und „unerschütterlich am Prinzip der Unabhängigkeit, Autonomie und Selbstverwaltung“ festzuhalten. In Xiaosishan, Guangyuan, legten die Teilnehmer der Gedenkveranstaltung Blumen für Wang Liangzuo nieder und besuchten dort die „nationale Bildungsbasis für religiösen Patriotismus“ und die „Ausstellungshalle für katholische patriotische Taten“. Das Prinzip der Unabhängigkeit zog sich – den offiziellen Berichten zufolge – auch durch die Sitzungen des folgenden Tags. In der 5. Sitzung des 9. Ständigen Ausschusses von „Eine Vereinigung und eine Konferenz“ am Vormittag des 1. Dezember wurden die Arbeit der Leitungsgremien 2020 und die Pläne für 2021 vorgestellt; Ma Yinglin erwähnte in dem Arbeitsbericht u.a., dass man die Wahl und Weihe und die „Transformation“ [vom Untergrund in die offizielle Kirche] von Bischöfen vorangetrieben habe. Der Sitzungsbericht auf der Website der offiziellen katholischen Leitungsgremien besteht überwiegend aus partei- und religionspolitischen Schlagwörtern und Parolen. Am Nachmittag fand eine „Sitzung zur Informationsnetzwerksarbeit der chinesischen katholischen Kirche“ statt. Ein Arbeitsbericht mit dem Titel „Die Informationsnetzarbeit gut im Griff haben, das Narrativ der chinesischen katholischen Kirche gut erzählen“ wurde vorgestellt (chinacatholic.cn 1.12. [3 Berichte]).
22. Dezember 2020:
Peter Liu Genzhu wird mit Zustimmung der Regierung und des Papstes zum Bischof von Hongdong (Shanxi) geweiht – vierte Bischofsweihe seit dem sino-vatikanischem Abkommen von 2018
Die Weihe des 54-jährigen wurde von (Erz-)Bischof Meng Ningyou von Taiyuan geleitet, es konzelebrierten die Bischöfe Wu Junwei von Yuncheng, Ding Lingbin von Changzhi und Ma Cunguo von Shuozhou (alle Provinz Shanxi). UCAN zufolge war in dem Ernennungsschreiben der offiziellen Chinesischen katholischen Bischofskonferenz, das während der Zeremonie verlesen wurde, die päpstliche Ernennung des Kandidaten erwähnt. Bischof Liu war am 10. Juni 2020 nach dem offiziellen chinesischen Verfahren zum Bischofskandidaten gewählt worden; seine päpstliche Ernennung wurde laut UCAN im November 2020 bestätigt. Tatsächlich war er aber schon seit vielen Jahren der Bischofskandidat Roms, wie auch AsiaNews schrieb. Einen Monat zuvor, am 23. November, war Chen Tianhao zum Bischof von Qingdao in der Provinz Shandong gewählt worden (vgl. China heute 2020, Nr. 4, S. 194-195). Eine vatikanische Quelle äußerte gegenüber UCAN, dass beide Weihen „eine authentische Frucht des Abkommens“ seien.
Bischof Liu Genzhu ist am 12. Juni 1966 geboren. Er studierte am Priesterseminar von Xi’an und wurde 1991 zum Priester geweiht. Seit 2010 war er Generalvikar der Diözese Hongdong/Linfen, die seit 2006 keinen Bischof mehr hatte. Die Diözese zählt rund 40.000 Gläubige (AsiaNews 22.12.2020; chinacatholic.cn 22.12.2020; UCAN 23.12.2020).
30. Dezember 2020:
Untergrundbischof Han Jingtao von Siping (Jilin) verstirbt
Bischof Andreas Han verstarb im Alter von 99 Jahren. Er wurde am 26. Juli 1921 im Dorf Shanwanzi im Kreis Weichang, Provinz Hebei, in eine katholische Familie geboren. Die ersten Schuljahre besuchte er eine Schule unter Leitung kanadischer Missionare aus Quebec. 1934 trat er ins Kleine Seminar in der Diözese Siping ein, 1940 ins Priesterseminar in Changchun. Am 14. Dezember 1947 wurde er zum Priester geweiht. Mit Unterstützung seines Bischofs gründete Priester Han eine Schwesternkongregation und entwickelte die Arbeit der Legio Mariens in der Diözese Siping. 1953 wurde er verhaftet und verbrachte insgesamt 27 Jahre im Gefängnis und in Arbeitslagern. Anfang der 1980er Jahre wurde er zunächst als Englischlehrer an der Changchun Normal University angestellt und kurz danach als Associate Professor an der Northeast Normal University. An der Universität unterrichtete er auch Latein und Griechisch. 1982 wurde er vom Papst zum Bischof von Siping ernannt, aber erst 1986 im Geheimen geweiht. Von Gläubigen wurde Bischof Han als „Gigant der Kultur und des Glaubens“ bezeichnet. Seit 1997 stand Bischof Han wieder unter ständiger Überwachung und auch die Schwesternkongregation war mit Konventsschließungen und geheimen Wiedereröffnungen konfrontiert.
Zu Beginn der 1980er Jahre vereinigte die Regierung alle Kirchendistrikte in der Provinz Jilin zu einer einzigen Diözese, der Diözese Jilin. Aus Sicht des Vatikans existiert die Diözese Siping weiter, sie umfasst Teile der Provinzen Jilin, Innere Mongolei und Liaoning. Die Diözese zählt heute etwa 30.000 Katholiken, darunter ca. 20.000 im Untergrund und 10.000 in der offiziellen Kirche, sowie 20 Priester und um die 100 Ordensschwestern (AsiaNews 31.12.2020: 5.01.2020; Fides 23.02.2021; http://blog.sina.com.cn/s/blog_500cf6040102yo9r.html).
4. Oktober 2020:
Weihbischof Guo Xijin von Mindong gibt seinen Rücktritt bekannt
Bischof Guo (geb. 1958) leitete vor dem vorläufigen sino-vatikanischen Abkommen über Bischofsernennungen als von der Regierung nicht anerkannter Ortsbischof die große Untergrundgemeinschaft der Diözese von über 80.000 Gläubigen und 57 Priestern, während damals nur etwa 4.000 Gläubige und 8 Priester zum offiziellen Teil der Diözese gehörten, die von dem noch illegitimen Bischof Zhan Silu geleitet wurde. Auf Bitten Roms stimmte Bischof Guo zu, sich als Weihbischof mit seinen Priestern dem nunmehr legitimierten Ortsbischof Zhan zu unterstellen. Am 18. April 2019 feierten die beiden Bischöfe und alle Priester gemeinsam die Chrisammesse. Doch nach fortgesetztem Druck der Behörden auf die Priester im Untergrund, eine Erklärung zur Unterstützung der Unabhängigkeit der Kirche zu unterzeichnen, zog Weihbischof Guo im Mai 2019 seinen Antrag auf staatliche Anerkennung zurück. Noch am 1. September 2020 wurde wieder ein Untergrundpriester der Diözese, Liu Maochun, für 17 Tage verschleppt, um ihn zu zwingen, sich der offiziellen Kirche anzuschließen, wie es bis auf etwa 20 Priester der Untergrundklerus von Mindong bis dahin bereits getan hatte. Am 4. Oktober 2020 erklärte Weihbischof Guo Xijin nun seinen Rücktritt vom Amt und seinen Rückzug in ein Leben des Gebets (siehe Dokumentation). Möglicherweise hatte er auch auf mehr klärende Unterstützung durch Rom in dieser Lage gehofft. Er macht in seinem Rücktrittsbrief aber deutlich, dass er die vom Papst getroffene Entscheidung, Bischof Zhan zum Leiter der Diözese zu machen, nicht in Frage stellt und dass alle Priester der Diözese gültig die Sakramente spenden. Mindong galt als Pilotprojekt für die Umsetzung des Abkommens über Bischofsernennungen (AsiaNews 17.,18.09.; 5.10.). Vgl. China heute 2019, Nr. 1, Chronik. Katholische Kirche, Ab 13. Dezember 2018, Chronik, Sino-vatikanische Beziehungen, 12. Dezember 2018, Dokumentation; Nr. 2, Chronik, Katholische Kirche, Ab April 2019 ; Nr. 3, Chronik, Katholische Kirche, 21.-27. Juli 2019; Nr. 4, Chronik, Katholische Kirche, 28. Oktober 2019; 2020, Nr. 1, Chronik, Katholische Kirche, Januar bis April 2020.
22. Oktober 2020:
Das vorläufige Abkommen zwischen dem Heiligen Stuhl und der VR China wird für zwei Jahre zur probeweisen Umsetzung verlängert
In einem Kommuniqué seines Presseamts vom 22. Oktober gab der Heilige Stuhl bekannt, beide Seiten hätten „vereinbart, die Phase der experimentellen Umsetzung des vorläufigen Abkommens um zwei weitere Jahre zu verlängern“. Der Heilige Stuhl betrachte „die anfängliche Anwendung des Abkommens – die von großem kirchlichen und pastoralen Wert ist – dank der guten Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen beiden Seiten in den vereinbarten Angelegenheiten als positiv und beabsichtigt, einen offenen und konstruktiven Dialog zum Wohle des Lebens der katholischen Kirche und des chinesischen Volkes zu führen“. Auf chinesischer Seite erfolgte die Bekanntgabe am gleichen Tag äußerst low key, lediglich durch den Außenamtssprecher Zhao Lijian, der auf Nachfrage bei der regulären Pressekonferenz des Außenministeriums sagte: „Am 22. Oktober beschlossen China und der Vatikan nach freundschaftlichen Konsultationen, das vorläufige Abkommen über die Ernennung von Bischöfen um zwei Jahre zu verlängern.“ Auch er kündigte eine Weiterführung der engen Kommunikation und Konsultation zwischen beiden Seiten an. Die vatikanische Zeitung L’Osservatore Romano veröffentlichte am 22. Oktober eine längere Erläuterung über das Ziel des Abkommens (siehe Dokumentation). Darin heißt es, dass das Abkommen durch den Austausch von Verbalnoten verlängert wurde, und zwar bis 22. Oktober 2020 (Bollettino Sala Stampa della Santa Sede 22.10.; fmprc.gov.cn 22.10.; osservatoreromano.va 22.10.). Für weitere Details siehe den Beitrag in den Informationen.
23. / 24. November 2020:
Papst Franziskus nennt in seinem neuen Buch erstmals die Uiguren als „verfolgtes Volk“ – chinesischer Außenamtssprecher weist dies zurück
In seinem neuen Buch Let Us Dream: The Path to A Better Future (deutscher Titel: Wage zu träumen) sagt der Papst: „I think often of persecuted peoples: the Rohingya, the poor Uyghurs, the Yazidi – what ISIS did to them was truly cruel – or Christians in Egypt and Pakistan killed by bombs that went off while they prayed in church.“ Bisher hatte sich Papst Franziskus zwar schon zur Verfolgung der Rohingya und Jesiden geäußert, nicht aber zur Situation der Uiguren und den Umerziehungslagern in Xinjiang. Den Grund dafür haben Kommentatoren vielfach in den Verhandlungen des Vatikans mit China gesehen, so Reuters am 23. November.
Zhao Lijian, Sprecher des chinesischen Außenministeriums, wies Reuters zufolge am 24. November in einer Pressekonferenz die Aussage des Papstes zurück: „Die chinesische Regierung hat stets die legalen Rechte ethnischer Minderheiten in gleicher Weise geschützt“, sagte Zhao. Menschen aller Ethnien in Xinjiang genössen vollen Schutz ihres Rechts auf Lebensunterhalt, Entwicklung und Religionsfreiheit. Die Bemerkungen des Papstes seien unbegründet.
Die englische Ausgabe des Papstbuches erschien am 1. Dezember, Journalisten erhielten Vorab-Exemplare (AsiaNews 24.11.; LICAS 25.11.; Reuters 23.,24.11.; UCAN/CNS 24.11.).
1. Oktober 2020:
Kardinal Zen darf keine Mondkuchen an Inhaftierte verteilen
Da es nach Aussagen der Gefängnisbehörden eine „politische Aktivität“ sei, durfte Kardinal Zen Ze-kiun von Hongkong in diesem Jahr nicht die traditionellen Mondkuchen zum Mittherbstfest an Gefängnisinsassen verteilen. Der Kardinal praktiziert diese Geste sei 2010, im Jahr 2013 wurde die Kampagne sogar von Papst Franziskus gesponsort. Alljährlich sammelt der Kardinal dafür Spenden. In den sozialen Medien wurde darüber diskutiert, ob das Verbot mit dem am 1. Juli in Kraft getretenen nationalen Sicherheitsgesetz ür Hongkong im Zusammenhang stehen könnte (AsiaNews 10.09.).
1. Oktober 2020:
40 Jahre Holy Spirit Study Centre in Hongkong
Am 1. Oktober 2020 jährte sich zum 40. Mal die Gründung des Holy Spirit Study Centre, das von Kardinal John Baptist Wu und der katholischen Diözese Hongkong als Brücke zwischen der damals wiedererwachten katholischen Kirche in China und der Weltkirche eingerichtet wurde. Auch sollten die Katholiken Hongkongs mehr für die Situation der Kirche auf dem chinesischen Festland sensibilisiert werden. Das Zentrum hat von Beginn an Dokumentationsmaterialien gesammelt und publiziert – so u.a. die chinesisch-englischsprachige Zeitschrift Tripod und viele Buchpublikationen – sowie die Forschung und den aktiven Dialog mit den Katholiken in Festlandchina gefördert. Bischof Wu übertrug 1980 die Leitung Priester John Tong (dem heutigen Administrator der Diözese, Bischof von Hongkong von 2009–2017, Kardinal seit 2012), der auch heute noch Direktor des Zentrums ist. Neben Laien arbeiteten in all den Jahren viele Mitglieder von Ordensgemeinschaften im Holy Spirit Study Centre mit, allen voran Maryknoller aus den USA, PIME-Patres aus Mailand, Missions Etrangères de Paris und Scheutfelder Missionare aus Belgien. Über das Zentrum wurden viele Hilfsprojekte vermittelt, Besuchsreisen zur Kirche in China organisiert und begleitet, unzählige Besucher vom Festland empfangen, Konferenzen und Fortbildungskurse für chinesische Katholiken vom Festland in Hongkong veranstaltet. Zukünftig will sich das Zentrum, so P. Sergio Ticozzi PIME, der seit vielen Jahren dort arbeitet, schwerpunktmäßig akademisch betätigen, dies in enger Zusammenarbeit mit dem Hong Kong Seminary College, um sich später zu einem eigenen Forschungsinstitut (des Colleges) über die katholische Kirche in China zu etablieren. Dabei soll auch die Zusammenarbeit mit Akademikern vom Festland intensiviert werden (AsiaNews 3.12.; Hong Kong Sunday Examiner 27.11.; Roman Malek [Hrsg.], Hongkong: Kirche und Gesellschaft im Übergang, Sankt Augustin – Nettetal 1997, S. 225-232).
3. Oktober 2020:
Theologisches Seminar und Hochschule von Hongkong feiern Jubiläen
Am 3. Oktober 2020 war der Startschuss für die einjährigen Feierlichkeiten zum 90-jährigen Bestehen des Heilig-Geist-Seminars (Holy Spirity Seminary) und zum 50-jährigen Bestehen des Holy Spirit Seminary College of Theology and Philosophy in Aberdeen. Die Jubiläen werden u.a. mit Messen, Gebetstreffen, Erfahrungsberichten auf Facebook und einem Tag der Offenen Tür begangen und enden am 2./3. Oktober 2021. Am 3. Oktober wurden sie mit einem Wortgottesdienst eröffnet, dem Kardinal John Tong, Administrator der katholischen Diözese Hongkong, Weihbischof Joseph Ha Chi-shing OFM, Rektor des Heilig-Geist-Seminars, und P. Robert Ng Chi-fun SJ, Direktor des Colleges, vorstanden. Sie pflanzten eine Delonix Regia, einen „Flammenbaum“, der die seit Generationen tiefe Verwurzelung des Glaubens in Hongkong symbolisiert und im Mai blühen wird, wenn die jährlichen Abschlussexamina stattfinden.
Die Anfänge des Heilig-Geist-Seminars datieren auf das Jahr 1924, als Erzbischof Celso Costantini, der erste Nuntius des Heiligen Stuhls für China, die erste chinesische Nationalsynode in Shanghai einberief und 14 Regionalseminare im Land einrichtete, darunter auch in Hongkong. Die Gründung des damaligen Regionalseminars für Südchina (South China Regional Seminary) in Aberdeen erfolgte 1930 und nahm ein Jahr später den Betrieb auf. Es unterstand direkt der Propaganda Fide des Heiligen Stuhls (heute Kongregation für die Evangelisierung der Völker) und wurde anfangs von irischen Jesuiten geleitet. Das Seminar spielte vor allem in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts für die Entwicklung der chinesischen katholischen Kirche eine wichtige Rolle. Aufgrund politischer Unruhen in China, so der Sunday Examiner in Hongkong, nahm das Regionalseminar damals eine große Zahl von Seminaristen aus Festlandchina auf, von denen eine Reihe später Bischöfe wurde. 1964 ging das Seminar in die Hände der Diözese Hongkong über und wurde umbenannt in Heilig-Geist-Seminar. 1970 wurde das Holy Spirit Seminary College of Theology and Philosophy errichtet unter Zusammenarbeit der Diözesen von Hongkong und Macau, der Jesuiten und der Salesianer Don Boscos, 1985 schlossen sich auch die Franziskanerminoriten an. 1973 wurden an der Hochschule auch Laien zum Studium zugelassen, die heute den Großteil der Studierenden bilden. Von 1974 bis 1976 wurden die theologische und philosophische Abteilung mit der Päpstlichen Universität Urbaniana affiliiert, so dass anerkannte Studiengrade erworben werden können. 1989 wurde zusätzlich ein religionswissenschaftliches Institut geschaffen, das Higher Institute of Religious Sciences, an dem ebenfalls päpstlich anerkannte Grade erworben werden können (AsiaNews 12.10.; Hong Kong Sunday Examiner 7.10.).
18. Oktober 2020:
Neuer Erzbischof der anglikanischen Kirche in Hongkong gewählt
In einer Sondersitzung der 8. Generalsynode der anglikanischen Kirche in Hongkong (Hong Kong Sheng Kung Hui) wurde Rev. Andrew Chan Au-ming, seit 2012 Bischof der anglikanischen Diözese West-Kowloon, zum Nachfolger des in Ruhestand gehenden Erzbischofs Paul Kwong gewählt. Andere Kandidaten waren Timothy Kwok Chi-pei, Bischof der Diözese Ost-Kowloon, und Rev. Matthias Derr, bischöflicher Berater der Diözese Hong Kong Island. Bischof Chan gilt als sanftmütiger Kirchenmann ohne demonstrative politische Positionen. Seine theologische Ausbildung absolvierte er in Großbritannien. 1991 wurde er zum Diakon geweiht, ein Jahr später zum Priester. 2004 erhielt er den Mastertitel in Theologie von der Universität London. 2005 erhielt er die Ernennung zum Dean der St. John’s Cathedral in Hongkong. Chan ist verheiratet und hat einen Sohn.
Im Juni letzten Jahres, zu Beginn der Demonstrationen gegen das Sicherheitsgesetz, unterzeichnete er gemeinsam mit dem anglikanischen Erzbischof Kwong und seinem Kollegen Kwok einen Pastoralbrief, in dem die Stadtverwaltung angeprangert wurde, in ihrer Starrköpfigkeit nicht auf die Stimme des Volkes zu hören und damit die Unruhen anzuheizen. Als es später zu gewalttätigen Übergriffen durch Protestierende kam, äußerten die drei Kirchenmänner allerdings auch ihre Missbilligung.
Es wird erwartet, dass Bischof Chan am 3. Januar 2021 in sein neues Amt eingeführt wird (South China Morning Post 18.10.).
Isabel Friemann, China InfoStelle
11. November / 2. Dezember 2020:
Hongkong: Haftstrafen für junge Oppositionelle und weitere Einschränkungen nach dem Sicherheitsgesetz
Drei der – auch international – bekanntesten jungen Demokratie-Aktivisten in Hongkong, Joshua Wong, Agnes Chow und Ivan Lam, wurden Anfang Dezember zu dreizehneinhalb, zehn bzw. sieben Monaten Haft verurteilt. Alle drei hatten sich gleich am ersten Prozesstag schuldig bekannt, bei der Organisation einer nicht genehmigten Versammlung vor dem Hongkonger Polizeipräsidium im Juni vergangenen Jahres mitgewirkt zu haben. Allerdings hätten sie sich nicht an gewalttätigen Ausschreitungen beteiligt, sondern friedlich demonstriert. Für Wong ist es bereits die dritte Gefängnisstrafe; der heute 24-Jährige hatte schon als Schüler Proteste organisiert.
Seit dem Inkrafttreten des Sicherheitsgesetzes wird immer härter gegen Oppositionelle vorgegangen. Nach Ausschluss von vier demokratischen Abgeordneten aus dem Hongkonger Legislativrat auf Anweisung von Beijing – ihnen wurde vorgeworfen, Hongkongs Sicherheit zu unterminieren und Chinas Souveränität über Hongkong nicht anzuerkennen – traten am 11. November die restlichen 15 Mitglieder des demokratischen Parteienbündnisses geschlossen zurück. So gibt es im Parlament keine Opposition mehr. Ruth Kirchner berichtet im Deutschlandfunk: „Prodemokratische Kommunalpolitiker, die noch vor einem Jahr einen erdrutschartigen Wahlsieg feierten, fürchten jetzt, dass sie als nächstes entmachtet werden. Zugleich stehen viele unabhängige Medien massiv unter Druck; an den Schulen werden Lehrbücher geändert, china-kritische Inhalte entfernt, Schulfächer umgestaltet – um ein China-freundlicheres Denken zu erzwingen.“ Wie die South China Morning Post meldete, hat die Hongkonger Polizei zudem eine Hotline freigeschaltet, über die Bewohner mögliche Gefahren für die nationale Sicherheit melden sollen (AsiaNews 11.11.; Ruth Kirchner im Deutschlandfunk 2.12.; Die Rheinpfalz 11.11.; South China Morning Post 28.10.; Süddeutsche Zeitung 2.12.)
7. Dezember 2020:
Hongkong friert kirchliche Konten ein
Am 7. Dezember fror die Hong Kong und Shanghai Bank (HKSB) auf Anordnung der Polizei die Konten der Good Neighbor North District Church ein, angeblich wegen Steuerhinterziehung und Geldwäsche. Da Gemeindemitglieder und Pastoren für ihre Unterstützung der pro-demokratischen Demonstrationen bekannt sind, werden allerdings politische Gründe hinter dieser Maßnahme vermutet. Das neue Sicherheitsgesetz erlaubt den Ordnungskräften Eingriffe dieser Art ohne die Erbringung hinlänglicher Beweise. Dutzende Wohlfahrts- und Sozialhilfeorganisationen in Hongkong haben gegen das Einfrieren der Konten der Gemeinde protestiert und sich dafür eingesetzt, dass die Good Neighbor North District Church ihre sozialen Dienste an Marginalisierten und Heimatlosen fortsetzen kann. Mindestens 100 Heimatlose, Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter sowie Kirchenmitarbeitende sind von der Maßnahme betroffen. Pastor Wu Chi Wai spricht von einer Botschaft, die sich an alle christlichen Gemeinschaften richtet, sich nicht politisch zu betätigen (AsiaNews 14.12.2020).
Isabel Friemann, China Infostelle
7./8. Oktober 2020:
Taiwanische Botschaft im Vatikan unterstützt bedürftige Menschen in Rom
Anstatt des sonst üblichen Empfangs zum Nationalfeiertag am 10. Oktober hat sich die taiwanische Botschaft dieses Jahr ganz im Zeichen der Enzyklika Fratelli tutti dem Dienst an bedürftigen Menschen in Rom gewidmet. In Zusammenarbeit mit dem Almosengeber Seiner Heiligkeit, Kardinal Konrad Krajewski, Caritas Rom und der wohltätigen buddhistischen Tzu-Chi-Stiftung wurden Obdachlose und von der Gesellschaft vernachlässigte Personen bei einem Mittagessen im taiwanischen Stil bewirtet. Zudem wurden Schlafsäcke „Made in Taiwan“ an die Obdachlosen und Caritas verteilt und die Tzu-Chi-Stiftung gab Thunfischdosen und aus Plastik recycelte Decken aus. Botschafter Matthäus S.M. Lee beteiligte sich persönlich beim Verteilen des Essens.
Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie in Italien hat die taiwanische Botschaft verschiedene vatikanische Einrichtungen, Ordensgemeinschaften und katholische Krankenhäuser mit in Taiwan produzierten Gesichtsmasken und Schutzkleidung versorgt (AsiaNews 9.10.).
14. November 2020:
Taiwan: Johannes Lee Juo-wang zum Bischof von Tainan ernannt
Papst Franziskus ernannte den bisherigen Generalvikar der Diözese Tainan, Johannes Lee Juo-Wang, zum neuen Bischof. Er wird Bischof Bosco Lin Chi-nan nachfolgen, der aus Altersgründen seinen Rücktritt einreichte. Lee Juo-Wang wurde am 2. November 1966 als neuntes Kind in einer großen Familie geboren, die ihn zur Adoption in eine katholischen Familie gab. Dort kam er mit dem Glauben in Berührung. Nach seiner Ausbildung bei den Salesianern und im Seminar von Tainan wurde er 1993 zum Priester geweiht. An der Päpstlichen Universität Urbaniana in Rom erwarb er einen Lizentiatsabschluss in dogmatischer Theologie. Seit 2019 hatte er das Amt des Generalvikars inne. Lee Juo-Wang hat sich vor allem um die Jugend- und Berufungsarbeit verdient gemacht.
Die Diözese Tainan, eine der sieben Diözesen Taiwans, zählt 7.500 Katholiken bei einer Bevölkerung von 2 Millionen (AsiaNews 16.11.).
Katharina Feith
Isabel Friemann, China InfoStelle
Katharina Wenzel-Teuber
Alle Quellenangaben in der Chronik beziehen sich, wenn nicht anders angegeben, auf das Jahr 2020.