Engagierter Buddhismus 2.0 – Was wird folgen auf die Gründergeneration buddhistischer Äbte? Zum Tod des Abtes Hsing Yun

Esther-Maria Guggenmos

Abt und Gründer des Fo Guang Shan – der Mönch Hsing Yun
Am 6. Februar dieses Jahres verstarb in Taiwan der Gründer des buddhistischen Klosters Fo Guang Shan 佛光山, Dharma-Meister Hsing Yun (Xingyun 星雲, 1927–2023). Auch wenn Hsing Yun stets betont hatte, dass er ein einfaches Begräbnis wünsche, statteten ihm zahlreiche Schüler und Würdenträger einen letzten Besuch ab, und am 13. Februar fand seine feierliche Kremation in Anwesenheit der Präsidentin Tsai Ing-wen und des Ersten Bürgermeisters von Kaohsiung statt. Im März schloss sich unter anderem eine internationale online-Konferenz an, in der insbesondere buddhistische Akademiker aus Ostasien seinen Einfluss auf ihre Arbeit darstellten. Hsing Yun propagierte eine weltweit präsente Form des Engagierten Buddhismus (renjian fojiao 人間佛教), der im Westen unter dem Namen „Humanistischer Buddhismus“ (Humanistic Buddhism) bekannt wurde. Damit verbindet sich nicht nur der Aufbau eines großen Klosters mit weit über tausend ordinierten Mönchen und vor allem Nonnen, zahlreichen internationalen Zweigniederlassungen und edukativen Einrichtungen – darunter fünf Universitäten – sowie einer zugehörigen weltweit agierenden Laienorganisation, der Buddha Light International Organisation (BLIA), sondern der Name Hsing Yun steht wie kaum ein anderer für die Entwicklung des ostasiatischen Buddhismus in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Biographisches
Ven. Hsing Yun wurde als Lee Kuo-shen 李國深 im Jahr 1927 in Yangzhou in der Provinz Jiangsu geboren. Seine Großmutter widmete sich wohl buddhistischer Praxis, seine Familie war arm. Als Hsing Yun auf der Suche nach seinem Vater von einem Mönch gefragt wurde, ob er sich ordinieren lassen wolle, bejahte er dies, wurde mit 12 Jahren als Novize im Qixia-Tempel 棲霞寺 von Nanjing ordiniert und später in der zenbuddhistischen Linji-(Rinzai-)Schule in 48. Generation geführt. Der Ordenseintritt eröffnete ihm einen neuen Bildungshorizont und blieb eine sein Leben fortan bestimmende Entscheidung. Im Jahr 1944 wechselte er nach der Novizenzeit zum Qixia Vinaya College, in welchem verschiedene buddhistische Traditionen im Studium gelehrt wurden. Hier hörte er auch zum ersten Mal von dem Begründer des engagierten Buddhismus, dem Mönch Taixu (太虛, 1890–1947). Taixu war überzeugt, dass der chinesische Buddhismus einer Reform bedürfe, um in der Gesellschaft zu überzeugen. Weniger die Konzentration auf die Sorge für die Toten als die Sorge um die Gesellschaft sei vonnöten und würde auch dem al­truistischen Geist des Mahāyāna-Buddhismus entsprechen. Bildung sei daher für die monastische Gemeinschaft zentral, ebenso wie eine Zusammenarbeit über Traditionsgrenzen hinweg. Eine Erneuerungsbewegung setzte ein, von der sich auch Hsing Yun anstecken ließ. Als er wenig später am Jiaoshan Buddhist College 焦山佛學院 studierte, wurde die persönliche Begegnung mit Taixu zu einem Erlebnis, das in der hagiographisierenden Retrospektive zu dem Moment wird, von dem ab er sich ganz der Umsetzung dieses neuen Buddhismus verschreibt. Als es ihn gegen Kriegsende nach Taiwan verschlägt, wird er nach schwierigen Jahren zunächst Abt eines Tempels im ländlichen Yilan. Weder buddhistische Lehren noch seine festländische Herkunft wirken dort vertraut, aber sein charmantes, liebenswürdiges Auftreten bescheren ihm zunehmend Anhänger. Seine Eloquenz und seine Präsenz überzeugen Menschen in seinem Umfeld, sich ganz seinen Projekten zu widmen. Er gründet eine Schule, organisiert einen buddhistischen Chor, in welchem neue Kompositionen zur Aufführung kommen, die Choristen lernen zu singen, aufzutreten, aber auch Ansprachen zu halten. Ein Radioprogramm wird gegründet, eine studentische Vereinigung und Ausbildungsprogramme für Benachteiligte organisiert, die den Schülern Zugang zu besseren Bildungswegen ermöglichen. Ein Kindergarten entsteht.
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