Chronik zu Religion und Kirche in China 4. März bis 18. Juni 2015

Die „Chronik zu Religion und Kirche in China“ erscheint seit Anfang 2010 regelmäßig in den Informationen von China heute. Da manche Nachrichten (der Redaktion) erst später bekannt werden, kann es zu Überschneidungen zwischen den Chroniken kommen, wobei jeweils in der vorangegangenen Nummer bereits erwähnte Ereignisse nicht noch einmal aufgeführt werden. Alle Chroniken finden sich auch online auf der Website des China-Zentrums (www.china-zentrum.de). 
Der Berichtszeitraum der letzten Chronik (2015, Nr. 1, S. 14-21) reichte bis einschließlich 24. Februar 2015.


4. März 2015:
Offizieller Panchen Lama setzt sich in Rede für höhere Mönchsquoten in tibetischen Klöstern ein, sieht Gefahr, dass „der Buddhismus nur noch dem Namen nach weiterbesteht“
Die Rede „Mit aller Kraft Talente ausbilden, damit der tibetische Buddhismus sich noch besser an die sozialistische Gesellschaft anpasst“ hielt der von Beijing eingesetzte Panchen Lama vor der Politischen Konsultativkonferenz des Chinesischen Volkes. Er begann mit einem Lob auf Tibets Entwicklung „unter dem Glanz der Minderheiten- und Religionspolitik der Partei“, befasste sich dann aber ausschließlich mit dem Problem, dass „die Zahl der Mönche [und Nonnen] nicht ausreicht, um die wachsenden Anforderungen und die Bedürfnisse der Gläubigen zu befriedigen“. Die Mönche, so der Panchen, hätten drei Aufgaben: 1. die Weitergabe des buddhistischen Erbes, die ein viele Jahre langes Studium des Dharma voraussetzt; 2. die Pflege der Tempel und buddhistischen Kulturgüter; 3. religiöse Dienste für die Massen, insbesondere das Durchführen von Ritualen in den teils nur durch langwierige Reisen zu erreichenden Häusern der Gläubigen. Als Gründe für die geringe Zahl der Mönche sah er insbesondere: 1. gesellschaftlichen Wandel und zunehmenden Pluralismus; 2. abnehmende Zahl der Kinder pro Familie; 3. Beschränkung der Mönchszahl durch eine Quote (bianzhi 编制) in vielen Klöstern. Beispielsweise habe das von Pilgern und Touristen frequentierte Sakya-Kloster eine Quote von 120 Mönchen und tatsächlich lebten dort 130 Mönche, diese müssten sich aber um die 108 Tempel und 300 Sutrenhallen des Klosters kümmern. Auch kleinere Klöster litten unter zu niedrigen Quoten. Wegen der großen Arbeitslast bleibe oft keine Zeit für das Studium und die Weitergabe der Lehre oder für die von den monastischen Regeln vorgeschriebenen regelmäßigen Versammlungen der Mönche. Es bestehe daher die Gefahr, dass „der Buddhismus nur noch dem Namen nach weiterbesteht“. Als Gegenmaßnahme schlug der Panchen vor, die Quoten anzupassen und flexibler zu handhaben, was auch „etwaige Missverständnisse gegenüber der Religionspolitik“ verhindern könne. Er verwies darauf, dass die Zahl der Mönche und Nonnen im Autonomen Gebiet Tibet mit 1.787 religiösen Stätten und 46.000 Mönchen und Nonnen in Proportion zu den [tibetisch besiedelte Gebiete enthaltenden] Provinzen Sichuan mit 783 Klöstern und 68.000 Mönchen und Nonnen sowie Qinghai mit 660 Klöstern und 44.000 Mönchen und Nonnen deutlich niedriger sei. 
Die Rede des Panchen wurde am gleichen Tag in offiziellen chinesischen Medien veröffentlicht. In den Medien außerhalb Festlandchinas wurde sie unterschiedlich bewertet. Während UCAN darin „das erste Anzeichen“ sah, „dass Beijings Erwählter von der Parteilinie abweichen könnte“, vermuteten andere, hier sollten nur „einige Wellen geschlagen“ werden, um den offiziellen Panchen glaubwürdiger erscheinen zu lassen (Text der Rede: www.mzb.com.cn/html/report/150330384-1.htm; englische Übersetzung: www.savetibet.org/china-attempts-to-legitimize-its-panchen-lama-through-a-major-speech-as-the-real-panchen-lamas-birthday-approaches/. Siehe auch The Economist [Blog] Erasmus 21.03.; UCAN 18.05.). 
Zu dem vom Dalai Lama anerkannten Panchen Lama siehe den Eintrag vom 17. Mai 2015.

9. und 11. März 2015:
Politiker Chinas bezeichnen Bemerkungen des Dalai Lama über seine mögliche Nicht-Reinkarnation als „Blasphemie“ und „Verrat“
Die Aussage des Dalai Lama, dass seine Linie mit seinem Tod enden könnte, sei „gegen die tibetische buddhistische Tradition, nach der die Seele eines hohen Lamas nach seinem Tod im Körper eines Kindes wiedergeboren wird“, sagte Padma Choling, Gouverneur des Autonomen Gebiets Tibet. Sie würde das jahrhundertealte Reinkarnationssystem auf den Kopf stellen und die buddhistische Region destabilisieren. Es sei nicht am Dalai Lama, über seine Reinkarnation zu entscheiden. „Was er behauptet hat, ist eine Blasphemie gegen den tibetischen Buddhismus“, sagte der Gouverneur nach einer Sitzung tibetischer Abgeordneter während der jährlichen Tagung des Nationalen Volkskongresses in Beijing. Zhu Weiqun, Vorsitzender der Kommission für ethnische und religiöse Angelegenheiten der Politischen Konsultativkonferenz, sprach am 11. März laut Xinhua vom „doppelten Verrat“ des Dalai Lama gegenüber seinem Heimatland und seinem Glauben. Die Reinkarnation des Dalai Lama müsse von der Zentralregierung approbiert werden, ohne deren Approbation sei alles illegal. Der Ministerpräsident der tibetischen Exilregierung, Lobsang Sangay, erklärte dazu, die Reinkarnation des Dalai Lama sei keine Angelegenheit der Kommunistischen Partei, das sei, wie wenn Fidel Castro den Papst wählen würde (New York Times 11.03.; South China Morning Post 11.03.; Xinhua 9.,11.03.). 
2007 hat die chinesische Regierung „Verwaltungsmaßnahmen für die Reinkarnation Lebender Buddhas“ erlassen. Der heute 80-jährige Dalai Lama hat am 24. September 2011 in einer ausführlichen Erklärung zur Frage seiner Reinkarnation festgelegt, dass er im Alter von etwa 90 Jahren mit anderen hohen Lamas entscheiden werde, ob die Reinkarnation des Dalai Lama weitergehen solle, und falls ja, klare Anweisungen dafür hinterlassen werde. Kein von anderen, etwa den Machthabern der VR China, ausgewählter Kandidat solle anerkannt werden (Texte der Dokumente in China heute 2007, Nr. 6, S. 220f. und 2012, Nr. 1, S. 15-20).

11. März 2015:
Parolin und Zen äußern sich zum Dialog zwischen China und Vatikan
Vatikan-Staatssekretär Kardinal Pietro Parolin sagte am 11. März auf Fragen von Journalisten zu einer möglichen Annäherung zwischen der VR China und dem Vatikan, es gebe „nichts Neues von Bedeutung“. „Der einzige Weg vorwärts ist, miteinander zu sprechen“, erklärte Parolin. Er glaube, dass der Dialog zwischen dem Heiligen Stuhl und China „immensen Nutzen für den Weltfrieden“ haben könne. Kardinal Joseph Zen, emeritierter Bischof von Hongkong, kritisierte dagegen in einem Interview mit dem Corriere della Sera vom gleichen Tag, der Vatikan sei allzu bereit, Kompromisse einzugehen. Beijing wolle keinen Dialog führen (nach America Magazine 11.05.; UCAN 13.03.; Vatican Insider 13.03.).

12. März 2015:
Interview mit Vatikansprecher über Beziehungen zu China und Vietnam wird unterschiedlich dargestellt und führt zu Diskussionen
Der als Beijing-nah geltende Hongkonger Fernsehsender Phoenix TV, der P. Federico Lombardi SJ in Rom interviewt hatte, brachte in einer am 12. März ausgestrahlten Sendung des Senders kurze Teile des Interviews, offenbar ergänzt durch die Moderation eines Journalisten. Lombardi wiederholte im Interview die Bereitschaft des Papstes, „morgen“ nach China zu gehen. Zudem verwies er darauf, dass sich die Beziehungen zu Vietnam verbessert hätten, seit der Papst in Rom die vietnamesische Staatsführung empfangen und der Vatikan einen (nicht-residierenden) Vertreter für Vietnam ernannt habe; auch schwierige Situationen könnten sich also zum Besseren wenden. Nach Darstellung vieler Medienberichte (UCANAsiaNewsGlobal Times etc.) schlug Lombardi zudem vor, man könne in China für die Bischofsernennungen das „Vietnam-Modell“ erwägen. Lombardi hingegen dementierte gegenüber Gerard O’Connell (America Magazine) – wie dieser am 11. Mai berichtete –, dass er in dem Interview über das Vietnam-Modell oder überhaupt über Bischofsweihen gesprochen habe. Am 12. März brachte Phoenix TV in Zusammenhang mit dem Lombardi-Interview eine halbstündige Talkshow mit vier chinesischen Kolumnisten über das „Vietnam-Modell“. Wie Lucia Cheung (UCAN) und O’Connell allerdings bemerkten, wurde das Modell dabei so dargestellt, dass der vietnamesische Staat Bischofskandidaten vorschlage, aus denen der Vatikan auswähle, während beiden zufolge de facto der Vatikan die Vorschläge macht. Beijing dränge den Vatikan, „der historischen Tradition und der Realität der chinesischen Katholiken ins Auge zu sehen“, schrieb die staatliche chinesische Global Times am 13. März bezugnehmend auf Lombardis [angeblichen?] Vietnam-Modell-Vorschlag, Die Zeitung zitierte den Sprecher des chinesischen Außenministers Hong Lei mit den Worten, China sei zu einem konstruktiven Dialog mit dem Vatikan bereit (America Magazine 11.05.; AsiaNews 17.03.; china.ucanews.com 14.03.; Global Times 13.03., UCAN 13.,20.03., Vatican Insider 13.03.).

12. März 2015:
Direktor des Staatlichen Religionsbüros bestätigt Gespräche mit dem Vatikan, „beide Seiten brauchen Geduld“
Es gebe ständig einen normalen Kommunikationskanal zwischen China und dem Vatikan, sagte Wang Zuo’an, Direktor der Staatlichen Büros für religiöse Angelegenheiten, in einem am 11. März geführten und am 12. März publizierten Interview mit der Beijing-nahen Hongkonger Zeitung Wen Wei Po. Zu den in der Kommunikation behandelten Fragen gehöre das Recht auf die Ernennung der Bischöfe. Da das Problem eine lange Geschichte habe und die zu besprechenden Fragen kompliziert seien, müssten beide Seiten Geduld und Ruhe bewahren. „Mit Bemühungen von beiden Seiten werden wir meiner Meinung nach immer eine Lösung finden. Wir hoffen auch, dass der Vatikan nicht nur mit Worten [den Wunsch nach] Verbesserung der sino-vatikanischen Beziehungen zum Ausdruck bringt, entscheidend ist, dass konkrete Taten vorgelegt werden, dass in substantiellen Fragen Ehrlichkeit aufgebracht wird, um die beidseitigen Probleme zu lösen.“ 
Im gleichen Interview kündigte Wang auch eine umfangreiche Revision der seit zehn Jahren geltenden „Vorschriften für religiöse Angelegenheiten“ an (Wen Wei Po 12.03.).

14. März 2015:
Ökumenischer Kreuzweg in Hongkong
Über 100 Menschen verschiedener christlicher Konfessionen beteiligten sich an einem Kreuzweg, der von der Gruppe „Family of Love and Solidarity“ organisiert wurde. Zusammen mit Br. Ghislain der Taizé-Gemeinschaft nahmen einige protestantische Pastoren und katholische Priester ebenfalls teil. Bei diesem Gottesdienst wurde ein Kreuz von der katholischen Kirche St. Theresa bis zur anglikanischen All Saints’ Ca­thedral getragen. Die Prozession ging, laut Sunday Examiner,  durch die Straßen von Mongkok und entlang der Prince Edward Straße von Kowloon. Die Veranstaltung war geprägt von Taizé-Hymnen und dem Gebet für Hongkong, die Armen, die verfolgten Christen und die Einheit der Christen, was auch auf Bannern geschrieben stand, die die Teilnehmer mit sich trugen (Fides 24.03.; Hong Kong Sunday Examiner 28.03.)

22. März 2015:
Verhaftung zweier Untergrundpriester in Harbin
In Harbin in der Provinz Heilongjiang wurden zwei Untergrundpriester während eines Gottesdienstes in einem Gebetshaus verhaftet. Die Priester Quan Xiaoyun und Cao Jianyou der Pfarrei Mudanjiang wurden beschuldigt, „illegale religiöse Aktivitäten an einer nicht registrierten Gebetsstätte abgehalten“ zu haben, so eine kirchliche Quelle laut UCAN. Zhao Hongchun, Apostolischer Administrator von Harbin, wusste nichts über den Verbleib der beiden Priester. Die Gemeinde war in letzter Zeit immer wieder unter Druck geraten. „Wir haben nicht erwartet, dass solche Dinge jetzt zu einer Zeit geschehen, in der die Medien heiß sind bezüglich der Beziehungen China-Vatikan … wir beten, dass es China und dem Vatikan gelingt, hervorragende und gesunde diplomatische Beziehungen aufzubauen“, so Priester Zhao. „Ich verstehe die Absichten der Regierung nicht“ (UCAN 23.03).

24. März 2015:
Erstmals wird in Zusammenhang mit den Kreuzabrissen in Zhejiang eine Gefängnisstrafe verhängt
Das Gericht des Kreises Pingyang (Wen­zhou) verurteilte den protestantischen Pastor Huang Yizi wegen „Störung der öffentlichen Ordnung durch Versammlung einer Menschenmenge“ zu einem Jahr Haft. Er hatte im Juli 2014 zusammen mit einer Gruppe von Gläubigen vergeblich versucht, den Abriss des Kreuzes der Salvation Church in Shuitou, die zur offiziellen Kirche gehört, zu verhindern (UCAN 25.03.). Damals waren laut Berichten 500–600 Polizisten und Demontagearbeiter mit 300 Gläubigen zusammengestoßen und 50–100 Gläubige verletzt worden (vgl. China heute 2014, Nr. 3, S. 143f.).

1.–6. April 2015:
Vorsitzende Bischöfin der Evangelical Lutheran Church in America auf China-Besuch
Es war die erste Besuchsreise von Rev. Elizabeth A. Eaton, der Vorsitzenden Bischöfin der Evangelical Lutheran Church in America (ELCA), in China. Bei einem Treffen in Shanghai mit Rev. Gao Feng, dem Vorsitzenden des Chinesischen Christenrates, betonte sie, dass „die meisten amerikanischen Christen und Lutheraner erstaunt sein würden über die große christliche Präsenz in China“. Eaton traf zudem Fu Xianwei, den Vorsitzenden der Drei-Selbst-Bewegung, und besuchte zusammen mit ihrer Delegation kirchliche Projekte und Gemeinden in der Provinz Yunnan, die zur Minorität der Lisu gehören. 
Die ELCA zählt nach eigenen Angaben mit über 3,8 Mio. Mitgliedern in nahezu 10.000 Gemeinschaften zu den größten christlichen Denominationen in den USA (www.elca.org/News-and-Events/7737).

4. April 2015:
Hongkonger Muslime starten „Friedensbrief“ an alle Mitbürger 
Das Dokument mit der Überschrift „Muslime in Hongkong sind gegen jede Art von Extremismus und Terrorismus“ wurde auf change.org eingestellt, einer Website für Online-Petitionen. Die mit „Muslime Hongkongs“ unterzeichnete Petition wurde bis 12. Mai 2015 von 528 Unterstützern unterschrieben. Die Autoren fühlen sich – so der Text – durch Medienberichte gedrängt, einen „Brief des Friedens“ an alle zu schreiben. Sie zitieren Verse aus dem Koran und islamischen Lehrschriften, um den Respekt des Islam für Menschenleben und würde, Toleranz u.a. zu belegen. „Die Muslime in Hongkong haben die letzten 175 Jahre Seite an Seite friedlich mit den Nichtmuslimen zusammengelebt, und wir wünschen uns nichts anderes, als diese friedliche Koexistenz fortzuführen. Wir bitten alle, die Religion nicht nach den Taten einiger weniger zu beurteilen [...] Wir Muslime in Hongkong wollen wie alle Bürger Hongkongs nur weiter in Frieden leben, und wir hoffen, dass alle verstehen, dass wir gemeinsam gegen jede Form von Gewalt ankämpfen.“ 
Laut South China Morning Post, die am 4. April über die Petition berichtete, ergriffen islamische Führer diese Initiative, nachdem Medien berichtet hatten, dass der IS unter indonesischen Wanderarbeitern in Hongkong Mitglieder rekrutiere (Petition unter www.change.org/p/muslims-in-hk-against-any-form-of-extremism-or-terrorism).

15. April 2015:
Neues Tibet-Weißbuch der chinesischen Regierung rechnet mit dem Dalai Lama ab
Das vom Informationsbüro des Staatsrats am 15. April publizierte Dokument trägt den Titel „Tibets historische Wahl seines Entwicklungsweges“. Bisherige Tibet-Weißbücher der chinesischen Regierung – so auch das zuletzt veröffentlichte vom Oktober 2013 – schilderten meist die „feudale Sklavenhaltergesellschaft“ des alten Tibet vor 1959 und kontrastierten sie mit den Errungenschaften des neuen. Das Weißbuch von 2015 tut dies ebenfalls in seinen ersten beiden Kapiteln. Die folgenden drei Kapitel enthalten jedoch eine ausführliche Abrechnung mit dem 14. Dalai Lama und seiner „Clique“ und sind ein in dieser Form bisher nicht dagewesenes Element im Weißbuch. Die Überschriften der entsprechenden Kapitel lauten: III. Der Kern des „Mittleren Weges“ bedeutet die Spaltung Chinas; IV. „Friedlich“ und „gewaltfrei“ sind nur Schein [u.a. mit dem Vorwurf der Anstiftung zu Selbstverbrennungen]; V. Die Politik der Zentralregierung gegenüber dem 14. Dalai Lama. „Erst wenn der Dalai Lama öffentlich verkündet, dass Tibet von alters her ein untrennbarer Teil Chinas ist, seinen Standpunkt der ,Unabhängigkeit Tibets‘ aufgibt und mit seinen Machenschaften zur Spaltung des Vaterlandes aufhört, wird er in der Lage sein, seine Beziehungen zur Zentralregierung zu verbessern,“ heißt es dort. Der Dalai Lama wird aufgerufen, noch zu Lebzeiten seine Illusionen aufzugeben und die Realitäten richtig zu erkennen. Zum Thema Religion heißt es im Weißbuch: „Das Recht der Religionsfreiheit wird gewährleistet. Im Autonomen Gebiet existieren nebeneinander der tibetische Buddhismus, die Bon-Religion, der Islam und der Katholizismus. ... In den insgesamt 1.787 religiösen Stätten meditieren mehr als 46.000 Mönche und Nonnen sowie 358 lebende Buddhas. Es gibt in Tibet vier Moscheen und mehr als 3.000 Gläubige des Islam sowie eine katholische Kirche und mehr als 700 Katholiken.“ Das Dokument betont, dass religiöse Rituale in den Klöstern wie den Häusern der Gläubigen „ungestört“ stattfinden und dass „die Reinkarnation der lebenden Buddhas“ als „eine spezielle Tradition des tibetischen Buddhismus vom Staat anerkannt und respektiert“ wird. Seit der demokratischen Reform seien mehr als 60 neue lebende Buddhas bestätigt und genehmigt worden (deutsche Fassung des Weißbuchs unter german.china.org.cn/pressconference/2015-04/15/content_35329185.htm). 

19. April 2015:
Gedenkfeier: 150 Jahre seit Ankunft des Scheutfelder Missionars Theophiel Verbist in China
Die Scheutfelder Missionare (CICM) gedachten in Brüssel der Ankunft ihres Gründers P. Theophiel Verbists in China im Jahr 1865. Tim Atkin CICM, der jetzige Generalsuperior, predigte in der Messe über die Mission P. Verbists, seiner Mitbrüder und der Laienhelfer. Der Messe stand der chinesische Priester Joseph Li Shoushan vor, der aus dem Tiger-Tal in Nordostchina kommt, wo P. Verbist bis 1868 gewirkt hatte und wo er auch starb. An der Messe nahmen 30 chinesische Priester und Ordensschwestern teil, die teilweise als Pilger direkt aus China aus den früheren Wirkungsgebieten der Scheutfelder Missionare in der Inneren Mongolei und Nordchina gekommen waren. P. Verbist und insgesamt 679 CICM-Mitbrüder waren in dieser Region Chinas als Missionare tätig und 250 Scheutfelder Missionare sind auch in China beerdigt. Die Scheutfelder und die Pilger betonten bei dem Treffen ihr gemeinsames Missionsverständnis heute, nämlich den Austausch zwischen den Lokalkirchen. Die Pilgerreise stand denn auch unter dem Motto: Begegnung und Austausch mit europäischen Christen. So wurde ein Austausch mit der Gruppe „Friends of the Church in China“ organisiert und die Scheutfelder gaben den Gästen aus China Messkelche von verstorbenen Mitbrüdern mit. Sie sagten, dass nun sie, die Ordensleute und Priester vor Ort, die Mission der Scheutfelder Missionare in China weiterführen würden (Pressemitteilung der CICM 19.04.).

20. April 2015:
Bischof Wang Ruowang von Starkstromschlag stark verbrannt
Dem 53-jährigen Bischof Wang Ruowang der Diözese Tianshui in der Provinz Gansu wurden die maroden Starkstromleitungen auf einem Dach beim Wäscheaufhängen zum Verhängnis. Bischof Wang von der Untergrundkirche ist seit seiner Ernennung auf die Pfarrei Taijing beschränkt. Wenn er sich in der Pfarrei aufhält, lebt er in verschiedenen Familien mit, jedoch immer nur für einige Tage, um niemandem zu sehr zur Last zu fallen. Beim Aufhängen seiner Messgewänder kamen die noch nassen Kleidungsstücke in zu große Nähe der Starkstromkabel, die auf dem Dach des Hauses verlaufen, in dem er sich gerade aufhielt. Die hohe Luftfeuchtigkeit an jenem Tag trug dazu bei, dass der Strom auf die Kleidung übersprang und Wang Ruowang durch den Stromschlag starke Verbrennungen auf 50% des Körpers erlitt und bewusstlos wurde. Nachdem er zunächst in eine lokale Klinik gebracht worden war, wurde er dann aber in eine Spezialklinik überführt, wo ein Team von Spezialisten für seine Behandlung sorgte, seinen Zustand stabilisierte und erreichte, dass der Bischof wieder das Bewusstsein erlangte. Es scheint, er hatte Glück, denn, so der Sprecher seiner Diözese, seine inneren Organe und sein Kopf wurden nicht verbrannt. Die Starkstromkabel hätten schon vor Jahren auf das freie Feld verlegt werden sollen, aber nichts geschah. Bischof Wang ist schon das siebte Opfer, und ihn, so eine kirchliche Quelle, traf es noch am leichtesten. Fünf von den sechs anderen Opfern wurden so stark verletzt, dass sie ihren Verletzungen erlagen. Die ganze Diözese betete für den Bischof und die Jugendlichen riefen online zu Rosenkränzen für seine Genesung auf.  UCAN meldete dann am 3. Juni, dass Bischof Wang am 26. Mai das Krankenhaus verlassen habe und er wohlauf sei (china.ucanews.com 21.04.; 06.05.; 03.06.; UCAN 23.04.).

ab 22. April 2015:
ChinaChange.org veröffentlicht Analyse und Empfehlungen Ilham Tohtis hinsichtlich der ethnischen Probleme in Xinjiang
Nach Angaben von ChinaChange.org, einer Website über Bürgerrechte in China, wurde der Text nach Ilham Tohtis Verhaftung im Januar 2014 auf der Website Daxiong Gonghui veröffentlicht. Er enthält je ein Kapitel zu den Problemkreisen: Arbeitslosigkeit, (fehlende) zweisprachige Erziehung, Religion, Segregation der Ethnien voneinander, Misstrauen (in der Partei) gegenüber uigurischen Beamten, das Xinjiang Produktions- und Aufbaukorps, Kompetenz und Glaubwürdigkeit der Regierung, Han-Chauvinismus sowie ethnische Autonomie. Jedes Kapitel enthält einen Überblick über das Problem, benennt Ursachen und gibt Empfehlungen. In Bezug auf Religion stellt der Autor u.a. fest, dass der religiöse Eifer seit 2009 ständig steige, nicht zuletzt bei der Jugend. Die restriktive Religionspolitik – etwa dass an jedem Moscheeingang ein Kader dafür zuständig sei, Außenstehenden, Jugendlichen und über die erlaubte Quote hinausgehenden Gläubigen den Zutritt zu verweigern – habe zu großer Unzufriedenheit geführt. Im Gegenzug nähmen Untergrundaktivitäten zu, wobei ultra-konservative Strömungen aus Afghanistan, Pakistan u.a. Orten sich schnell in Xinjiang ausbreiteten. Die meisten uigurischen Intellektuellen lehnten die extremistischen religiösen Ideen ab, dennoch sei ihnen die drakonische Religionspolitik in Xinjiang zuwider. 
ChangeChina.org zufolge gab Daxiong Gonghui an, dass Ilham Tohti den Text auf eine Anfrage, die hochrangige Beamte der chinesischen Regierung im Jahr 2011 an ihn richteten, verfasst habe. Er habe den ersten Entwurf im Oktober 2013 revidiert, aber keine Endfassung mehr erstellen können. ChinaChange.org gab an, es habe Ursprung und Echtheit des Dokuments überprüfen können. 
Der Uigure Ilham Tohti arbeitete als Professor für Wirtschaft an der Minzu University in Beijing. Am 23. September 2014 wurde er wegen Separatismusvorwürfen zu lebenslanger Haft verurteilt. 
Das Dokument findet sich unter chinachangedotorg.files.wordpress.com/2015/05/ilham-tohti_present-day-ethnic-problems-in-xinjiang-uighur-autonomous-region-overview-and-recommendations_complete-translation2.pdf.

23. April 2015:
19.554 Neugetaufte zu Ostern 2015 in der katholischen Kirche Festlandchinas
Zum achten Mal seit 2007 hat das Faith Institute for Cultural Studies (Shijia­zhuang) eine Statistik zu den Ostertaufen in Festland China erstellt. Erstmals hat das Institut dabei mit der Chinesischen katholischen Forschungsstelle (Zhongguo tianzhujiao yanjiushi 中国天主教研究室) zusammengearbeitet, die der Patriotischen Vereinigung und der offiziellen Bischofskonferenz untersteht. Die in der katholischen Wochenzeitung Xinde (Faith) veröffentlichte Statistik zeigt die Zahlen der Neugetauften von Ostern 2015 und gibt deren Zahl mit 19.554 an. Das ist ein leichter Rückgang der Gesamtzahl um ca. 500 gegenüber dem Vorjahr (2014: 20.004). Die Diözesen der Provinz Hebei stehen weiterhin auf Platz eins, was die absoluten Zahlen angeht – 3.368 –, dies sind jedoch ca. 600 Neugetaufte weniger als im Vorjahr. Die Diözesen der Provinzen Fujian und Zhejiang zeigen die größte positive Veränderung: Zhejiang 2014: 1.054, 2015: 1.803; Fujian: die Zahl wurde um fast 200% auf 1.557 Neugetaufte gesteigert. 
Laut des Hirtenbriefs von Kardinal John Tong gab es in der Erzdiözese Hongkong dieses Ostern 3.600 neugetaufte Erwachsene. In Taipei schaut man dieses Jahr auf eine positive Entwicklung, AsiaNews spricht von hunderten Taufen, allein 67 in der Pfarrei von der Heiligen Familie. Dort wird der positive Trend neben dem persönlichen Einsatz der Katholiken vor Ort auf den sogenannten „Franziskus-Effekt“ zurückgeführt. D.h. es gibt eine positive Entwicklung bei den Zahlen der Interessenten und Neugetauften in der katholischen Kirche Taipeis auch durch das positive Image, das Papst Franziskus der katholischen Kirche verleiht (AsiaNews 07.04.; Osterhirtenbrief Kardinal John Tong von Hongkong, Ende März; Xinde 23.04.).

23. April 2015:
Stripper für die letzte Ruhe: Renmin ribao kündigt strenge Ahndung an
Traditionell ist es bei chinesischen Beerdigungen so, dass man sagen kann, je mehr Leute teilnehmen, je lauter getrauert wird und je länger eine Trauerfeier geht, umso mehr ehrt man den Verstorbenen. Da Trauerfeiern nicht mehr attraktiv für Gäste zu sein scheinen, hat sich in den letzten 20 Jahren in den ländlichen Gebieten Ostchinas (besonders den Provinzen Hebei und Jiangsu) eine Nachfrage nach Strippern für Beerdigungen entwickelt, wie User von Weibo berichteten. Es gibt organisierte Truppen, die durch die ländlichen Regionen ziehen und für Beerdigungen angefragt werden können. Für eine Beerdigung wird häufig viel Geld ausgegeben und eine Striptease-Performance bekommt man, laut einer Reportage des staatlichen Fernsehsenders CCTV von 2006, ab 2.000 RMB (ca. 285 Euro). Diese Gepflogenheiten wurden unter vorherigen Administrationen noch weitgehend toleriert, obwohl gesetzlich verboten. Aber unter der neuen Strenge der Regierung gegenüber Gesetzesübertretungen werden auch immer mehr Kontrollen in diesem Gewerbe durchgeführt, da man sich um den Einfluss auf das soziale Umfeld sorgt, so das chinesische Kultusministerium. Die Renmin ribao titelte folglich: „Obszöne Aufführungen auf den Dörfern werden streng verfolgt und streng geahndet!“ Ein Manager einer „Exotic Dance Troupe“ in Hebei wurde so nun zu 15 Tagen Haft und einer Geldstrafe von 70.000 RMB (ca. 10.000 Euro) verurteilt und drei Tänzerinnen wurden im Februar beim Aufführen eines „obszönen Aktes“ in Jiangsu verhaftet (Renmin ribao 23.04.; Süddeutsche Zeitung 27.04.; UCAN 24.04.).

25. April 2015:
Schweres Erdbeben in Nepal beschädigt 242 Tempel im benachbarten Tibet
Wie das Religionsbüro des Autonomen Gebiets am 19. Mai berichtete, liegen die verwüsteten Tempel alle im Verwaltungsgebiet der Stadt Xigaze. Die betroffenen 2.566 Mönche und Nonnen seien in temporären Unterkünften untergebracht worden, wo sie auch ihre religiöse Routine befolgen könnten. Xinhua zufolge forderte das Nepal-Erdbeben in Tibet 25 Todesopfer, 797 Personen wurden verletzt und vier waren vermisst. Über 52.000 Menschen wurden obdachlos. Am 6. Mai rief Staatspräsident Xi erneut zu umfassenden Rettungs- und Hilfsmaßnahmen sowie zur Wahrung der sozialen Stabilität in Tibet auf. In Nepal selbst starben infolge des Bebens am 25. April und der Folgebeben etwa 9.000 Menschen (Xinhua 7.,19.05.).

27. April 2015:
Messe zum zweiten Todestag von Bischof Jin Luxian in der Shanghaier Kathedrale
Der Gedenkgottesdienst für den vor zwei Jahren verstorbenen offiziellen Bischof der Diözese Shanghai wurde von Kathedralpfarrer Wu Jianlin geleitet. Auch einige wenige Gläubige und Laien der katholischen Untergrundgemeinschaft nahmen nach Angaben von AsiaNews an der Messe teil. Ein Jahr nach Bischof Jin starb auch der alte Bischof Shanghais im Untergrund, Fan Zhongliang. Da Weihbischof Xing Wenzhi aus nicht geklärten Gründen sein Amt aufgegeben hat und Weihbischof Thaddäus Ma Daqin, seit er bei seiner Weihe 2012 öffentlich den Austritt aus der Patriotischen Vereinigung erklärt hatte, unter einer Art Hausarrest steht, hat die Diözese derzeit keinen frei amtierenden Bischof (AsiaNews 27.04.).

28. und 29. April 2015:
Erste Bischofswahlen seit Wiederaufnahme von sino-vatikanischen Gesprächen im Juni 2014 in der Provinz Henan
Bei den von den Behörden – wie UCAN berichtete – streng überwachten Bischofswahlen in zwei Diözesen gab es jeweils nur einen Kandidaten: Der Priester Ji Chengyi kandidierte als Bischof für die Diözese Zhumadian, der Priester Zhang Yinlin war der Kandidat in der Diözese Anyang. Die Wahlgremien setzten sich, wie bei den nach offiziellem chinesischem Verfahren abgehaltenen Bischofswahlen üblich, aus Priestern (in beiden Fällen 50% oder mehr), Schwestern und Laien zusammen. Die Wahl in Zhumadian wurde vom Generalvikar der Diözese und den Verantwortlichen der Nachbardiözesen Xinxiang und Kaifeng geleitet, die Wahl in Anyang von Personen der katholischen lianghui (Patriotische Vereinigung und Kommission für kirchliche Angelegenheiten) der Provinz. Beide Kandidaten wurden mit nur wenigen Enthaltungen gewählt, was laut UCAN „nicht überraschte, denn beide Bischofskandidaten waren schon längst von Rom ernannt worden“. Es scheint also eine Art Übereinkunft zwischen dem Vatikan und China bezüglich der Kandidaten vorgelegen zu haben. Die letzte bekanntgewordene offizielle Bischofswahl, in der Diözese Chengdu (Sichuan) am 8. Mai 2014, wurde „einseitig“ durchgeführt, der gewählte Kandidat Tang Yuange hatte kein päpstliches Mandat; bisher wurde er aber nicht geweiht (china.ucanews.com 29.04.; UCAN 30.04.; s. auch China heute 2014, Nr. 2, Chronik, 8. Mai 2014).

4., 23. Mai 2015:
Muslimische Proteste in Xining und in Xi’an wegen Verstößen gegen halal-Vorschriften
Weil im Lieferwagen einer halal-Bäckerei Produkte mit Schweinefleisch gesehen wurden, kam es in Xining, der Provinzhauptstadt von Qinghai, am 4. Mai zu Unruhen, bei denen die Bäckerei zertrümmert wurde. Wie UCAN berichtete, verhaftete die Polizei später elf Beteiligte. In Xi’an, der Provinzhauptstadt von Shaanxi, demonstrierten am Abend des 23. Mai Hunderte von Muslimen im Muslim-Viertel rund um die Große Moschee und forderten ein Ende des Verkaufs von Alkohol in den halal-Restaurants der Gegend, die von vielen Touristen besucht wird. Dies meldete UCAN unter Berufung auf staatliche Medien. Die Muslime in beiden Städten gehören überwiegend der chinesischsprachigen Hui-Minorität an. Die staatliche Global Times berichtete am 12. Mai über ein „angebliches Kopftuchverbot“ an der Shaanxi Normal University in Xi’an, das im April erlassen worden sei, nachdem einige Studentinnen Ohren und Nacken unter Kopftüchern verborgen hätten. Ein „Instruktor“ der Universität habe auf dem Frage-und-Antwort-Portal zhihu.com jedoch klargestellt, dass die Schule nicht das Abnehmen der Kopftücher verlangt habe, sondern nur, dass diese „in einer traditionellen ethnischen Weise getragen werden und nicht auf religiöse Weise“ (Global Times 12.05.; UCAN 4.,12.,25.05.).

5. Mai 2015:
Provinz Zhejiang startet Anhörung über Standards für religiöse Gebäude – Kreuze sind an der Fassade anzubringen
Die „Standards der Provinz Zhejiang für religiöse Gebäude (zur probeweisen Durchführung) (Entwurf zur öffentlichen Anhörung)“ 浙江省宗教建筑规范 (试行) (征求意见稿) enthalten detaillierte Vorgaben für Gebäude der fünf großen Religion. U.a. wird die Höhe religiöser Gebäude auf 24 m mit Aufbauten von bis zu 6 m beschränkt. Kreuze sollen künftig an der Fassade [d.h. nicht auf Dach oder Turm] angebracht werden, wobei das Verhältnis zwischen der Länge des Kreuzes und der Höhe der Kirchenfassade kleiner als 1 : 10 sein soll. Bis zum Ende der Anhörungsfrist am 20. Mai veröffentlichten mehrere protestantische Gemeinden und die Diözese Wenzhou kritische Stellungnahmen. Ob die „Standards“ inzwischen in Kraft getreten sind, ist nicht bekannt. Seit Anfang 2014 wurden in der Provinz zahlreiche „gesetzwidrige“ religiöse Gebäude und Gebäudeteile abgerissen und viele Kreuze von den Dächern und Türmen christlicher Kirchen entfernt (siehe den Beitrag in den Informationen dieser Nummer).

8. Mai 2015:
Präsident Xi Jinping und Patriarch Kyrill sprechen bei Treffen über den Wert von spiritueller Tradition und Patriotismus
Der chinesische Präsident Xi Jinping traf Seine Heiligkeit Patriarch Kyrill von Moskau und ganz Russland in Moskau. Es war das zweite Treffen der beiden, nachdem Patriarch Kyrill 2013 nach China gereist war. Anlass für die Russland-Reise von Xi war die 70-Jahrfeier zum Gedenken an Russlands Sieg im „großen vaterländischen Krieg“ am 9. Mai in Moskau. Xi Jinping lobte in diesem Zusammenhang die großen Verdienste der orthodoxen Kirche im Kampf gegen den Faschismus. Beide unterstrichen bei ihrem Zusammenkommen den Wert einer spirituellen Tradition und der Herausbildung von patriotischen Gefühlen für die ganze Gesellschaft. Sie betonten die Hochachtung vor den jeweiligen Bestrebungen des anderen, nationale Traditionen, Kultur und Spiritualität zu pflegen und somit auch einen moralischen Aspekt in der Prägung nationalen Lebens und menschlicher Persönlichkeiten zu unterstützen. Der Präsident und der Patriarch sagten beide, dass es gut für die bilateralen Beziehungen zwischen Moskau und Beijing sei, wenn die Orthodoxie in Russland und die chinesische Regierung weiterhin gute Beziehungen pflegen würden. Xi Jinping sagte am Ende: „Die russisch-orthodoxe Kirche hat eine spezielle positive Energie in die Entwicklung der strategischen russo-chinesischen Partnerschaft eingebracht. […] Ich hoffe, dass Eure Heiligkeit auch weiterhin zur Stärkung dieser Freundschaft und Zusammenarbeit zwischen den beiden Völkern beitragen wird“ (Interfax 08.05.; www.mospat.ru 08.05.).

11. Mai 2015:
Journalist Gerald O’Connell über Zahl der „illegitimen“ chinesischen Bischöfe 
O’Connell, der auf Vatikanfragen spezialisiert ist und häufig über die sino-vatikanischen Beziehungen berichtet, schrieb in einem Artikel, die chinesischen Diözesen würden derzeit von 59 staatlich anerkannten und 42 „Untergrund“-Bischöfen geleitet. Viele Bischöfe seien sehr alt, und rund 40 Diözesen hätten keinen Bischof. Im Fall des Scheiterns einer Einigung über die Bischofsernennungen könnte China beschließen, unabhängig ohne päpstliche Erlaubnis eine Reihe von Bischöfen zu wählen, die dann illegitim wären, warnte O’Connell. Eine Vatikan-Quelle habe ihm gesagt, dass, wenn die Zahl der illegitimen Bischöfe 20 oder mehr erreiche, die Kirche schismatisch würde. Derzeit gibt es laut O’Connell 8 illegitime Bischöfe in der chinesischen Kirche (America Magazine 11.05.).

12. Mai 2015:
Festnahme von Untergrundbischof Julius Jia und Priestern in Hebei
Bischof Julius Jia Zhiguo von Zhengding (Provinz Hebei) wurde am 12. Mai von Beamten abgeholt und am 24. Mai zur Feier der Messe am Pfingstsonntag wieder zu seiner Kathedrale zurückgebracht, wie Priester seiner Diözese UCAN mitteilten. Ebenfalls Anfang Mai wurde Priester Liu Honggeng von Baoding (Hebei) an einen unbekannten Ort verschleppt; Verwandte hatten ihn zum letzten Mal am 7. Mai über sein Mobiltelefon gesprochen. Der Untergrundpriester war erst im August vergangenen Jahres nach acht Jahren Haft ohne Urteil freigekommen, weil er sich geweigert hatte, der Patriotischen Vereinigung beizutreten (s. China heute 2014, Nr. 3, Chronik, 9. / 28. August 2014, Nr. 4, Chronik, 24. Oktober 2014). Ebenfalls in der Diözese Baoding wurden zwei Katholikinnen verletzt, als sie versuchten, den im Februar errichteten Altar einer Untergrundgebetsstätte in einem Haus in Anzhuang zu schützen, der von 40 Polizeibeamten demoliert wurde. Bischof An Shuxin, aus Anzhuang stammend, Koadjutorbischof von Baoding, der ursprünglich zur Gemeinschaft im Untergrund gehörte, sich nach Jahren im Gefängnis nach seiner Freilassung 2009 jedoch der Patriotischen Vereinigung anschloss, sagte, er könne nicht vermittelnd tätig werden. „Es sind alles Untergrundkatholiken, die mich nicht akzeptieren,“ so der Bischof zu UCAN (UCAN 27.05.).

14.–17. Mai 2015:
Metropolit Hilarion besucht China – Regierung autorisiert Weihen von orthodoxen Priestern auf chinesischem Territorium
Nach der Priesterweihe von Anatolij Kung Cheung Ming in Hongkong letztes Jahr (siehe China heute 2014, Nr. 4, S. 208-210) wurde nun vom Außenminister der russisch-orthodoxen Kirche, Metropolit Hilarion, verkündet, dass es bald Priesterweihen geben werde. Der Metropolit machte diese Aussage nach der Rückkehr von einer Chinareise. Hilarion sprach davon, dass man sich mit dem Staatlichen Büro für religiöse Angelenheiten auf die Weihe eines ethnischen Chinesen zum Priester geeinigt habe und dieser dann hoffentlich in der „Kirche der Fürsprache“ in Harbin eingesetzt werden könne. Mit dieser Weihe verbindet sich die Hoffnung, so der Metropolit, dass in Zukunft noch mehr Weihen folgen und die orthodoxe Kirche in China wachse. Die Annäherung Chinas an die russisch-orthodoxe Kirche wird in Verbindung damit gesehen, dass die chinesische Regierung immer besser versteht, welchen politischen Einfluss die Orthodoxie in Russland hat. Das Treffen von Patriarch Kyrill und Präsident Xi Jinping gehört ebenfalls hierzu (siehe Eintrag vom 8. Mai 2015). Auch von russischer Seite wird dieses Thema genutzt, um in Zeiten eines „zweiten Kalten Krieges“ die Beziehungen nach Osten weiter zu verbessern. So wird von allen drei, dem Patriarchat, der russischen und der chinesischen Regierung, die politische Dimension dieses Themas betont und gehofft, dass die religiöse Frage einen positiven Einfluss auf die sino-russsischen Beziehungen haben möge (AsiaNews 19.05.). 
Zu den Hintergründen siehe China heute 2014, Nr. 4, S. 208-210.

17. Mai 2015:
Exiltibeter erinnern an den vor 20 Jahren von den chinesischen Behörden entführten Panchen Lama
Drei Tage nachdem Gedhun Choekyi Nyima durch den Dalai Lama als 11. Panchen Lama bestätigt worden war, wurde der damals 6-jährige am 18. Mai 1995 von den chinesischen Behörden an einen unbekannten Ort gebracht, wo er nach Regierungsangaben ein „normales Leben“ führen soll. Ein halbes Jahr später wurde unter Leitung der chinesischen Behörden ein zweiter, „offizieller“ Panchen Lama, Gyaltsen Norbu, ernannt. Am 17. Mai sagte Penpa Tsering, Sprecher des tibetischen Exilparlaments, in einer Rede in Dharamsala, das einzige Ziel der Entführung sei es gewesen, den Panchen Lama seiner buddhistischen Ausbildung und damit des spirituellen Einflusses auf künftige Generationen von Tibetern zu berauben (UCAN 18.05.). 
Siehe auch Einträge vom 4. März, 9. und 11. März, 10. Juni 2015.

20. Mai 2015:
Xi Jinping vor Einheitsfront: An der Richtung der Sinisierung [in der Religionsarbeit] muss festgehalten werden
Der Parteivorsitzende sagte dies in einer „wichtigen Rede“ auf der Arbeitssitzung der Einheitsfrontabteilung der Partei, die vom 18.–20. Mai tagte. Religionsarbeit sei ihrem Wesen nach Massenarbeit, erklärte Xi. Die Politik der Freiheit des religiösen Glaubens sei umfassend durchzuführen und die religiösen Angelegenheiten seien nach dem Gesetz zu verwalten. An dem Prinzip der unabhängigen Selbstverwaltung von Religion sei festzuhalten und die Religion aktiv zur Anpassung an den Sozialismus anzuleiten. Es müsse an der Richtung der Sinisierung (Zhongguohua 中国化) festgehalten und das Niveau der Herrschaft durch Recht (fazhi 法治) in der Religionsarbeit erhöht werden. Religion war jedoch nur eines von mehreren Themen der Rede (Global Times 22.05.; Xinhua 20.05.). Während die meisten der in der Rede genannten religionspolitischen Slogans seit langem in Gebrauch sind, haben die Schlagwörter „Sinisierung“ und „Herrschaft durch das Recht“ unter Xi Jinping Gewicht bekommen.

20. Mai 2015:
Katholische Diözese von Hongkong veröffentlicht Auswertung der Fragebogen zur Familiensynode
Die Fragebogen waren in Vorbereitung der XIV. Ordentlichen Bischofssynode in Rom (4.–25. Oktober 2015) über „Die Berufung und Mission der Familie in der Kirche in der modernen Welt“ von 181 Personen und Gruppierungen aus der Diözese ausgefüllt worden (4 Mitglieder der Diözesanleitung, 5 Diözesanpriester, 4 ständige Diakone, 4 Ordensangehörige, 15 Laienorganisationen in der pastoralen Seelsorge, 10 Laienvereinigungen und 139 Einzelpersonen/Familien). Bei den Ergebnissen kam unter anderem zum Ausdruck, dass die Pfarrei nach wie vor als wichtigster Ort für die Glaubensformation und pastorale Fürsorge für die Familien angesehen wird, wobei allerdings den Eltern die oberste Fürsorge für die christliche Erziehung ihrer Kinder obliege. Viele wünschten sich eine Verstärkung der Katechese für Familien (einschließlich Fragen der Berufung, Familienplanung etc.). Aufgrund mangelnden Wissens hätten sie Schwierigkeiten, die biblischen Lehren auf das alltägliche Leben anzuwenden. Die Kirche solle Ehe und Familie als eine ihrer obersten Prioritäten in der pastoralen Arbeit ansehen. Bei den Jugendlichen waren zwei Trends festzustellen: zum einen die kleinere Zahl von Jugendlichen, die durch intensives Mitleben in einer Pfarrei oder Bezug zu einer kirchlichen Gruppe oder Laienbewegung ein „reifes geistiges Leben“ führen, und zum anderen die größere Gruppe von Jugendlichen, die vor allem von der „säkularisierten, individualistischen und nach Vergnügungen jagenden weltlichen Kultur“ geprägt sei (Hong Kong Sunday Examiner 30. Mai 2015).

21. Mai 2015:
Papst Franziskus ruft zum Gebet für China am 24. Mai auf
Im Anschluss an die Generalaudienz erinnerte der Papst an den bevorstehenden Tag des Gebets für die Kirche in China: „Am 24. Mai beten die Katholiken in China zu Maria‚ Hilfe der Christen, die im Marienheiligtum in Sheshan bei Shanghai verehrt wird. Die Statue, die sich über das Marienheiligtum erhebt, zeigt Maria, wie sie ihren Sohn hochhebt, um ihn mit geöffneten Armen im Zeichen der Liebe und der Barmherzigkeit der Welt zeigt. Auch wir bitten Maria darum, dass sie den Katholiken in China helfen möge, glaubwürdige Zeugen dieser barmherzigen Liebe unter ihrem Volk zu sein, spirituell vereint mit dem Fels Petri, auf den die Kirche gegründet ist“ (Fides 21.05.).

27. Mai 2015:
Tibeterin zündet sich vor Polizeigebäude an – fünfte Selbstverbrennung im Jahr 2015, hundertvierzigste seit 2011
Sangye Tso, 36 Jahre alt und Mutter zweier Kinder, setzte sich im Kreis Chone im Autonomen tibetischen Bezirk Kanlho (Gannan) in der Provinz Gansu in Brand. Sie starb an den Folgen. Laut einem Bericht der Inter­national Campaign for Tibet (savetibet.org, 1.06.) hinterließ sie eine Notiz mit den Worten: „Lange lebe seine Heiligkeit der Dalai Lama, wo ist der Panchen Lama, Freiheit für die Tibeter.“ Die Behörden sollen der Familie jede religiöse Gedenkfeier für die Tote untersagt und mindestens ein Familienmitglied festgenommen haben. Mit Sangye Tso haben sich seit 2011 insgesamt 139 oder 140 Tibeter und Tibeterinnen in tibetischen Gebieten aus Protest selbst verbrannt, und zwar 12 im Jahr 2011, 85 im Jahr 2012, 26 im Jahr 2013, 11 im Jahr 2014 und 5 im Jahr 2015. Viele von ihnen waren Mönche und Nonnen. 121 oder 114 von ihnen starben an ihren Verbrennungen (unterschiedliche Zahlen nach tibet.net und savetibet.org). 

27. Mai 2015:
Erzbischof von Canterbury reist nach China
Das Oberhaupt der anglikanischen Kirche, der Erzbischof von Canterbury Justin Welby, besuchte vom 27. Mai bis zum 5. Juni 2015 auf gemeinsame Einladung des Staatlichen Büros für religiöse Angelegenheiten und des Chinesischen Christenrates/Drei-Selbst-Bewegung Beijing, Shanghai und Nanjing. In Beijing traf der Erzbischof u.a. Yu Zhengsheng, Mitglied des Politbüros und Vorsitzender der Politischen Konsultativkonferenz des chinesischen Volkes. 
Bei dem Gespräch soll nach der staatsnahen Global Times der Erzbischof zu einer engeren Kooperation zwischen der chinesischen und britischen Kirche aufgerufen haben. Yu habe darauf hingewiesen, dass die Bürger Chinas Glaubensfreiheit genössen und die legitimen Rechte und Interessen der religiösen Kreise durch das Gesetz geschützt seien. In Beijing hielt der Erzbischof des Weiteren an der Peking University einen Vortrag zu Religion und Wirtschaftsethik und traf sich mit Kirchenleuten. In Shanghai besuchte er u.a. die katholische St. Ignatius-Kathedrale und predigte in der Mu,en-Kirche. In Nanjing stand u.a. ein Besuch im Jinling Union Seminary und sozialer Projekte auf dem Programm. Der Besuch wurde teilweise auch kritisch gesehen. So hätten – nach einem Bericht von UCAN – in einer protestantischen Kirchengemeinde in Zhejiang, wo seit einem Jahr viele Kirchen und Kreuze gewaltsam abgerissen wurden, die Gläubigen gehofft, dass es dem Erzbischof erlaubt werde, die Gegend zu besuchen, und bekundeten die Befürchtung, der Besuch werde von der Regierung missbraucht. Erzbischof Welby ist der höchste protestantische Kirchenvertreter zu Besuch in China seit seinem Vorgänger Rowan Williams, der 2006 China besuchte, und der vierte Erzbischof von Canterbury, der das Land bereiste (Global Times 28.05.; The Telegraph 1.06; UCAN 29.05; www.archbishopofcanterbury.org 24.03.).

30. Mai 2015:
Hongkong: Pastoralschreiben von Kardinal Tong zur Wahlreform
Im Vorfeld der Abstimmung über Hongkongs Wahlreform zur Wahl des Regierungschefs (siehe Eintrag vom 18. Juni) wandte sich Kardinal John Tong in einem „Pastoralschreiben zur Wahlreform und dem Wohlergehen von Hongkongs Gesellschaft. Seid fröhlich in der Hoffnung, geduldig in der Bedrängnis, beharrlich im Gebet (Röm 12,12)“ an die katholischen Gläubigen in Hongkong. Darin betonte er erneut, dass eine Wahlreform und ein Wahlrecht für alle im Interesse der Christen stünden. Sein Pastoralschreiben vom 15. August 2014 zitierend, wies der Kardinal nochmals darauf hin, dass Gerechtigkeit weder durch Konfrontation noch Gewalt, sondern nur durch Dialog erzielt werden könne. „Gleichzeitig ist die Diözese der Überzeugung, dass es ohne Gerechtigkeit keinen echten und dauerhaften Frieden und keine Stabilität in der Gesellschaft gibt“, heißt es in seinem Schreiben vom 30. Mai weiter. Deswegen habe die Diözese bezüglich der Wahlreform klar bekundet, dass das „letzte Ziel“ des universalen Wahlrechts, wie im Basic Law vorgesehen, nicht erreicht werden könne, bevor u.a. das Nominierungskomitee so breit wie möglich alle Gruppierungen vertrete und das Prozedere wirklich demokratisch sei. „Es sollte keine unvernünftigen oder ungerechten Einschränkungen bei der Auswahl der Kandidaten geben.“ Die Diözese wolle sich allerdings nicht auf ein bestimmtes Modell festlegen, ihre Rolle sei nicht die einer politischen Partei. Die Diözese ermutigte alle Beteiligten, Polarisierungen zu überwinden und demokratische Defizite zu beheben, und rief die Gläubigen dazu auf, sich weiterhin um „verfassungsmäßig gesunde und moralisch gerechte“ Lösungen zu bemühen, die zum Frieden und Wohlergehen der Hongkonger Gesellschaft beitragen (Hong Kong Sunday Examiner 6. Juni 2015).

3. Juni 2015:
Papst Franziskus gedenkt der Opfer des Schiffsunglücks auf dem Yangtse
„Besonders möchte ich meine Verbundenheit mit dem chinesischen Volk in diesen schwierigen Momenten nach dem Fährunglück auf dem Yangtse-Fluss zum Ausdruck bringen. Ich bete für die Opfer, ihre Familien und für alle, die an den Rettungsbemühungen beteiligt sind“, sagte der Papst am Ende der Generalaudienz. Beim Untergang der Fähre in der Nacht des 1. Juni starben 442 Menschen, es gab nur 12 Überlebende (www.vatican.va 3.06.; Xinhua 14.06.).

4. Juni 2015:
Gesetzesentwurf zu ausländischen NGOs – Ende der Anhörungsphase
Am 4. Juni endete die Phase der öffentlichen Anhörung zum zweiten überarbeiteten Entwurf des Gesetzes zur Verwaltung von ausländischen Nichtregierungsorganisationen, Zhonghua renmin gongheguo jingwai feizhengfu zuzhi guanli fa 中华人民共和国境外非政府组织管理法 (草案) (二次审议稿). 
Es wird befürchtet, ein Inkrafttreten des Gesetzes in der vorliegenden Fassung habe zur Folge, dass viele ausländische Wohltätigkeitsorganisationen ihre Tätigkeiten in China einstellen werden, wodurch auch die Arbeit inländischer Gruppen, die bei Beratung und Finanzierung stark von den ausländischen NGOs abhängig sind, gefährdet werden würde. Ein kompliziertes und restriktives Genehmigungsverfahren, die strenge Überwachung der Projekte sowie der finanziellen Mittel, sehr weitgehende Befugnisse der Polizei bei der Untersuchung der Arbeitsweise der NGOs und die Androhung harter Strafen dürften Art und Umfang der Projekte stark einschränken und die Tätigkeit der NGOs erschweren. Insbesondere die Verwendung von sehr unklaren Begriffen bei der Auflistung von Straftatbeständen macht es schwierig abzuschätzen, welche Handlungsweisen den NGOs im Rahmen des Gesetzes noch erlaubt sind (South China Morning Post 04.06.; Text des Gesetzesentwurfs unter chinalawtranslate.com/en/foreign-ngo-draft-2).

4. Juni 2015:
Vigil in Hongkong zum Gedenken der Tianan’men-Opfer
Auch in diesem Jahr versammelten sich wieder Zehntausende Hongkonger im Victoria Park zur Erinnerung an die Opfer des Massakers vom Tian’anmen-Platz am 4. Juni 1989. Vor der Rally trafen sich Christen zu einer Gebetsvigil, die vom Hongkonger Weihbischof Joseph Ha, dem Vorsitzenden der Kommission Justitia et Pax der katholischen Diözese Hongkong, geleitet wurde. An der Gebetsvigil nahm wie auch in den Vorjahren Kardinal Joseph Zen Ze-kiun SDB, der emeritierte Bischof von Hongkong, teil. 
In diesem Jahr gab es verschiedene Parallelveranstaltungen zur Rally, da sich einige Studentengruppen, darunter die Hong Kong Federation of Students, nicht an der großen Gedenkveranstaltung beteiligen wollten. Dies hängt teilweise mit der Frage der Identität vieler junger Hongkonger zusammen, die die Probleme Hongkongs zunehmend als von China getrennt ansehen (AsiaNews 4.06; Time 4.06.).

10. Juni 2015:
Präsident Xi Jinping ermahnt den offiziellen Panchen Lama, die glorreiche patriotische Tradition des tibetischen Buddhismus fortzuführen
Wie Xinhua berichtete, empfing Xi Jinping den Panchen Lama im Zhongnanhai und ermahnte ihn, hart zu studieren und an sich zu arbeiten. Er solle nach dem Vorbild des 10. Panchen Lama die Anpassung des tibetischen Buddhismus an die sozialistische Gesellschaft vorantreiben und ein buddhistischer Führer mit hohem spirituellem Niveau werden, der von den Mönchen und Laienanhängern geliebt wird. 
Der Panchen Lama überreichte dem Präsidenten einen Haddak und versprach ihm, unbedingt seine Ratschläge zu befolgen und die Erwartungen von Partei und Volk nicht zu enttäuschen. An dem Treffen nahmen auch der Vorsitzende der Chinesischen Konsultativkonferenz Yu Zhengshen und die Vorsitzende der Abteilung für Einheitsfrontarbeit der Partei, Sun Chunlan, teil (Xinhua 10.06.).

14. Juni 2015:
700 „patriotische Religionsvertreter“ in Urumqi bekennen sich zu den „Fünf Identitäten“
Vertreter von sechs (sic) Religionen, darunter Islam, Buddhismus und Protestantismus, erklärten, sie wollten Vorbilder im Festhalten an den „Fünf Identitäten“ sein. Einem Bericht in der staatlichen Xinjiang ribao zufolge handelt es sich dabei um die Identifikation mit dem großartigen Vaterland, mit der chinesischen (Zhonghua 中华) Nation und der chinesischen Kultur, der KP Chinas sowie dem Sozialismus mit chinesischen Besonderheiten. Ein Redner erklärte, Muslime seien an erster Stelle Bürger. Wie die staatliche Global Times berichtete, warnte der Parteichef von Xinjiang, Zhang Chunxian, auf der Versammlung vor einer Eskalation von „Infiltration und Sabotageakten im Namen von Religion“. Er sprach von einem „ernsten politischen Kampf“ gegen den Extremismus; es gebe keinen Raum für Zugeständnisse. Die Zeitung erwähnte gar, dass „Extremisten einen Umsturz der Regierung anstreben“. Im Jahr 2014 zerschlug die Polizei in Xinjiang nach von Global Times zitierten örtlichen Regierungsangaben 181 Terrorgruppen. 96% der Anschlagspläne seien in einem frühen Stadium vereitelt worden (Global Times 16.06.; South China Morning Post 16.06.; Xinjiang ribao 16.06.).

18. Juni 2015:
Wahlrechtsreform in Hongkong abgelehnt
Das Hongkonger Parlament lehnte nach einer zweitägigen kontroversen Debatte die von China geplante Wahlreform ab. Bei der Abstimmung im 70-köpfigen Legislativrat kam nicht die erforderliche Zweidrittel-Mehrheit zustande. Kurioserweise waren im Moment der Abstimmung nur 37 Abgeordnete anwesend, von denen 8 für die Regierungsvorlage und 28 oppositionelle Abgeordnete dagegen stimmten. Da einer ihrer Abgeordneten fehlte, hatte eine größere Zahl von Abgeordneten des Regierungslagers kurz vor dem Votum den Plenarsaal verlassen, um einen Aufschub zu erwirken. Die Abstimmung fand dann jedoch ohne sie statt.
Die umstrittenen Pläne der Beijinger Regierung für eine eingeschränkte direkte Wahl des Hongkonger Verwaltungschefs hatten im vergangenen Herbst zu wochenlangen Protesten mit Zehntausenden Menschen auf Hongkongs Straßen und zu einer Spaltung in Hongkongs Gesellschaft geführt (siehe China heute 2014, Nr. 3, S. 145-149). Nach der Regierungsvorlage hätte es 2017 erstmalig eine direkte Wahl des Verwaltungschefs gegeben, Beijing wollte jedoch nur vorab bestimmte Kandidaten zulassen, womit die Kandidatur eines demokratischen Abgeordneten nicht möglich gewesen wäre.
Nach dem Scheitern der Wahlreform wird es zunächst keine direkten Wahlen geben. Die nächste Wahl des Verwaltungschefs wird wiederum von einem 1.200 Mitglieder zählenden Wahlkomittee bestimmt werden, in dem u.a. Vertreter von Wirtschaft, Berufsständen und sozialen Organisationen vertreten sind.
Die Regierung in Beijing reagierte mit Bedauern auf die Ablehnung der Wahlreform. Sie unterstütze weiterhin den Plan, den Regierungschef durch eine eingeschränkte Direktwahl bestimmen zu lassen, so ein Sprecher des Außenministeriums.
In den Tagen um die Abstimmung hatte es erneute Proteste vor den Regierungsgebäuden gegeben, an denen sich auch die Kommission für Gerechtigkeit und Frieden der katholischen Diözese Hongkong beteiligt hatte. Am 13. Juni hatte die Kommission einen „Kreuzweg für Demokratie“ durch Hongkongs Straßen organisiert, angeführt von Kardinal Joseph Zen Ze-kiun SDB, dem emeritierten Bischof von Hongkong, und Weihbischof Joseph Ha Chi-shing.Kardinal John Tong, Bischof von Hongkong, sagte in einem Statement nach der Abstimmung, dass das Ergebnis nicht zu einem Ende der Spaltungen in der Hongkonger Gesellschaft führe. „Es wird Zeit brauchen, bis die Wunden verheilt sind“, so der Kardinal. „Trotzdem dürfen wir keinerlei Anstrengung unterlassen, um die wahren Gründe aufzuzeigen, die hinter dieser polarisierten Situation stecken; und wir müssen uns weiterhin für die Förderung von Demokratie, Gerechtigkeit und das Wohlergehen der Menschen von Hongkong einsetzen“ (AsiaNews 18.06; Frankfurter Allgemeine Zeitung 18.06; Hong Kong Sunday Examiner 20.06; Süddeutsche Zeitung 18.06; UCAN 18.06.; Die Welt 18.06).

2015 (ohne Datumsangabe):
„Daoist Digital Museum“ in Hongkong eröffnet
Die Website ist ein Projekt des Centre for Studies of Daoist Culture an der Chinese University of Hong Kong unter der Leitung von Prof. Lai Chi-Tim. Im Rahmen des Projekts wurden – nach Angaben der Museums-Website – Daten von bisher 150 Tempeln der Stadt Guangzhou (Provinz Guangdong) und der umliegenden Kreise gesammelt. Darunter sind historische Dokumente, architektonische und ikonographische Daten, Steleninschriften und Videoaufnahmen. Die Daten werden indiziert und in digitaler Form in das Museum hochgeladen, wobei auch Geoinformationssystems-Technologie eingesetzt wird. Sie sollen eine bessere Erforschung des Daoismus in der Region ermöglichen. Die Adresse des digitalen Museums lautet: dao.crs.cuhk.edu.hk/digitalmuseum/CH


Katharina Feith
Gregor Weimar
Katharina Wenzel-Teuber

Alle Quellenangaben in der „Chronik“ beziehen sich, wenn nicht anders angegeben, auf das Jahr 2015.

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