Hier informiert Sie das China-Zentrum zur Situation der Religionen und der christlichen Kirchen in China.
Juli / August 2015:
Massenhafte Kreuzabrisse in Zhejiang, Proteste und Verhaftungen
Im Juli und August 2015 nahm die Zahl der Demontagen von Turm- und Dachkreuzen protestantischer und katholischer Kirchen in der Provinz Zhejiang drastisch zu. Mehreren Quellen zufolge sollten die Abrisse innerhalb einer bestimmten Frist (die Rede war von zwei Monaten bzw. bis Ende August) abgeschlossen sein. Bereits Mitte Juli war von über 1.200 Kirchen betroffenen Kirchen in der Provinz die Rede. Viele Gemeinden versuchten Widerstand zu leisten, indem sie Wache hielten, die Zufahrt zu ihrer Kirche blockierten, Protestbriefe schrieben oder juristischen Rat suchten; einige installierten nach dem Abriss des Kreuzes ein neues. Es kam zu Zusammenstößen mit Abrisstrupps und Sicherheitskräften und mehreren Verhaftungen protestantischer Christen, darunter am 25. August der Anwalt Zhang Kai, der Gemeinden in Zhejiang rechtlich beraten hatte, und am 12. September Pastor Huang Yizi von der Fengwo-Kirche, der erst am 1. August nach einem Jahr Haft freigekommen war (China Aid 5.,21.08.; 16.,21.09.; South China Morning Post 5./6.08.; UCAN 11.,27.08.).
Zu weiteren Protestaktionen, Statements und Vorfällen im Zusammenhang mit den Kreuzdemontagen siehe die Einträge vom 5. Juli, 10. Juli, 14. Juli / 25. August, 24./28./29. Juli, 16. September sowie die Dokumentation und die Informationen dieser Nummer.
1. Juli 2015:
China verabschiedet neues Gesetz zur nationalen Sicherheit
Bürgerrechtsgruppen befürchteten, dass das „einschneidende“ neue Gesetz eine Rechtfertigung des Vorgehens gegen Andersdenkende erleichtern könnte, und zeigten sich besorgt darüber, dass es nationale Sicherheit so breit und vage definiere, schrieb die South China Morning Post (3.07.).
Unter die „Aufgaben des Schutzes der nationalen Sicherheit“ fällt nach § 27 des Gesetzes auch die Religion. Dort heißt es, der Staat schütze die Glaubensfreiheit und halte am Prinzip der autonomen Selbstverwaltung der Religionen fest. „Er verhindert, stoppt und bestraft gemäß dem Gesetz illegale und kriminelle Handlungen im Namen von Religion, die die nationale Sicherheit gefährden. Er widersetzt sich der Einmischung ausländischer Kräfte in inländische religiöse Angelegenheiten und schützt die normale Ordnung religiöser Aktivitäten. Er verbietet häretische Kultorganisationen gemäß dem Gesetz, er verhindert, stoppt und bestraft gemäß dem Gesetz illegale und kriminelle Handlungen häretischer Kulte.“ Chinesischer Wortlaut des Gesetzes: www.chinadaily.com.cn/hqcj/zgjj/2015-07-01/content_13912103.html, inoffizielle englische Übersetzung: chinalawtranslate.com/2015nsl/?lang=en.
1. Juli 2015:
Geringere Teilnehmerzahl bei Protesten zum Jahrestag der Übergabe Hongkongs
Am 18. Jahrestag der Übergabe Hongkongs an die Volksrepublik China gingen in diesem Jahr ca. 48.000 Teilnehmer auf die Straße, um für mehr Demokratie zu protestieren – nach einer Rekordzahl von über 500.000 im vergangenen Jahr. Daisy Chan Sin-ying von der Civil Human Rights Front begründete nach einem Bericht der South China Morning Post die geringe Zahl mit der Ablehnung der von China geplanten Wahlrechtsreform im Hongkonger Legislativrat am 18. Juni 2015, nach der es jetzt „kein brennendes Thema gibt, weswegen es die Menschen vielleicht nicht für dringend empfinden zu protestieren“. Choy Chi-keung, Politikwissenschaftler an der Chinese University, führte die Zahl auf eine gewisse Müdigkeit nach den Occupy Central-Protesten im Herbst letzten Jahres zurück.
Dem Protestmarsch ging ein ökumenischer Gebetsgottesdienst voraus, an dem u.a. Kardinal Joseph Zen, emeritierter Bischof von Hongkong, Weihbischof Joseph Ha Chi-shing sowie weitere katholische Priester und protestantische Pastoren teilnahmen (Hong Kong Sunday Examiner 11.07.).
5. Juli 2015:
Katholische patriotische Vereinigung und Katholische Kommission für kirchliche Angelegenheiten der Provinz Zhejiang protestieren in offenem Brief gegen Kreuzabrisse
Die Leiter und stellvertretenden Leiter der zwei katholischen Provinzgremien beschlossen den Brief in einer telefonischen Notstandssitzung. Er wendet sich an die Kommission für ethnische und religiöse Angelegenheiten der Provinz und fordert den unverzüglichen Stopp der Kreuzabrisse. Die beiden Gremien stellen zudem fest, dass sie hinsichtlich ihrer Aufgabe als Brücke zwischen Partei/Regierung und Kirche bereits zu einer „eingebrochenen Brücke“ geworden seien (siehe Wortlaut in der Dokumentation).
In einem ähnlichen Schreiben wandte sich am 10. Juli auch der Christenrat der Provinz an die Behörden (s.u.). Damit protestierten die staatlich sanktionierten Provinzgremien beider christlichen Konfessionen öffentlich gegen das Vorgehen der Behörden.
6. Juli 2015:
Dalai Lama wird achtzig
Seinen 80. Geburtstag verbrachte der geistliche Führer in Südkalifornien, wo Unterstützer vom 5.–7. Juli ein Forum zum Thema „Globale Barmherzigkeit“ organisierten. Laut Los Angeles Times kamen 18.000 Besucher. Hunderte von Anhängern der Schutzgottheit Dorje Shugden, von deren Verehrung der Dalai Lama abgeraten hat, demonstrierten vor dem Veranstaltungsort und riefen den Dalai Lama dazu auf, „Religionsfreiheit zu erlauben“ – wie u.a. Xinhua meldete. Die staatliche Nachrichtenagentur berichtete auch, dass die „Dalai Lama-Clique“ versuche, von armen tibetischen Hirten Geld für Geburtstagsfeiern des Dalai Lama zu sammeln und nur dank der Regierungspolitik tragische Verluste an Hab und Gut der Bevölkerung verhindert worden seien. Im indischen Dharamsala, seinem Exilsitz, feierte der Dalai Lama seinen Geburtstag nach dem tibetischen Mondkalender bereits am 21. Juni (Los Angeles Times 5.,06.07.; Xinhua 5.,7.07.).
Dem Tibetologen Thierry Dodin zufolge geht der Dorje Shugden-Konflikt innerhalb der Gelugpa-Schule des tibetischen Buddhismus auf das 17. Jh. zurück. Da der Dalai Lama und die Shugden-Anhänger gegenwärtig in Opposition zueinander stehen, nutzt laut Dodin die chinesische Regierung die Situation aus, indem sie den Kult von staatlicher Seite fördert (info-buddhismus.de/Proteste-Dalai-Lama-Dorje-Shugden-Konflikt-Interview-Dodin.html).
7. Juli 2015:
Renmin-Universität stellt „Untersuchungsbericht zu den Religionen Chinas 2015“ vor
Es handle sich dabei um die erste landesweite repräsentative Erhebung zu den religiösen Versammlungsstätten, hieß es in den Meldungen. Die Untersuchung wurde von der School of Philosophy und dem National Survey Research Center der Renmin-Universität durchgeführt. Inhaltlich konzentrierte sich die Befragung auf die Themenbereiche Organisation, Religiosität, soziale Interaktionen und Beziehungen zwischen Religion und Staat. Zwischen 2013 und 2015 wurden 4.392 religiöse Versammlungsstätten in 243 Kreisen in 31 Provinzen Chinas untersucht, wobei jeweils die Verantwortlichen der religiösen Stätten und der zuständigen staatlichen Religionsbehörden befragt wurden. Damit hat die Befragung den Fokus auf dem Bereich der offiziellen Religiosität. Dennoch wartet sie mit vielen interessanten Details auf, z.B.: Die lokalen Religionsbehörden statten den religiösen Stätten durchschnittlich 3,8-mal jährlich, die Einheitsfrontabteilungen 1,8-mal jährlich einen Besuch ab. Das durchschnittliche Einkommen des religiösen Personals beträgt monatlich nur 507 Yuan und liegt weit unter dem Durchschnittseinkommen der jeweiligen Lokalbevölkerung, bei den buddhistischen Mönchen und Nonnen sind es sogar nur 397 Yuan monatlich. 82% der protestantischen, aber nur 51% der katholischen und 40% der muslimischen religiösen Gebäude weisen chinesische Architekturelemente auf. Buddhistische Tempel geben am meisten für die Wohlfahrt aus (41.000 Yuan pro Tempel und Jahr, gegenüber einem Gesamtdurchschnitt aller Religionen von 18.000 Yuan) und sind am stärksten im Internet aktiv. Das katholische religiöse Personal hat den höchsten Bildungsgrad; von den in der Lehre [an katholischen theologischen Seminaren etc.] Tätigen haben 43% einen Hochschul- oder höheren Abschluss, weit mehr als die 18% im Durchschnitt aller 5 Religionen (Website des 中国宗教调查 / China Religion Survey: crs.ruc.edu.cn. Eine englische Beschreibung der Ergebnisse unter www.chinasource.org/resource-library/chinese-church-voices/a-closer-look-at-the-china-religion-survey. Siehe auch Global Times 8.07.; iwr.cass.cn 7.07.; mzb.cn 14.07.).
9. Juli 2015:
UCAN: Dutzende Millionen Yuan von Shanghaier Diözese verschwunden
Laut einem Bericht von UCAN sind in den vergangenen zwölf Monaten Dutzende von Millionen Yuan von Konten der Diözese Shanghai auf Regierungs- und Privatkonten transferiert worden. UCAN zitiert eine Quelle, nach der die Transfers „auf Anweisung von Beamten des Religionsbüros“ erfolgt seien. Die Regierung habe die Zeit des Hausarrests von Bischof Thaddäus Ma Daqin seit nunmehr drei Jahren dazu genutzt, die Kontrolle über die Diözese zu intensivieren.
Im Vergleich zu anderen chinesischen Diözesen verfügt die Diözese Shanghai dank Grund- und Immobilienbesitz über ein beträchtliches Vermögen. Die Diözese wird derzeit von einem fünfköpfigen Team verwaltet. Laut einer nach UCAN verlässlichen Quelle müssen bei allen Sitzungen des Teams Religionsbeamte anwesend sein. „Sie sorgen auch dafür, dass ihre Leute in wichtigen Diözesanabteilungen arbeiten.“ Eine andere Quelle habe mitgeteilt, dass das Team von Bischof Jin Luxian vor dessen Tod im April 2013 eingesetzt wurde. Bischof Jin habe damals auch der Patriotischen Vereinigung erlaubt, Gelder der Diözese zu bewegen. Auf diese Weise habe er sich Freiräume für die kirchliche Arbeit erwirken wollen. Auch jetzt nach seinem Tod werde diese Zusage weiter eingelöst, keiner traue sich, dies zu stoppen (UCAN 8.,9.07.).
ab 10. Juli 2015:
Landesweite Repressionswelle gegen Menschenrechtsanwälte und Aktivisten
Mindestens 288 Rechtsanwälte, Mitarbeiter von Anwaltskanzleien, Menschenrechtsaktivisten und Familienmitglieder wurden seit dem 10. Juli [zeitweise oder dauerhaft] befragt, vorgeladen, unter Verbot gestellt, das Land zu verlassen, unter „überwachtes Wohnen“ oder Strafarrest gestellt oder vermisst, so ein Update auf der Website der China Human Rights Lawyers Concern Group (Hongkong) vom 2. Oktober 2015. Am 2. Oktober befanden sich demnach 26 Anwälte und andere Personen in Strafarrest oder „überwachtem Wohnen“ oder waren zwangsweise verschwunden gelassen worden. Medienberichten zufolge begann die Kampagne am 10. Juli mit einer Razzia in der Beijinger Kanzlei Fengrui, die unter anderem den Künstler Ai Weiwei und den uigurischen Wissenschaftler Ilham Tohti vertreten hat. Festgenommenen Anwälten wurde unterstellt, kontroverse Fälle zur Selbstbereicherung und zu Angriffen auf die Partei ausgenutzt und Kampagnen gegen die Gerichte provoziert zu haben. Eva Pils vom King’s College London, die über Rechtsaktivisten in China geforscht hat, sagte gegenüber dem Guardian, die Verhaftungen seien Teil einer Kampagne gegen eine unabhängige Zivilgesellschaft und würden kurzfristig eine terrorisierende Wirkung auf die Aktivistengemeinde Chinas haben. Pils bezifferte die Zahl der Rechtsverteidiger in China auf rund 300 (The Guardian 14.07.; New York Times 22.07.; Radio Free Asia 21.07.; South China Morning Post 11.,19.07.; Die Welt 30.08.; Die Zeit 11.07.; www.chrlawyers.hk 2.10.).
10. Juli 2015:
Expertengruppe verabschiedet die „Standards für religiöse Gebäude der Provinz Zhejiang“
Die Bauordnung, die unter anderem festlegt, dass Kreuze an den Fassaden der Kirchen (also nicht auf Türmen und Dächern) anzubringen sind, und die als „Rechtsgrundlage“ für die Kreuzabrisse in der Provinz benutzt wird, war von der Kommission für ethnische und religiöse Angelegenheiten (KERA) und dem Aufbauamt der Provinzregierung am 5. Mai als Entwurf zur öffentlichen Anhörung publiziert worden. Nach der Verabschiedung durch ein Expertengremium werde das Dokument nun durch die beiden Behörden erlassen, hieß es in einer Meldung auf der KERA-Website (mzw.zj.gov.cn) vom 16. Juli. Ob der Erlass tatsächlich erfolgt ist, ist unklar. Zu dem Dokument vgl. China heute 2015, Nr. 2, S. 72-75.
10. Juli 2015:
Christenrat der Provinz Zhejiang protestiert in offenem Brief gegen Kreuzabrisse, spricht von über 1.200 betroffenen Kirchen
Die erweiterte Versammlung für Ratsangelegenheiten des [protestantischen] Provinzchristenrats beschloss den Brief in einer Telefonkonferenz. In dem Brief an die Kommission für ethnische und religiöse Angelegenheiten der Provinz Zhejiang heißt es, dass in den letzten 18 Monaten in Zhejiang Kreuze von über 1.200 christlichen [vermutlich gemeint: protestantischen] Stätten für religiöse Aktivitäten abgerissen worden seien, darunter auch von Kirchen, die völlig erlaubt und vorschriftskonform seien. Dies habe die Gefühle der über 2 Mio. Christen Zhejiangs ernsthaft verletzt und zu negativen bis konfrontativen Beziehungen zwischen der Partei und den Massen geführt. Die „Verwaltung“ der Religion durch die Behörden sei so unvernünftig und gewalttätig, dass der Christenrat seine Rolle als Brücke nicht mehr erfüllen könne. Da mündliche Bitten bisher nichts geholfen hätten, „machen wir nun schriftlich diesen feierlichen Aufruf: Wir fordern hiermit, dass Sie die Verfassung und das Gesetz einhalten [...] und sofort diese verfehlte Politk der Kreuzabnahmen beenden, die die Partei und die Massen auseinanderreißt“.
Nach Angaben von chinachange.org konfiszierte die Regierung nach der Publikation des offenen Briefs das Siegel des Provinzchristenrats (chinachange.org/2015/08/07/christian-sentiment-in-zhejiang-against-cross-removal-three-statements/; vgl. auch Duihua – mit China im Dialog Nr. 31, August 2015; UCAN 17.07).
10. Juli 2015:
Bischof Martin Wu Qinjing nach Jahren des Hausarrests offiziell als Bischof von Zhouzhi (Shaanxi) installiert
Bischof Martin Wu war am 19. Oktober 2005 (Datum nach Website der Diözese Zhouzhi) insgeheim und mit päpstlicher Zustimmung zum Bischof geweiht worden. Die offizielle Installation rund 10 Jahre später in der Kathedrale von Zhouzhi wurde von Bischof Yang Xiaoting von Yulin (Yan’an, Shaanxi) geleitet, einem der Vizevorsitzenden der offiziellen chinesischen Bischofskonferenz, zusammen mit Bischof Dang Mingyan von Xi’an. Entsprechend den offiziellen Bestimmungen wurde die Ernennung der offiziellen Bischofskonferenz verlesen. Vertreter der Einheitsfrontabteilung der Partei und der Religionsbehörden aus Beijing wie aus der Provinz waren bei der Zeremonie anwesend. 73 Priester konzelebrierten bei der folgenden, von Bischof Wu geleiteten Messe, über 100 Schwestern sowie Gläubige nahmen teil. 8 Diözesanpriester kamen nicht zur Messe. Von UCAN zitierte Augenzeugen berichteten von strengster Überwachung aller Diözesanpriester vor der Zeremonie wie auch aller Redemanuskripte, technischen Geräte in der Kirche etc. und einem hohen Polizeiaufgebot.
Bischof Wu Qinjing, 1968 geboren, ist ein Priester der offiziellen Kirche. Nach seinem Studium im Shanghaier Sheshan-Priesterseminar unterrichtete er am Priesterseminar in Xi’an. Von 2000–2005 erwarb er in den USA zwei Master, in Liturgiewissenschaft und in Spiritualität. Seine heimliche Bischofsweihe wenige Monate nach seiner Rückkehr aus den USA gab er am 22. Mai 2006 – drei Tage vor dem Tod Bischof Li Du’ans von Xi’an – den Priestern der Diözese bekannt. Danach wurde er von der Regierung verhört und im September 2006 zeitweise verschleppt. Die Jahre ab 2007 verbrachte er im Hausarrest im Kleinen Seminar der Diözese Xi’an; erst 2014 durfte er in die Diözese zurückkehren. Seine Installation bedeutet, dass die Diözese Zhouzhi nach über zehn Jahren wieder einen Leiter hat, der offen als Bischof arbeiten kann (AsiaNews 10.07.; UCAN 14.08.; china.ucanews.com 13.07.; chinacatholic.cn 10.,30.07.; www.zzjq.org).
12. Juli 2015:
Angesehener tibetischer Mönch Tenzin Deleg Rinpoche stirbt im 13. Jahr seiner Haft
Tenzin Deleg Rinpoche wurde im Dezember 2002 wegen „Verursachen einer Explosion und Anstiftung zum Separatismus“ im Zusammenhang mit Bombenanschlägen in der Provinz Sichuan zum Tod mit zwei Jahren Aufschub verurteilt, eine Strafe, die später in lebenslange Haft umgewandelt wurde. Sein Assistent Lobsang Dondrub wurde im Januar 2003 hingerichtet. Berichte sprachen damals von den ersten Todesstrafen in Tibet mit politischem Hintergrund seit langem und von einem unfairen Prozess; auch erklärte Tenzin Rinpoche in einer aus dem Gefängnis geschmuggelten Aufnahme seine Unschuld. Vor seiner Verhaftung genoss der geistliche Lehrer, der in den 1980er Jahren in Indien studierte und vom Dalai Lama als Reinkarnation eines hochrangigen Lamas im Kloster Lithang anerkannt worden war, großen Einfluss und Beliebtheit im Gebiet von Lithang in der Provinz Sichuan. Er gründete Schulen, renovierte Klöster und engagierte sich karitativ. Er soll zudem entschieden gegen den in Lithang populären Kult des Schutzgottes Shugden eingetreten sein (nach China heute 2002, Nr. 4-5, S. 108; 2003, Nr. 1-2, S. 3f.; Quellen s.d.).
Seine Verwandten konnten den Rinpoche während seiner Haftzeit nur einmal, im Jahr 2013, besuchen. Nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua starb er am 12. Juli 2015 trotz sofort eingeleiteter medizinischer Hilfe an einem plötzlichen Herzanfall. Als am 13. Juli – laut einem Bericht der International Campaign for Tibet – rund 1.000 Mönche und Einheimische in der Nähe seines Klosters in Nyagchuka (chin. Yajiang) die lokale Behörde aufforderte, mit der Gefängnisbehörde der Provinz über die Herausgabe der Leiche zu verhandeln, kam es zu einem Zusammenstoß mit der Polizei. Schließlich soll am 16. Juli einer Gruppe von Mönchen und Verwandten erlaubt worden sein, im Gefängnis den Leichnam in Mönchsgewänder zu kleiden und Totengebete abzuhalten, woraufhin er verbrannt wurde. Ein Sprecher der Europäischen Union kondolierte am 15. Juli der Familie und den Anhängern von Tenzin Deleg Rinpoche. Die Europäische Union habe beständig zu seiner Freilassung aufgerufen und erwarte von den chinesischen Behörden eine Untersuchung der Todesumstände (Xinhua 18.07.; eeas.europa.eu/statements-eeas/2015/150715_03_en.htm; www.savetibet.org 14.,16.07.).
14. Juli / 25. August 2015:
Gründung der Gruppe „Rechtsanwälte für den Schutz des Kreuzes“ / Verhaftung von Anwalt Zhang Kai
Der Beijinger Rechtsanwalt Zhang Kai, ein Christ, gründete am 14. Juli die Gruppe „Rechtsanwälte für den Schutz des Kreuzes“. Er beriet laut UCAN mehr als 100 protestantische Gemeinden in Zhejiang rechtlich, die ihre Kreuze schützen wollten. Beispielsweise drohte er am 15. Juli in einem Statement mit einer Verwaltungsklage gegen die Lokalregierung von Huzhou. Am 25. August wurde Zhang Kai mit seinem Assistenten Liu Peng festgenommen. Laut China Aid wurde Zhang „Versammlung einer Menschenmenge zur Störung der öffentlichen Ordnung“ sowie „Stehlen, Ausspionieren, Kauf und Weitergabe von Staatsgeheimnissen und Geheimdienstinformationen an ausländische Organisationen“ vorgeworfen. Er sei zunächst zu sechs Monaten Haft in einem inoffiziellen Haftzentrum verurteilt worden, es könnten ihm aber mehr als 10 Jahre Gefängnis drohen. Zhang wurde einen Tag vor einem geplanten Treffen mit dem US-Botschafter für internationale Religionsfreiheit, David Saperstein, festgenommen. Sein Fall sei sehr wichtig, weil er eine Überschneidung zwischen Chinas beispielloser Kampagne gegen Menschenrechtsanwälte und der Kampagne gegen Christen und anderen Formen nicht autorisierter Religiosität darstelle, sagte William Nee von Amnesty International zu UCAN. Der Hong Kong Sunday Examiner gab an, 25% der Menschenrechtsanwälte seien Christen (AsiaNews 27.08.; 2.09.; China Aid 14.07.; 5.,31.08.; 4.,14.09.; Hong Kong Sunday Examiner 22.08.; UCAN 27.08.).
15. / 16. Juli 2015:
Chinesische Medien berichten über Prozess gegen „Kult-Anführer“ – US-Kommission hatte Verhaftung Wu Zehengs verurteilt
Am 13. Juli begann der Prozess vor dem Volksgericht in Zhuhai (Guangdong) gegen Wu Zeheng und vier weitere Mitglieder der buddhistischen Sekte Gruppe Huazang zongmen, die Anklage lautete auf Organisierung eines Kults zur Untergrabung der Rechtsdurchsetzung, Vergewaltigung, Betrug sowie Herstellung und Verkauf gesundheitsschädlicher Nahrungsmittel – meldeten Xinhua und Global Times. Xinhua zitierte auch die Feststellung von Mingsheng, einem Vizevorsitzenden der Chinesischen buddhistischen Vereinigung, dass Huazang zongmen nicht mit dem Buddhismus übereinstimme und nur ein „getarnter Kult“ sei. Die Global Times wies allerdings darauf hin, dass Wu Zeheng nach Angaben seines Anwalts die Beschuldigungen der Anklage zurückweise.
Nach Darstellung von UCAN und anderen Medien hatte Wu Zeheng 1999 in einem offen Brief an den damaligen Präsidenten Jiang Zemin und Premier Zhu Rongji Rechtsverletzungen kritisiert und Reformen gefordert und war danach wegen Wirtschaftsvergehen zu 11 Jahren Gefängnis verurteilt worden. Im Jahr 2010 wurde er aus der Haft entlassen und am 30. Juli 2014 mit 80 Anhängern erneut festgenommen. Am 30. Oktober 2014 verurteilte die U.S. Commission on International Religious Freedom die Verhaftung von Wu Zeheng (Global Times 15.07.; UCAN 16.07.; USCIRF Press Release 18.10.2014; Wall Street Journal 18.03.; Xinhua 16.07.; perseus-strategies.com/wp-content/uploads/2014/09/Wu-Zeheng-UNWGAD-Petition-03.19.15.pdf).
16. Juli 2015:
Umstrittenen Qigong-Großmeister Wang Lin in Mordfall unter Verdacht auf Entführung festgenommen
Das Opfer, ein Firmenchef namens Zou, soll chinesischen Medienberichten zufolge ein Schüler Wang Lins gewesen sein. Am 20. August wurden Wang und eine weitere Person wegen „rechtswidrigem Festhalten“ sowie zwei weitere Personen wegen Mordes formell verhaftet. Zuvor, am 22. Juli, hatte die Global Times vor einer Vorverurteilung Wangs durch die öffentliche Meinung gewarnt. Wang Lin hatte seit den 1990er Jahren als Qigong-Meister mit angeblich übernatürlichen Kräften ein Netzwerk von Kontakten aufgebaut, zu denen hochrangige Kader, Geschäftsleute und andere Prominenz gehören sollen. Bereits im Juli 2013 wurde Wang in chinesischen Websites und Medien des Schwindels, der Steuerhinterziehung und der Verbindung zu Kriminellen und korrupten Kadern beschuldigt. Am 30. Juli 2013 bezeichnete ihn ein Leitartikel der Parteizeitung Renmin ribao als Spiegel der unersättlichen Habgier und des hässlichen Geistes mancher Beamter, die aus schlechtem Gewissen eine Stütze in „feudalem Aberglauben“ suchten (Global Times 22.07.; 21.08.; New York Times 30.07.2013; Renmin ribao 30.07.2013; Xinhua 17.07.; vgl. China heute 2013, Nr. 3, Chronik, 30. Juli 2013).
Wiederholt haben in letzter Zeit Medien berichtet, dass durch die Antikorruptionskampagne von Präsident Xi verunsicherte Parteikader ihr Heil bei Wahrsagern und in volksreligiösen Praktiken suchen – so etwa Reuters am 29. Juli.
17. Juli 2015:
Elf Mitglieder der „Jüngergemeinschaft“ wegen „Kult“-Vorwürfen zu Gefängnisstrafen verurteilt
Weil sie für schuldig befunden worden seien, „Gläubige mit der Lehre des Kults angestachelt zu haben, sich Recht und Vorschriften zu widersetzen“, wurden elf Mitglieder der „Jüngergemeinschaft“ (Mentuhui 门徒会) von einem Gericht im Autonomen Gebiet Ningxia zu Gefängnisstrafen zwischen drei und achteinhalb Jahren verurteilt. Dies meldete Xinhua unter Berufung auf den Sprecher des Anti-Kult-Büros der Stadt Shizuishan. Im November 2014 hatte die Polizei in Shizuishan 137 Mitglieder der „Jüngergemeinschaft“ verhaftet.
Die „Jüngergemeinschaft“ ist eine christliche Sekte, die 1989 in Shaanxi entstand. Sie wurde laut Xinhua 1995 als „[häretischer] Kult“ (xiejiao 邪教) klassifiziert.
Der Dui Hua Foundation (USA) zufolge umfasste eine 2014 von der Chinesischen Anti-Kult-Vereinigung herausgegebene Liste 20 „Kulte“, von denen der größte Teil christlich inspiriert ist – darunter die „Kirche des Allmächtigen Gottes“ und die „Jüngergemeinschaft“. Dui Hua fand in Regierungsdokumenten jedoch noch weitere als Kulte bezeichnete Gruppen [ein Beispiel ist Huazang zongmen, siehe Eintrag vom 15./16. Juli]. (Dui Hua Foundation, „Identifying Cult Organizations in China“, 10.07.2014, www.duihuaresearch.org; Xinhua 17.07.2015).
(evtl. als Illustration CACA Sektenposter)
24. / 28. / 29. Juli 2015:
Diözese Wenzhou protestiert gegen Kreuzabrisse: Demonstration und offener Brief der offiziellen Gemeinschaft, Appell der Gemeinschaft im Untergrund, Solidaritätserklärungen aus ganz China
Der 89-jährige Bischof Vincent Zhu Weifang und 20 Priester aus dem offiziellen Teil der Diözese Wenzhou demonstrierten am 24. Juli rund zwei Stunden lang vor einem Regierungsgebäude in der Stadt Wenzhou. Dabei trugen sie ein großes Transparent mit der Aufschrift „Schutz für die Würde des Glaubens, [wir] protestieren gegen die gewaltsamen Kreuzabrisse“. Es erschienen Polizisten am Schauplatz, die aber nicht eingriffen. Am 28. Juli veröffentlichten die Priester des offiziellen Teils der Diözese um Bischof Zhu Weifang und am 29. Juli die Priester der Untergrundgemeinschaft der Diözese um Koadjutorbischof Shao Zhumin offene Briefe, in denen sie mit scharfen Worten gegen die Abrisse protestieren. Insgesamt 49 Priester unterzeichneten namentlich. Ende Juli und Anfang August veröffentlichten einige andere katholische Diözesen, Gruppen und Einzelpersonen in anderen Teilen Chinas, sowohl aus der offiziellen wie aus der Untergrundkirche, Solidaritätserklärungen (UCAN 24.07.; 4.08.; china.ucanews.com 24.,29.,31.07.; www.chinacath.org und www.shizijia.org, passim).
Eine Übersetzung der beiden offenen Briefe findet sich in der Dokumentation dieser Nummer.
4. August 2015:
Bischofsweihe in Anyang mit Zustimmung des Papstes und der chinesischen Behörden
Der 1971 geborene Priester Joseph Zhang Yinlin wurde zum Koadjutorbischof der Diözese Anyang in der Provinz Henan geweiht. Es war die erste öffentliche Bischofsweihe in Festlandchina seit 2012. Alle anwesenden Bischöfe waren sowohl vom Papst als auch von der Regierung anerkannt – der 90-jährige Ortsbischof Zhang Huaixin, der als Hauptweihender fungierte, sowie die Bischöfe Shen Bin (Haimen), Yang Yongqiang (Zhoucun) und Wang Renlei (Xuzhou). Die von den Behörden strikt überwachte Weihe entsprach somit kirchenrechtlichen Anforderungen, was einige Beobachter als positives Signal seitens der chinesischen Regierung in Richtung Vatikan deuteten. Zhang Yinlin war Ende April 2015 nach dem offiziellen chinesischen Verfahren in seiner Diözese zum Bischofskandidaten gewählt worden, er hatte zu diesem Zeitpunkt bereits eine päpstliche Ernennung. Der ebenfalls Ende April zum Bischofskandidaten für die Diözese Zhumadian (Provinz Henan) gewählte und vom Vatikan ernannte Priester Ji Chengyi wurde hingegen bislang nicht geweiht. Die Diözese Anyang hat nun zwei Bischöfe, 30–36 Priester, 120 Schwestern und rund 40.000–50.000 Katholiken (AsiaNews 4.08.; UCAN 31.07.; 4.08.; www.ucanews.com 4.08.; vgl. China heute 2015, Nr. 2, Chronik, 28. und 29. April 2015).
5. August 2015:
Appell zur Freilassung der Journalistin Gao Yu
In einem gemeinsamen Schreiben an Staatspräsident Xi Jinping setzen sich verschiedene Gruppierungen – unter ihnen die Kommission Justitia et Pax der katholischen Diözese Hongkong – für die Freilassung der Journalistin Gao Yu und anderer politischer Gefangener ein. Die 71-jährige renommierte Journalistin wurde im April 2014 wegen „illegaler Weitergabe von Staatsgeheimnissen an das Ausland“ zu sieben Jahren Haft verurteilt. Ihr wurde vorgeworfen, das interne Parteidokument Nr. 9 an eine Website im Ausland weitergegeben zu haben. In dem Dokument werden sieben Tabus genannt, über die in den chinesischen Medien, Universitäten etc. nicht gesprochen werden darf, wie „universale Werte“, Pressefreiheit und Zivilgesellschaft. Gao Yu hatte zuletzt als freie Autorin für verschiedene Internetplattformen und Rundfunksender gearbeitet, darunter lange Jahre auch für die Deutsche Welle, so eine Stellungnahme des Auswärtigen Amtes. Die Journalistin soll in einem prekären Gesundheitszustand sein, worauf sich die Unterzeichner beziehen. Zu den Unterzeichnern gehören Amnesty International, Hong Kong Alliance in Support of Patriotic Democratic Movement of China, Human Rights in China, Human Rights Watch, Independent Chinese Pen, Reporter ohne Grenzen,Tian’anmen-Mütter u.a. Gruppierungen (Amnesty International 6.08.; www.auswaertiges-amt.de 17.04.; Text von Dokument Nr. 9: www.chinafile.com/document-9-chinafile-translation).
15. August 2015:
Papst gedenkt der Opfer des Unglücks von Tianjin
Beim Angelusgebet am Fest Maria Himmelfahrt gedachte Papst Franziskus in seiner Ansprache der vielen Opfer, die von der schweren Explosion in der Hafenstadt Tianjin betroffen waren: „Liebe Brüder und Schwestern, ich denke in diesem Moment an die Bevölkerung der Stadt Tianjin in Nord-China, wo einige Explosionen im Industriegebiet zahlreiche Tote und Verletzte gefordert und großen Schaden verursacht haben. Ich sichere mein Gebet für all jene zu, die ums Leben gekommen sind, sowie für alle durch diese Katastrophe geprüften Menschen. Der Herr schenke ihnen Erleichterung und helfe allen, die sich dafür einsetzen, ihre Leiden zu lindern.“
Bei den Detonationen in einem Lagerhaus mit hochgefährlichen Chemikalien im Hafen von Tianjin am Abend des 12. August gab es mehr als 170 Tote, viele davon Feuerwehrleute, und fast 800 Verletzte. Unter den freiwilligen Helfern, die sich unmittelbar nach der Katastrophe zur Verfügung stellten, waren auch Katholiken unter Leitung des Sozialzentrums der Diözese Tianjin (AP 11.09.; UCAN 17.08.; Xinhua 24.08.; 1.,10.09.; w2.vatican.va/content/francesco/de/angelus/2015/documents/papa-francesco_angelus_20150815.html).
16. August 2015:
Staatssekretär Parolin würdigt Kirche in Singapur
Bei seinem Besuch in Singapur, der letzten Etappe seiner Südostasien-Reise, pries der vatikanische Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin die Lebendigkeit der Kirche in Singapur. Zwar sind nur wenige Prozent der Bevölkerung Singapurs Katholiken (360.000 unter den 5 Millionen Einwohnern), doch ihre Rolle in der Gesellschaft und Geschichte des Staates seien sehr wichtig. Am 16. August feierte Parolin mit den Katholiken einen Gottesdienst zum Fest Maria Himmelfahrt. In seiner Predigt betonte er, dass in der 50-jährigen Geschichte der staatlichen Unabhängigkeit Singapurs und nach 200 Jahren kirchlicher Präsenz viel erreicht worden sei, doch heute „mit Dringlingkeit neue und kreative Wege“ der Verkündigung in einer sich wandelnden Gesellschaft gesucht werden müssten. Er lobte die kirchlichen Einrichtungen im Bereich von Bildung und Gesundheit, aber auch in der Fürsorge für die Armen, alten und kranken Menschen.
Am 4. Juli hatte die katholische Kirche von Singapur in einem Dankgottesdienst mit 10.000 Gläubigen die Unabhängigkeit gefeiert. Bei der Feier sprach neben Erzbischof William Goh auch Premierminister Lee Hsien Loong. Der Apostolische Nuntius Erzbischof Leopoldo Girelli verlas ein Gratulationsschreiben von Papst Franziskus. Verschiedenste religiöse Gemeinschaften hatten im Vorfeld des Nationalfeiertages (9. August) ebenfalls das Jubiläum gefeiert (Fides 19.08.; Radio Vatikan 17.08.; The Straits Times 4.07.).
26. August 2015:
New York Times: Hongkonger christliche Gruppen unter Druck seitens China
Nach einem Bericht der New York Times fühlen sich verschiedene protestantische Gruppierungen in Hongkong zunehmend unter Druck seitens China. So hätten festländische Behörden in den vergangenen Monaten Christen vom Festland an der Teilnahme religiöser Konferenzen in Hongkong gehindert, Programme von Hongkonger Pastoren auf dem Festland stärker überwacht und Warnungen gegenüber kritischen Kirchenführern ausgesprochen. Jüngst wurde Rev. Philip Woo, Leiter der Christian Church of Chinese Ministry in Hongkong, zum „Teetrinken“ ins Religionsbüro nach Shenzhen eingeladen; dort wurde ihm von den Beamten eine Liste mit Vergehen vorgehalten. Woo hat immer wieder feurige Reden über Menschenrechte gehalten, Seminare zu sozialen Problemen für Studenten vom Festland abgehalten und auf dem Festland Pastoren ohne Erlaubnis der Behörden ordiniert, so die New York Times. Die Behörde stieß sich vor allem an dessen „aggressivem“ Gebrauch der sozialen Netzwerke zur Anwerbung von Seminarteilnehmern vom Festland; er dürfe zukünftig keine Studenten vom Festland mehr in Hongkong ausbilden. Woo bewegt sich weiterhin auf dem Festland, hat nach eigenen Aussagen die Shenzhener Zweigstelle jedoch an einen entlegeneren Ort verlegt, so die New York Times weiter.
Zehntausende Personen vom Festland sollen jedes Jahr an Sonntagsschulen, Seminaren und riesigen Gottesdiensten in Hongkong teilnehmen. So sollen im Juli 2015 10.000 Menschen – die Mehrheit vom Festland – an dem jährlichen Gebetstreffen der christlichen Gruppierung „Homecoming“ teilgenommen haben. 60% der Hongkonger Kirchen seien nach einer Erhebung des Hong Kong Church Renewal Movement auf dem Festland engagiert, z.B. mit theologischer Weiterbildung. Dabei würden Hongkonger Bürger oft als Ausländer behandelt, sie dürften auf dem Festland keine Evangelisierungsarbeit leisten (Hong Kong Economic Journal 1.09.; Hong Kong Free Press 6.07.; New York Times 26.08.; www.nzz.ch 12.07.; www.spiegel.de 1.07.).
28. August 2015:
Orthodoxe Liturgie in Beijinger Kirche
Am 28. August feierte Rev. Sergiy Voronin, Rektor der Dormitio–Kirche, die sich auf dem Gelände der russischen Botschaft in Beijing befindet, in einer der katholischen Kirchen von Beijing einen orthodoxen Gottesdienst zum Fest Maria Entschlafung (Himmelfahrt). Die Bitte dazu kam von chinesischen orthodoxen Gläubigen. An der Liturgiefeier nahmen über 80 Personen teil, unter ihnen chinesische Albasiner, junge chinesische Konvertiten, Mitarbeiter der Russischen Botschaft und weitere russische Gläubige. Den chinesischen Gläubigen wurden Ikonen der 222 chinesischen orthodoxen Märtyrer und weitere Ikonen für ihre Häuser als Geschenke überreicht (www.mospat.ru 29.08.).
29. August 2015:
Nationaler Volkskongress verabschiedet Revision des Strafrechts – u.a. Erweiterung der Paragraphen über Terrorismus und Kulte
Im revidierten Strafgesetz ist die Zahl der Verbrechen, auf die die Todesstrafe steht, um 9 auf 46 verringert. Die Zahl der aufgeführten terroristischen Vergehen (§ 120) wurde erheblich erweitert, wobei es – wie ein Kommentar auf der Website chinalawtranslate.com erläuterte – problematisch sei, dass teilweise gewalttätiger Terrorismus und religiöser Extremismus in einem behandelt und auch Tatbestände, die von tatsächlichen Terrorakten weit entfernt seien, hart bestraft würden. Erweitert wurde auch § 300 über die Organisation oder Benutzung einer häretischen Kultorganisation zur Untergrabung der Rechtsdurchsetzung; u.a. wurde hierfür die Höchststrafe in schweren Fällen auf lebenslange Haft mit gleichzeitiger Geldstrafe oder Konfiszierung des Eigentums erhöht. Die Revision tritt am 1. November 2015 in Kraft (englische Übersetzung und Anmerkungen zu den wichtigsten Änderungen siehe chinalawtranslate.com 1.09. bzw. 27.09.).
4. September 2015:
UCAN: Hongkonger Kardinäle zum Stand der sino-vatikanischen Beziehungen
Es gebe immer Höhen und Tiefen, aber die Atmosphäre sei in letzter Zeit recht gut gewesen. In den letzten Monaten habe es positive Signale von beiden Seiten gegeben, sagte Kardinal John Tong, der Bischof von Hongkong, zu UCAN. Tong nannte die offizielle Installation von Bischof Wu Qinjing von Zhouzhi und die Bischofsweihe in Anyang (siehe die Einträge vom 10. Juli und 4. August). Er beobachte jedoch als Außenstehender; die Männer des Papstes für den sino-vatikanischen Dialog seien Vatikan-Staatssekretär Kardinal Pietro Parolin, Erzbischof Claudio Celli vom Päpstlichen Rat für die sozialen Kommunikationsmittel und Msgr. Gianfranco Rota-Graziosi, Leiter der Sektion für die Beziehungen zu den Staaten im Staatssekretariat.
Der emeritierte Bischof Kardinal Joseph Zen hingegen erklärte gegenüber UCAN, die chinesische Regierung habe keine Absicht, einen Dialog zu führen, sie fordere nur.
Laut UCAN wurden im Juni 2014 die sino-vatikanischen Verhandlungen wiederaufgenommen, eine zweite Runde werde für die nächsten Monate erwartet (UCAN 4.09.).
6. September 2015:
Chinesischer Staatsrat publiziert zweites Tibet-Weißbuch in diesem Jahr
Das Weißbuch mit dem Titel „Erfolgreiche Umsetzung der regionalen ethnischen Autonomie in Tibet“ schildert das „finstere und rückständige“ alte Tibet, gibt eine Darstellung der Geschichte Tibets als „integraler Bestandteil Chinas“ seit der Yuan-Dynastie (1271–1368) sowie der Abschaffung der „feudalen Sklavenhaltergesellschaft“ in den 1950er Jahren und der Entstehung des Autonomen Gebiets. Die Erfolge der heutigen regionalen Autonomie werden dargestellt, darunter in Kapitel VII. „Respektierung und Schutz der Freiheit des religiösen Glaubens“. Die „Dalai Lama-Clique“ habe die Errungenschaften der regionalen Autonomie Tibets negiert, weshalb ihre separatistischen Aktivitäten bei den Ethnien Tibets auf Widerstand stießen und zum Scheitern verurteilt seien, heißt es am Schluss des Weißbuchs.
Das Weißbuch erschien anlässlich der Gründung des Autonomen Gebiets Tibet am 1. September 1965, also vor 50 Jahren. Bei der Vorstellung des Weißbuchs in Beijing erklärte Norbu Dunzhub von der Einheitsfrontabteilung der KP in Tibet, egal was der Dalai Lama sage, er könne das Recht der Zentralregierung, buddhistische Reinkarnationen zu bestätigen, nicht leugnen. Der vom Dalai Lama eigenmächtig und illegal ernannte Panchen Lama [der im Mai 1995 von den chinesischen Behörden entführt wurde] erhalte Bildung, wachse normal und gesund auf und wolle nicht gestört werden (Global Times 1.09.; The Guardian 6.09.; Xinhua 6.,7.09.). Vgl. China heute 2015, Nr. 2, Chronik, 15. April 2015 (Weißbuch „Tibets historische Wahl seines Entwicklungsweges“) und Chronik, 17. Mai 2015).
6. September 2015:
Eröffnung des Shanghai Jewish Memorial Park
Die Gedenkstätte im Fushouyuan-Friedhof im Shanghaier Bezirk Qingpu erinnert an die Geschichte jüdischer Flüchtlinge während des Zweiten Weltkrieg. Er wurde von der Shanghaier jüdischen Gemeinde, dem Shanghai Centre of Jewish Studies und der Fu Shou Yuan International Group (Hongkong) gestiftet. Der 200 qm große Park enthält einige Skulpturen sowie eine Gedenkwand. Diese trägt die Namen von 24 Juden, die im 20. Jh. in die Entwicklung Shanghais involviert waren, sowie von Ho Fengshan, dem chinesischen Generalkonsul in Wien, der unter großem persönlichem Risiko Ende der 1930er Jahre Visa für rund 3.000 Juden ausstellte. In dem Park finden sich auch zwei jüdische Grabsteine.
Zwischen 1933 und 1941 flohen über 20.000 europäische Juden vor dem NS-Regime nach Shanghai. Die ostchinesische Hafenstadt gehörte damals weltweit zu den wenigen Orten, die Juden auch ohne Visum die Einreise gewährten (South China Morning Post 7.09.; vgl. MERICS China Update 31/2015).
15. September 2015:
Tod des evangelischen Theologen Wang Weifan
Der populäre Theologe Wang Weifan 汪维藩 starb im Alter von 88 Jahren in Nanjing. Als enger Freund und Wegbegleiter Bischof K.H. Tings prägte er die theologische Ausbildung am zentralen Seminar der protestantischen Kirche bereits in den 1950er Jahren und erneut nach dem Ende der Kulturrevolution bis heute. Professor Wang lehrte Systematik mit starker chinesisch-kontextueller Prägung, schrieb Gedichte, malte Kalligraphien und war als leidenschaftlicher Prediger beliebt. Über 20 Jahre lang fungierte er als Herausgeber der wichtigsten theologischen Publikation, der Quartalszeitschrift Jinling shenxue zhi 金陵神学志. Eine Trauerfeier für ihn fand am Vormittag des 17. September am Jinling-Seminar (Nanjing Union Theological Seminary) statt, eine weitere am Nachmittag in der Mouchoulu-Kirche in der Innenstadt. Weitere Nachrichten sind auf der Internetseite des Seminars zu finden: www.njuts.cn. Ein längerer Nachruf auf Wang Weifan erscheint in der nächsten Ausgabe von China heute. Isabel Hess-Friemann
15. September 2015:
Taiwans Bischofskonferenz ruft zum Gebet für Flüchtlinge auf
Angesichts der weltweiten Flüchtlingskrise hat die Regionale Taiwanesische Bischofskonferenz die 260.000 Katholiken Taiwans zu Fasten, Gebet und eucharistischer Anbetung aufgerufen, damit die Würde und Menschenrechte der Flüchtlinge – darunter „christliche Brüder und Schwestern“ – beachtet würden und sie schnellstmöglichst einen sicheren Aufenthaltsort fänden. Wie der Sekretär der Bischofskonferenz, Otfried Chen, gegenüber UCAN mitteilte, solle dies jeder Gläubige gemäß seinen eigenen Möglichkeiten tun. Falls es aus physischen oder beruflichen Gründen schwierig sei, könnte man auch auf einen Abend Fernsehen oder andere Vergnügungen verzichten (UCAN 15.09.).
16. September 2015:
Religionsbehörde der Provinz Zhejiang verabschiedet Ermessensrichtlinien für Verwaltungsstrafen
Die Ermessensrichtlinien enthalten einen Katalog von 23 rechtswidrigen Handlungen. Für jede werden der zugrundeliegende Rechtsparagraph, die Art der Strafe (Korrektur innerhalb einer bestimmten Frist, Bußgelder, Konfizierungen, Austausch der Leitung, Schließung etc.) und Kriterien für das Strafmaß angegeben. Von den 23 rechtswidrigen Handlungen beziehen sich 9 auf religiöse Ausbildungsstätten, 6 auf religiöse Organisationen und Versammlungsstätten (z.B. keine Registrierung, Verstoß gegen das Prinzip der autonomen Selbstverwaltung, vorschriftswidrige Annahme in- und ausländischer Spenden, Nicht-Akzeptieren der Kontrolle durch die zuständigen Behörden). Andere betreffen eigenmächtiges Durchführen großer religiöser Aktivitäten oder muslimischer Wallfahrten ins Ausland, Missionieren außerhalb genehmigter religiöser Stätten, Leitung religiöser Aktivitäten durch nicht registriertes Personal sowie „nicht-normale religiöse Aktivitäten“ (darunter ausländische Infiltration). Besondere Relevanz für die aktuelle Abrissproblematik hat möglicherweise Punkt 22: „Installieren religiöser Vorrichtungen an öffentlichen Orten durch Einzelpersonen oder nichtreligiöse Organisationen, oder bauliche Erweiterung oder Verlegung religiöser Versammlungsstätten ohne vorherige Genehmigung“. Vorgesehene Strafen sind Korrektur oder Schließung für Aktivitäten sowie, je nach Schwere des Falls, Geldbußen von 1.000 bis 50.000 Yuan.
Die neuen Richtlinien traten am 1. Oktober 2015 in Kraft. Sie ersetzen ein älteres Dokument von 2010 mit ähnlichem Titel, das online nicht verfügbar ist, so dass sich nicht sagen lässt, welche Punkte neu sind.
„Ermessensrichtlinien für Verwaltungsstrafen der Kommission für ethnische und religiöse Angelegenheiten der Provinz Zhejiang“ 浙江省民族宗教事务委员会行政处罚裁量基准, Text unter www.zjsmzw.gov.cn/Public/NewsInfo.aspx?type=&id=3e3c4c2a-0d6d-47f5-ba06-f782254f1c4c.
18. September 2015:
Nordkoreanische Flüchtlinge auf dem Weg nach Kunming verhaftet
Der Mann und drei junge Mädchen wurden von der Polizei in einem Bus in Liuzhou im Südwesten Chinas auf ihrem Weg Richtung Kunming aufgegriffen. Kunming ist eine der Haupttransitstellen für koreanische Flüchtlinge, die von dort aus nach Laos oder in andere südostasiatische Länder reisen wollen, wo sie gewöhnlich um Hilfe ansuchen, bevor ihnen gestattet wird, nach Südkorea weiterzureisen. China schickt die Flüchtlinge in der Regel nach Nordkorea zurück, wo ihnen harte Strafen drohen, so die South Korean News Agency. Seoul bleibe bei seiner Politik der Aufnahme von Nordkoreanern, die von Drittländern aus nach Südkorea ausreisen möchten.
In China sollen sich Zehntausende Nordkoreaner im Verborgenen aufhalten, in der Hoffnung, über Drittländer nach Südkorea einreisen zu können. Dort seien bislang 27.500 nordkoreanische Flüchtlinge aufgenommen worden (South Korean News Agency 19.09.).
18. September 2015:
Viele Tote bei Anschlag auf Kohlebergwerk in Xinjiang
Nach Angaben des US-Senders Radio Free Asia (RFA), der zuerst von dem Vorfall berichtete, kamen bei einem Angriff von mit Messern bewaffneten Männern auf die Sogan-Kohlegrube in Bay (Baicheng) im Regierungsbezirk Aksu mindestens 50 Menschen ums Leben, 50 weitere wurden verletzt. Die chinesische Regierung bestätigte den Anschlag erst knapp zwei Monate später, am 14. November – einen Tag nach den Terroranschlägen in Paris. Xinhua sprach am 20. November von 16 Toten – 11 Zivilisten, 3 Polizisten und 2 Sicherheitskräften. Ein großer Teil der Opfer waren offenbar Han-chinesische Grubenarbeiter. Der Anschlag ereignete sich im Vorfeld von staatlichen Feierlichkeiten zum 60. Jahrestag der Gründung des Autonomen Gebiets Xinjiang am 1. Oktober 1955. Am 20. November meldete Xinhua, dass 28 der in die Berge geflüchteten Terroristen durch die Polizei erschossen worden seien und einer sich ergeben habe. Die Terrorgruppe sei direkt von einer ausländischen Extremistengruppe gesteuert und von zwei ortsansässigen Männern namens Musa Tohniyaz und Mamat Aysa geleitet worden, so Xinhua. Bereits am 16. Oktober hatte RFA einen lokalen Behördenvertreter zitiert, der die Verwandten dieser beiden und eines weiteren uigurischen Mannes (darunter 4 Frauen und 3 Kinder) als Tatverdächtige identifizierte und die Vermutung äußerte, dass Vergeltung für Schikanen bei der Regierungkampagne zur Ausrottung von (religiösem) Extremismus das Tatmotiv gewesen sein könnte. Während – wie u.a. RFA schrieb – im Ausland und von Exiluiguren die repressive Politik Chinas in Xinjiang für die zunehmende Welle der Gewalt in der Region verantwortlich gemacht werde, forderte Präsident Xi Jinping am Rande des G20-Gipfels in Antalya am 15. November, der globale Terror solle nicht länger mit „zweierlei Maß“ gemessen werden (Ming Pao 25.09.; Radio Free Asia 22.,30.09.; 8.,16.10.; South China Morning Post 23.11.; UCAN 16.11.; Xinhua 20.11.).
18.–20. September 2015:
Konferenz über die chinesische Initiative einer Neuen Seidenstraße und den religiösen Austausch mit dem Ausland
Seit 2013 propagiert China seine wirtschafts- und entwicklungsstrategische Initiative „Ein Gürtel, eine Straße“ (yi dai yi lu 一带一路, One Belt One Road). In Anknüpfung an die alten Seidenstraßen soll der „Wirtschaftsgürtel Seidenstraße“ die Länder Zentralasiens, Westasiens, des Nahen Ostens und Europas verbinden, und die „Maritime Seidenstraße“ die Länder Südostasiens, Ozeaniens und Afrikas. Dieses „Kernstück von Chinas neuer Außenpolitik unter Xi Jinping“, das nach chinesischen Angaben 65 Länder und 4,4 Milliarden Menschen zusammenbringen soll (vgl. Ruth Kirchner, Deutschlandfunk 21.05.), wird seit einiger Zeit auch im religionspolitischen Bereich diskutiert: Eine Konferenz in Beijing zu diesem Thema wurde vom Staatlichen Büro für religiöse Angelegenheiten (BRA) und dem Institut für Weltreligionen der Chinesischen Akademie für Sozialwissenschaften veranstaltet. Unter den über 100 Teilnehmern waren auch Experten aus dem Ausland und Vertreter der chinesischen religiösen Organisationen. BRA-Vizedirektor Chen Zongrong sprach in seiner Eröffnungsrede von der besonderen Rolle der Religionen für die Entwicklung, den Austausch und die wechselseitige Reflexion von Zivilisationen. Es gebe schon viel religiösen Austausch Chinas mit Ländern an „Gürtel und Straße“ – etwa buddhistischen Austausch mit Ost- und Südostasien, islamischen Austausch mit Zentral- und Westasien und Nordafrika, katholischen und protestantischen Austausch mit Europa. Doch dies sei bei weitem noch nicht genug. Die chinesische Regierung ermutige einen Austausch der religiösen Kreise mit dem Ausland auf der Basis von Autonomie, Gleichberechtigung und gegenseitigem Respekt (Bericht auf der Website des BRA www.sara.gov.cn 21.09.).
22. September 2015:
Korruptionsermittlungen gegen Zhang Lebin, Vizedirektor des Staatlichen Büros für religiöse Angelegenheiten
Die Zentrale Kommission für Disziplin-Inspektion der KP Chinas gab am 22. September bekannt, dass die Disziplinarbehörden gegen Zhang wegen des Verdachts auf „schweren Verstoß gegen die Disziplin“ ermitteln. Wie Xinjingbao (The Beijing News) berichtete, war Zhang seit Ende Dezember 2014 nicht mehr in den staatlichen Medien erwähnt worden. Zhang war laut BRA-Website zuständig für die Muslime, religiöse Gruppen außer den fünf anerkannten großen Religionen und den Volksglauben, er wurde in den letzten Jahren aber auch auf buddhistischen Anlässen gesehen. Erste Spekulationen über die Hintergründe des Sturzes von Zhang Lebin in chinesischen Medien – u.a. in Xinjingbao – nennen Verbindungen zu dem gestürzten früheren Leiter der Einheitsfrontabteilung der KP Chinas, Ling Jihua, der Zhang dem Religionsbüro empfohlen haben soll, und Kontakte zu Abt Yongxin vom Shaolin-Kloster. Der Abt war, wie ein Beitrag auf Sina in diesem Zusammenhang feststellte, seit Juli zunehmend in den Medien angegriffen worden. U.a. hatte GlobalTimes am 29. Juli ausführlich über Vorwürfe eines „Whistleblowers“ gegen Abt Yongxin berichtet.
Neben Direktor Wang Zuo’an verbleiben dem BRA derzeit zwei Vizedirektoren, Jiang Jianyong und Chen Zongrong (Global Times 29.07.; UCAN 23.09.; Xinhua 22.09.; Xinjingbao 23.09.; Xinlang xinwen [Sina] 22.09.).
22.–27. bzw. 22.–28. September 2015:
Papst Franziskus und Präsident Xi Jinping besuchen gleichzeitig die USA
Am 22. September landete der Papst in Washington D.C., Präsident Xi in Seattle. Der Papst traf Präsident Obama am 23. September, sprach am 24. vor dem US-Kongress und am 25. bei den Vereinten Nationen. Präsident Xi war am 24. und 25. Gast des US-Präsidenten und sprach am 26. September auf der Vollversammlung der Vereinten Nationen. Das bemerkenswerte zeitliche Zusammentreffen der Reisen löste Spekulationen aus, aber von einem Kontakt zwischen beiden Delegationen wurde nichts bekannt. Der Besuch des Papstes fand in den US-Medien weit größere Beachtung als der von Präsident Xi, während umgekehrt die chinesischen Medien den Papstbesuch fast nicht erwähnten. Der Sprecher der chinesischen Delegation, Lu Kang, sagte laut Reuters: „Der Besuch des Papstes, wir haben ihn zur Kenntnis genommen und dass ... er von der Öffentlichkeit willkommen geheißen wird. Sein Besuch hat seine eigene Bedeutung hier. Präsident Xis Besuch hat seine eigene Bedeutung“ (Reuters 27.09.; South China Morning Post 24.09.; UCAN 28.09.).
23. September 2015:
Erste Vorschriften für die Einheitsfrontarbeit der Kommunistischen Partei Chinas mit Kapitel zur Religionsarbeit werden veröffentlicht
Bei dem Dokument handelt es sich um die ersten parteiinternen Bestimmungen für die Einheitsfrontarbeit der Partei – schrieb die Parteizeitung Renmin ribao, die den Text am 23. September 2015 veröffentlichte. Die „Vorschriften für die Einheitsfrontarbeit der Kommunistischen Partei Chinas (zur probeweisen Durchführung)“ 中国共产党统一战线工作条例 (试行) wurden bereits am 30. April 2015 vom Politbüro des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas verabschiedet und traten am 18. Mai 2015 in Kraft. Kapitel 6 des Dokuments befasst sich mit der „Religionsarbeit“ (zongjiao gongzuo 宗教工作) der Partei. Das Kapitel wiederholt großenteils bekannte Prinzipien der Religionspolitik. Das Prinzip der Autonomen Selbstverwaltung der Religionen und die Abwehr ausländischer Einmischung und Infiltration werden bekräftigt – ein Grund dafür, dass Kommentatoren in dem Papier kein gutes Omen für die sino-vatikanischen Beziehungen sehen. Die Religionen sollen „angeleitet“ werden, ihre Lehre in einer Weise auszulegen, die „den Anforderungen des Fortschritts der Zeit gerecht wird“. Ganz ausdrücklich stellt das Dokument fest, dass „Mitglieder der Kommunistischen Partei [...] nicht an eine Religion glauben dürfen“. In den letzten Jahren hatte es immer wieder Stimmen innerhalb der KP Chinas gegeben, die dieses Prinzip infrage zu stellen versuchten.
Die Abteilung für Einheitsfrontarbeit der KP Chinas ist seitens der Partei u.a. für Fragen der Religionspolitik und damit auch für das Staatliche Büro für religiöse Angelegenheiten zuständig, das wiederum die religiösen Organisationen beaufsichtigt (UCAN 25.09.).
Chinesischer Text der Vorschriften unter politics.people.com.cn/n/2015/0923/c1001-27621618.html, deutsche Übersetzung des Kapitels „Religionsarbeit“ in der Dokumentation dieser Nummer.
Bis 25. September 2015:
Drei Mitglieder der offiziellen chinesischen Bischofskonferenz auf „Versöhnungsmission“ in den USA
Bischof Ma Yinglin (Kunming), Vorsitzender der offiziellen chinesischen Bischofskonferenz, sowie zwei Vizevorsitzende – Bischof Yang Xiaoting (Yan’an) und Bischof Zhan Silu (Mindong) – hielten sich auf Einladung mehrerer Universitäten und kirchlicher Gruppen 10 Tage in den USA auf – also teilweise gleichzeitig mit Papst Franziskus und Präsident Xi. Bischof Ma und Bischof Zhan wurden ohne päpstliche Ernennung geweiht und sind nicht vom Vatikan anerkannt, Bischof Yang hat päpstliche und staatliche Anerkennung. Auch die Bischofskonferenz als solche ist nicht von Rom anerkannt. Bischof Ma hielt am 17. September einen Vortrag an der theologischen Fakultät der Yale University. Die drei Bischöfe seien auf „einer heiligen Pilgerfahrt, um Versöhnung mit der Universalkirche zu suchen“, sagte John Worthley, ehemaliger Vizekanzler der katholischen Seton Hall University und Fachmann für die Kirche in China zu UCAN. Laut Worthley suchen die chinesischen Bischöfe bei der amerikanischen Kirche Hilfe für ihre Versöhnungsbemühungen. Sie hätten einem hochrangigen amerikanischen Kleriker eine Bibel für Papst Franziskus gegeben, auf deren Umschlag die drei Bischöfe „wir lieben Sie, wir beten für Sie, wir warten auf Sie in China“ geschrieben hätten (UCAN 24.09.).
Auf der Website der Patriotischen Vereinigung und der offiziellen Bischofskonferenz findet der USA-Besuch der drei Bischöfe keine Erwähnung.
27. September 2015:
Papst Franziskus spricht während des Rückflugs aus den USA über seine Liebe zum chinesischen Volk
Während der Pressekonferenz im Flugzeug antwortete der Papst auf eine Frage nach den sino-vatikanischen Beziehungen „China ist eine große Nation, die der Welt eine große Kultur und so viele gute Dinge bringt. Ich habe einmal gesagt, als wir über China flogen, auf dem Rückweg von Korea, dass ich sehr gerne nach China gehen würde. Ich liebe das chinesische Volk, ich mag es, und ich hoffe, dass es die Möglichkeit geben wird, gute Beziehungen zu haben. Wir haben Kontakt, wir sprechen, es geht vorwärts. Für mich, ein Land zum Freund zu haben wie China, mit so viel Kultur und so viel Möglichkeit, Gutes zu tun, wäre eine Freude“ (w2.vatican.va/content/francesco/it/speeches/2015/september/documents/papa-francesco_20150927_usa-conferenza-stampa.html).
28. September 2015:
Jahrestag der Occupy-Bewegung in Hongkong
Zum Jahrestag des Beginns der Hongkonger Proteste für mehr Demokratie und ein allgemeines Wahlrecht im vergangenen Jahr versammelten sich rund 1.000 Menschen vor dem Regierungssitz in Hongkong zu 15 Schweigeminuten und einer Kundgebung.
An einem Gebetstreffen am selben Abend vor dem Gebäude des Legislativrates – veranstaltet von der Kommission Justitia et Pax der Diözese Hongkong – nahm neben 100 Gläubigen auch Kardinal Joseph Zen, Bischof emeritus von Hongkong, teil. Er rief die Teilnehmer zur Einheit auf. Zuvor hatte er zusammen mit 150 Katholiken vor dem Regierungsviertel eine Heilige Messe im Freien gefeiert. Diese wurde von den „Yellow Umbrella Christian Base Communities“ vorbereitet, einer Gruppe katholischer Laien, die seit Beginn der Bewegung jeden Sonntagnachmittag eine Heilige Messe im Freien veranstaltet. Die Gruppe setzt sich auch für diejenigen ein, die im Rahmen der Regenschirmbewegung verhaftet wurden.
Kardinal John Tong, Bischof von Hongkong, hatte nicht aktiv an den Protesten teilgenommen, sich jedoch wiederholt schriftlich dazu geäußert und zum Dialog aufgerufen. In einem Interview mit UCAN im August äußerte er sich positiv zur Demokratiebewegung: „Dies bedeutet, dass Hongkong eine freie Gesellschaft ist.“ Den Dialog hält er weiterhin für entscheidend: „Dialog bedeutet nicht, dass … wir nicht über politische Fragen reden. Wir müssen weiter darüber reden, weil es Teil unseres Lebens ist“ (UCAN 29.09.).
28. September 2015:
„Klimapilger“ in Hongkong
250 Personen verschiedener Glaubensrichtungen – Buddhisten, Juden, Muslime, Christen, Hindus und Anhänger der Bahai- und der Sikh-Religion sowie von Brahma Kumaris – versammelten sich am 28. September auf der Insel Lantau zu einer Klimawallfahrt. Diese wurde vom Hongkonger Interreligiösen Klimanetzwerk im Hinblick auf den am 30. November beginnenden Weltklimagipfel in Paris veranstaltet. Ähnliche Aktionen gab es weltweit. Ciara Shannon, die Vorsitzende des Netzwerks, sagte: „Der Pilgermarsch für Klimaschutz ist ein positiver und friedlicher Weg für Gläubige wie Nichtgläubige, um zu einem starken und ambitionierten UN-Klimaabkommen und 100 Prozent sauberer Energie aufzurufen.“ Sie verwies dabei auch auf die Enzyklika Laudato Si’ von Papst Franziskus wie auch die Islamische Erklärung zum Klimawandel. Der Hongkonger Klimamarsch machte mehrfach Station, begleitet von Reflektionen von Bhikku Phap Kham, dem Direktor des Asiatischen Instituts für Angewandten Buddhismus, Rev. Catherine Graham von der St. John’s Cathedral und Weihbischof Joseph Ha Chi-shing, dem geistlichen Leiter der diözesanen Kommission Justitia et Pax.
Ciara Shannon verwies auch auf die Globale Katholische Klimabewegung, die im Vorfeld des Weltklimagipfels Unterschriften sammelte, die in Paris überreicht werden sollten. Das Hongkonger Netzwerk hatte im Übrigen die Januar-Erklärung des Kolloquiums der sechs Religionsführer Hongkongs zum Klimawandel unterstützt (Hong Kong Sunday Examiner 17.10.; catholicclimatemovement.global; vgl. China heute 2015, Nr. 1, Chronik, 22. Januar 2015).
30. September 2015:
Chinesisches Außenministerium erwidert freundliche Geste des Papstes – „China aufrichtig bezüglich der Verbesserung der Beziehungen mit dem Vatikan“
Papst Franziskus hatte während seines Rückflugs aus den USA am 27. September zu Journalisten gesagt, er liebe China und hoffe auf die Möglichkeit guter Beziehungen. Hong Lei, Sprecher des chinesischen Außenministeriums, sagte der staatlichen Global Times am 29. September: „China ist aufrichtig bezüglich der Verbesserung der Beziehungen mit dem Vatikan und hat sich stetig darum bemüht.“ Die Zeitung berichtete auch über den beim Rückflug von Korea im August 2014 geäußerten Wunsch des Papstes, China zu besuchen, und sein Grußtelegramm an Präsident Xi. Der Artikel, der auch die offene Frage der Bischofsernennungen anspricht, sieht dennoch eine Entspannung zwischen China und dem Vatikan im Bereich des Möglichen, da sich beide Seiten im Lauf der Jahre sehr geändert hätten. Zitiert wird eine frühere Äußerung des Religionswissenschaftlers Yang Fenggang (Purdue University, USA), die auf Ähnlichkeiten zwischen den „zwei Führern“ hinweise, nämlich dass Papst Franziskus aus einem Entwicklungsland komme und für Reform und Antikorruption in der Kirche eintrete. Katholizismusforscherin Wang Meixiu (Chinesische Akademie der Sozialwissenschaften) wird mit der Aussage zitiert: „Untergrundkirchen und die mangelnde Autorität mancher Bischöfe sind zu einem Problem geworden, das Auswirkungen auf die Stabilität der chinesischen Gesellschaft haben kann. Ohne den Vatikan können wir diese Probleme nicht lösen“ (Global Times 30.09.).
Vgl. China heute 2014, Nr. 3, S. 140-143; Eintrag vom 27. September 2015.
Katharina Feith
Katharina Wenzel-Teuber
Alle Quellenangaben in der „Chronik“ beziehen sich, wenn nicht anders angegeben, auf das Jahr 2015.
Aus China heute 2015, Nr. 3, S. 148-155, und Nr. 4, S. 219-220.
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