China heute 215 Chronik zu Religion und Kirche in China 21. Juni bis 29. September 2022

Die „Chronik zu Religion und Kirche in China“ erscheint seit Anfang 2010 regelmäßig in den Informationen von China heute. Da manche Nachrichten (der Redaktion) erst später bekannt werden, kann es zu Überschneidungen zwischen den Chroniken kommen, wobei jeweils in der vorangegangenen Nummer bereits erwähnte Ereignisse nicht noch einmal aufgeführt werden. Alle Chroniken finden sich auch online auf der Website des China-Zentrums (www.china-zentrum.de).
Der Berichtszeitraum der letzten Chronik (2022, Nr. 2, S. 82-89) reichte bis einschließlich 5. Juli 2022.

Politik

29.–30. Juli 2022:
Zentrale Konferenz zur Einheitsfront­arbeit mit Rede Xi Jinpings
Xi Jinping bezeichnete in seiner programmatischen Rede die Einheitsfront als „wichtige magische Waffe [fabao 法宝], um siegreich den Feind zu überwinden, die Macht auszuüben, das Land zu stärken und alle chinesischen Söhne und Töchter im In- und Ausland zu vereinen und so das große Wiedererstarken der chinesischen Nation zu erreichen“. Ob die Herzen der Menschen zugewandt seien, entscheide über Erfolg oder Misserfolg der Partei und der Sache des Volkes. Angesichts der beispiellosen Veränderungen in der Welt sei die Rolle der Einheitsfront bei der Wahrung der Souveränität, der Sicherheit und der Entwicklungsinteressen der Nation wichtiger denn je, so Xi. Die Notwendigkeit der Herstellung von „Konsens“ (gongshi 共识) wird betont. Mit Blick auf die Religionen, die nach der Parteidoktrin zu den von der Einheitsfront zu vereinenden gesellschaftlichen Gruppen gehören, wiederholte Xi in seiner Rede den Satz: „An der Ausrichtung der Religionen auf Sinisierung ist festzuhalten.“ Er hatte ihn erstmals in seiner Rede auf der Zentralen Konferenz zur Einheitsfrontarbeit im Mai 2015 vorgebracht.
Seit der Verfassungsreform von März 2018 werden die Religionen direkt von der Einheitsfrontabteilung der Kommunistischen Partei Chinas beaufsichtigt (www.gov.cn/xinwen/2022-07/30/content_5703635.htm). kwt

Religionspolitik

26. Juli 2022:
Neue offizielle Liste der xiejiao (häretischen Lehren) enthält erstmals eine Gruppe mit ufologischem Hintergrund
23 Gruppen werden in der Liste, die auf dem Portal des staatlichen Chinesischen Anti-Kult-Netzwerks erschien, als xiejiao 邪教 identifiziert. Sie werden nach ihrem religiösen Hintergrund folgendermaßen eingeteilt: Zwei praktizieren laut Liste unter dem qigong-Banner – Falungong 法轮功 und Riyue qigong 日月气功. Vier benutzen den Namen des Buddhismus – Guanyin famen 观音法门, Lingxian zhen fozong 灵仙真佛宗 (True Buddha School), Yuandun famen 圆顿法门 und Huazang zongmen 华藏宗门. 16 praktizieren im Namen des Christentums, die aktivsten von ihnen sind laut Liste Quanneng shen 全能神 (Lehre vom allmächtigen Gott), Mentuhui 门徒会 (Jüngergemeinschaft), Huhanpai 呼喊派 (Shouter), Sanban puren 三班仆人 (Three Grades of Servants) und Xueshui shengling 血水圣灵 (Bloody Holy Spirit). Eine Gruppe praktiziert unter dem Banner der Außerirdischen, nämlich Yinhe lianbang 银河联邦 (Galaktische Föderation). Laut Bitter Winter hat in China die Verbreitung von UFO-Theorien seit Ausbruch der Pandemie deutlich zugenommen. Die Kategorie der Außerirdischen gab es nach Angaben von Bitter Winter in der letzten xiejiao-Liste von 2017 noch nicht. Diese enthielt 22 Gruppen. Die Liste mit dem Titel 警惕! 警惕! 警惕! 这些都是邪教 (Achtung! Achtung! Achtung! Das alles sind häretische Lehren) findet sich unter www.chinafxj.cn/n47/c805824/content.html; Erläuterungen von Bitter Winter unter https://bitterwinter.org/xie-jiao-china-updates-the-list-some-new-entries).
§ 300 des Strafrechts behandelt den Straftatbestand „Organisation und Nutzung von Geheimgesellschaften oder häretischen Kultorganisationen oder Nutzung von Aberglauben zur Untergrabung der Rechtsdurchsetzung“. Nach einer Interpretation des Oberstes Volksgerichts und der Obersten Volksstaatsanwaltschaft von 2017 können bestimmte Aktivitäten zur Verbreitung einer xiejiao mit Haftstrafen zwischen drei und sieben Jahren geahndet werden. kwt

1. September 2022:
Ablauf der Übergangsfrist für den verpflichtenden Erwerb der neuen „Lizenz für religiöse Informationsdienste im Internet“
Die Websites der offiziellen Vereinigungen der fünf staatlich anerkannten Religionen verfügen inzwischen alle über die entsprechende Lizenz, die im Impressum unten auf der Website zu sehen ist. So hat beispielsweise die Website der Chinesischen daoistischen Vereinigung, www.taoist.org.cn, die Lizenznummer 国 (2022) 0000002, d.h. sie hat die zweite von der Religionsbehörde auf nationaler Ebene ausgestellte Lizenz. Über den Lizenzerwerb bzw. das Fortbestehen anderer religiöser Internet-Angebote konnte noch keine Übersicht gewonnen werden; sicher ist, dass das Angebot deutlich kleiner geworden ist. Seit 1. März 2022 müssen nach den neuen „Maßnahmen für die Verwaltung religiöser Informationsdienste im Internet“ alle, die über ein Online-Medium Informationen über Religion öffentlich anbieten wollen, zuvor eine „Lizenz für religiöse Informationsdienste im Internet“ (互联网宗教信息服务许可证) erwerben. Antragstellende Organisationen müssen nachweisen, dass sie über qualifizierte Informationsprüfer verfügen.
Siehe auch den Eintrag vom 1. September 2022 in der Rubrik „Katholische Kirche“. kwt

Religionswissenschaft

5. September 2022:
Online-Konferenz über Kirchenrecht und chinesisches Recht mit Fachleuten chinesischer, italienischer und päpstlicher Institute, veranstaltet vom Pu Shi Institute of Social Science und der Università di Camerino
Das in Beijing ansässige Pu Shi Institute berichtete auf seiner Website: „Experten und Wissenschaftler der Peking University, der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften, der China University of Political Science and Law, der Universität Camerino, der Universität von Neapel Federico II, der Päpstlichen Universität Santa Croce und des Päpstlichen Rates für die Gesetzestexte befassten sich u.a. mit den Themen ‚Religionen und Rechtsstaatlichkeit in China‘, ‚Die Macht [quanli 权力] der [päpstlichen] Kurie und die globale katholische Kirche‘, ‚Der Jurisdiktionsbereich der Kurie und ihr Verhältnis zum Staat‘, ‚Die Autonomie der Ortskirchen in der Neuorganisation der Römischen Kurie‘, ‚Das Aufeinandertreffen der Macht der Kurie mit dem Religionsartikel der chinesischen Verfassung‘.“ Dem Pu Shi Institute zufolge war dies die erste Austauschveranstaltung chinesischer und italienischer Wissenschaftler zum Thema Kirchenrecht (www.pacilution.com/ShowArticle.asp?ArticleID=12670).
Das Pu Shi Institute wurde 1999 von Professor Liu Peng als nicht-staatlicher Think Tank gegründet, es befasst sich mit dem Verhältnis von Religion und Staat, insbesondere mit der Gesetzgebung zu Religion. Siehe hierzu auch „Ein Religionsgesetz ist die Grundlage für einen rechtsstaatlichen Umgang mit den Religionen. Interview mit Liu Peng“, in: China heute 2015, Nr. 4, Dokumentation. kwt

Daoismus

20.–21. Juli 2022:
Online-Austausch zwischen Daoisten in China und im Westen
Das virtuelle Treffen wurde von der Chinesischen daoistischen Vereinigung (CDV) organisiert. Einem Bericht auf der Website der CDV zufolge war das Ziel der Veranstaltung, „den Austausch zu verstärken, die Zusammenarbeit zu vertiefen und die Verbreitung der daoistischen Kultur außerhalb Chinas zu fördern“. Neben Daoisten der CDV beteiligten sich Vertreterinnen und Vertreter daoistischer Organisationen aus 13 Ländern Europas, Amerikas und Ozeaniens an dem Austausch. Auch ein oder mehrere zuständige Genossen der Zentralen Einheitsfrontabteilung der KP Chinas nahmen teil. In seiner Rede lobte Li Guangfu, der Präsident der CDV, die daoistischen Organisationen für ihre Bemühungen, die Verbreitung des Daoismus in ihren jeweiligen Ländern zu fördern. Der Daoismus müsse durch Weisheit und Kraft zum Aufbau der Schicksalsgemeinschaft der Menschheit beitragen. Li Guangfu schlug vor, gemeinsam an der Ausbildung internationalisierter daoistischer Talente zu arbeiten. Die Vertreter der ausländischen Organisationen stellten ihre Arbeit vor, sprachen über Schwierigkeiten und machten Vorschläge für den künftigen Austausch (www.taoist.org.cn/showInfoContent.do?id=8182&p=‘p‘). kwt

Buddhismus

Juli 2022:
Buddhistische Vereinigung der Stadt Yunfu in Guangdong fordert Tempel auf, sich der „illegalen Missionierung“ durch Mönche des tibetischen Buddhismus zu widersetzen
In den letzten Jahren seien die illegalen Missionstätigkeiten tibetischer buddhistischer Mönche im „Binnenland“ ein wachsendes Problem, heißt es in der im Juli herausgegebenen Bekanntmachung. Dies sei ein ernster Angriff auf die Verbreitung der Lehren des Mayahana- und des Chan-Buddhismus. Einige „gesetzlose Gesellen“, die sich als Lebende Buddhas ausgäben, würben Anhänger, erschwindelten Geld und Sex oder unterstützten sogar separatistische Aktivitäten. Gemäß staatlichen Vorschriften sei es für Mönche des tibetischen Buddhismus illegal, sich eigenmächtig ohne Genehmigung aus Tibet zu entfernen, um den Dharma zu verbreiten und Schüler anzunehmen. „Um die Interessen der Gläubigen zu wahren und die reine Weitergabe der Lehre des Buddha und der wahren Linie des Chan-Buddhismus zu schützen“, weist die Buddhistische Vereinigung der Stadt Yunfu die lokalen Buddhistischen Vereinigungen und Tempel auf ihrem Gebiet an, sich dieser Missionierung zu widersetzen. Erstens sollen sich alle hauptsächlich dem Chan-Buddhismus widmen, dies sei ein historischer Auftrag, da der große Chan-Meister Huineng (638–713) aus Yunfu stamme. Kein Kloster dürfe Mönche des tibetischen Buddhismus ohne Genehmigung aufnehmen und heimlich Anhänger werben lassen. Dem Sangha der Klöster sei es nicht erlaubt, entgegen der Religionspolitik und der religiösen Vorschriften und Lehren gemeinsam mit Mönchen des tibetischen Buddhismus den Dharma zu verbreiten oder eigenmächtig den tibetischen Buddhismus zu studieren. Drittens müsse auch Widerstand gegen Infiltration von Mönchen des tibetischen Buddhismus aus dem Ausland geleistet werden – heißt es in der Bekanntmachung. Der Text der Bekanntmachung wurde am 22. Juli durch den Blog Weiquanwang (Rights Protection Network) öffentlich gemacht (https://wqw2010.blogspot.com/2022/07/blog-post_22.html).
Es gibt schon seit einiger Zeit Berichte, dass die chinesischen Behörden versuchen, die Ausbreitung des tibetischen Buddhismus unter der Han-Bevölkerung zu unterbinden (siehe hierzu u.a. China heute 2022, Nr. 1, Chronik, Buddhismus, 20. Januar 2022 über einen Bericht der International Campaign for Tibet). Nach § 34 der „Maßnahmen für die Verwaltung religiöser Amtsträger“ von 2021 muss zudem religiöses Personal aller Religionen für provinzüberschreitende religiöse Aktivitäten grundsätzlich eine Genehmigung der Religionsbehörden einholen. kwt

21. Juli 2022:
Fotos mit im Nanjinger Xuanzang-Tempel aufgestellten Gedenktafeln für japanische Kriegsverbrecher gehen viral – Entrüstung und Aufruf zu stärkerer Überwachung religiöser Stätten
Nach Darstellung chinesischer Medien hatte bereits im Februar eine Tempelbesucherin die Tafeln entdeckt und Fotos gemacht. Sie informierte den Tempel, der sie sofort entfernte. Erst am 21. Juli postete dann jemand Fotos dieser Tafeln auf Sina Weibo, wo der Hashtag „Nanjing Xuanzang-Tempel“ laut der parteinahen Global Times bis zum nächsten Tag über 880 Mio. Klicks erhielt und Netzbürger strenge Bestrafung forderten. Am 22. Juli wurde der Abt des Klosters entfernt, weil er den Vorfall im Februar nicht sofort den Behörden gemeldet hatte, und der Tempel wurde zur „Rektifizierung“ geschlossen, auch der Leiter des Religionsbüros des Stadtbezirks wurde entlassen. Am 24. Juli gab – so ein Bericht in Global Times – die Nanjinger Stadtregierung die Verhaftung einer Frau namens Wu Aping bekannt. Diese habe im Dezember 2017 Gedenktafeln mit den Namen von fünf japanischen Kriegsverbrechern, die sie gegenüber den Mönchen als ihre Freunde ausgab, in den Tempel gebracht und ihre Aufstellung für fünf Jahre im Voraus bezahlt. Alle fünf, darunter Generalleutnant Tani Hisao und General Matsui Iwane, waren in Kriegsverbrecherprozessen in Nanjing oder Tōkyō als maßgeblich Verantwortliche für das Nanjing-Massaker zum Tode verurteilt worden. Die japanischen Truppen hatten nach ihrer Eroberung der Stadt Nanjing im Dezember 1937 200.000 bis 300.000 Zivilisten und Kriegsgefangene ermordet. Wu ließ ferner eine Tafel für die amerikanische Missionarin Minnie Vautrin aufstellen, die damals bis zu 10.000 chinesischen Flüchtlingen, insbesondere Frauen und Kindern, in dem von ihr geleiteten protestantischen Jinling Women’s College in Nanjing Zuflucht gab und sich 1941 in den USA wegen des in dieser Zeit erlittenen Traumas das Leben nahm. Laut Global Times litt Wu Aping ihrem Geständnis zufolge psychisch unter der Geschichte des Massakers, wandte sich dem Buddhismus zu und kam auf den Gedanken, durch die Gedenktafeln im Tempel „Groll zu lösen“ und „Leiden loszuwerden“. Mit dieser „selbstsüchtigen Tat aus falschem Verständnis“ habe sie schwer gegen die „buddhistische Lehre, Gutes zu fördern und Böses zu bestrafen“, verstoßen, der öffentlichen Ordnung geschadet und die Gefühle des Volkes verletzt, so die Regierung von Nanjing am 24. Juli; sie sei des Verbrechens „Provozieren von Streit und Unruhestiftung“ verdächtig.
Laut Global Times offenbarte der Vorfall „Schlupflöcher“ in der städtischen Verwaltung der religiösen Stätten. Am 26. Juli rief das Nationale Büro für religiöse Angelegenheiten (NBRA) in einem Rundschreiben alle religiösen Stätten des Landes auf, eine Lehre aus dem „schlimmen Vorfall im Xuanzang-Tempel“ zu ziehen sowie Selbstprüfung und Berichtigung zu betreiben; sie forderte außerdem mehr Überwachung und Inspektion der religiösen Stätten, Schulen und Organisationen an allen Orten (bitterwinter.org 29.07.; globaltimes.cn 22.,25.07.; scmp.com 22.07.; sixthtone.com 27.07.; www.chinacatholic.cn/html/report/22070554-1.htm [Rundschreiben des NBRA]). kwt

29. September 2022:
Kashag veröffentlicht Positionspapier zur Reinkarnation des 14. Dalai Lama – er wird „das reife Alter von 113 Jahren erreichen“
Das Papier des Kashag (des Kabinetts der tibetischen Exilregierung) erinnert daran, dass die Regierung der Volksrepublik China mit dem Erlass der „Verwaltungsmaßnahmen für die Reinkarnation Lebender Buddhas des tibetischen Buddhismus“ im Jahr 2007 die Anerkennung von Reinkarnationen unter ihre Kontrolle gestellt habe und zudem ihr Narrativ zu Reinkarnation im Allgemeinen und der des Dalai Lama im Besonderen unter den Ordinierten und Laien in Tibet zu verbreiten suche. Auch in- und außerhalb der [exiltibetischen] Kommunität werde das Thema diskutiert. Daher empfinde der Kashag es als notwendig, ein Positionspapier für jedermanns Information vorzulegen. „Der Kashag ist der festen Überzeugung, dass Seine Heiligkeit das reife Alter von 113 Jahren erreichen wird, gemäß den prophetischen Vorhersagen und den wiederholten Zusicherungen Seiner Heiligkeit des Dalai Lama.“ Weiter heißt es in dem Papier, dass die Statements, die der Dalai Lama seit 1969 zur Frage seiner Reinkarnation abgegeben hat, und alle künftigen Weisungen naturgemäß ganz in seinem Ermessen liegen. Keine Regierung und keine Einzelperson habe das Recht, sich in die Sache einzumischen. „Diese religiöse Aktivität muss gemäß den Verantwortlichkeiten durchgeführt werden, die Seine Heiligkeit der Dalai Lama festlegt und anvertraut“ (https://tibet.net/kashags-position-on-the-issue-of-reincarnation-of-his-holiness-the-14th-dalai-lama/). Das Papier erwähnt auch die Erklärung, die der Dalai Lama am 24. September 2011 zur Frage seiner Reinkarnation abgab (deutsche Übersetzung in China heute 2012, Nr. 1, Dokumentation). Damals erklärte er, dass die Person, die reinkarniert, die alleinige Befugnis besitzt, darüber zu entscheiden, wo oder wie ihre Wiedergeburt erfolgt. Der Dalai Lama wurde am 6. Juli 87 Jahre alt. kwt

Islam

14. September 2022:
Radio Free Asia: Doudian-Moschee in Beijing wird umgebaut, um arabische Stilelemente zu entfernen – „Sinisierung“ weiterer Hui-Moscheen
Die erst 2013 fertiggestellte Moschee in Doudiancun 窦店村 im Beijinger Stadtbezirk Fangshan ist laut Radio Free Asia (RFA) die größte Nordchinas, sie bietet 1.500 Betenden Platz. Fotos im Internet zeigen sie im orientalischen Stil mit Kuppeln und Minaretten. Laut RFA begannen die Umbauten im August und sollen bis 1. Mai 2023 abgeschlossen sein. Der Sender berichtet, dass Xi Wuyi kürzlich Fotos und Beschreibungen der Renovierung der Doudian-Moschee gepostet habe mit dem Kommentar, dies zeige „den ordentlichen Fortschritt der ... Sinisierung der Religion in China“. Xi Wuyi ist Marxismusforscherin an der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften und schon häufiger mit Kritik an religiösen Phänomenen hervorgetreten. Ein Artikel aus der Entstehungszeit der Doudian-Moschee verdeutlicht den in den letzten 11 Jahren erfolgten Wandel in der Einstellung der politischen Planer. Ein Autor namens Li Hong schrieb in der Septemberausgabe 2013 der Zeitschrift Zhongguo minzu (Chinas Nationalitäten), dass ein Viertel der Bevölkerung von Doudiancun der muslimischen Hui-Nationalität angehöre; bereits seit 1713 gab es dort eine Moschee. Im Jahr 2010 sei ein Bebauungsplan aufgestellt worden, in dem Doudiancun als „Dorf mit ethnischen Besonderheiten“ vorgesehen war. Die „majestätische“ neue Moschee mit ihren „starken islamischen Besonderheiten“, ergänzt durch eine 1.550 Meter lange „Geschäftsstraße mit ethnisch-muslimischen Merkmalen“, solle auch Muslime aus dem Umland anziehen, Handel und Tourismus fördern und die „Marke Doudiancun“ bekannt machen, so der Autor damals.
RFA zufolge haben die Behörden im Juli 2021 auch den Umbau der Dongguan-Moschee 东关清真大寺 in Xining in der Provinz Qinghai angekündigt, ebenfalls ein großer Bau im orientalischen Stil mit Kuppel und Minaretten. Bitter Winter machte darauf aufmerksam, dass man in einem CCTV-Fernsehbericht über einen Besuch von Wang Yang, dem Vorsitzenden der Politischen Konsultativkonferenz des chinesischen Volkes, Ende Juni in Xining eine Tafel mit Bildern der Dongguan-Moschee vor und nach der „Rektifizierung“ (zhenggai 整改) sieht – auf dem Danach-Bild ist die Kuppel durch ein geschwungenes chinesisches Dach ersetzt und das Minarett pagodisiert (http://nrra.gov.cn/art/2022/7/1/art_624_195728.html, Szene am Ende des Films). Nach Informationen von Bitter Winter soll außerdem während des Lockdowns in Shanghai die goldene Kuppel vom Shanghaier Hui-Friedhof in Weijiajiao entfernt worden sein, zudem habe am 24. August 2022 die „Sinisierung“ der Zhaotong East Mosque 昭通东大寺 in der Provinz Yunnan begonnen (bitterwinter.org 23.09.; rfa.org 13.09.; www.56-china.com.cn/show-case-1027.html). kwt

Protestantische Kirchen

13. Juli 2022:
Pastor Geng Zejun zu einem Jahr und drei Monaten Haft verurteilt
Am 13. Juli 2022 verhandelte das Bezirksgericht Huinong der Stadt Shizuishan, Autonomes Gebiet Ningxia, den Fall von Pastor Geng Zejun 耿则军 und Gemeindemitarbeiterinnen Luo Shiping und Wang Sufang der lokalen Church of the Rock 石教会. Ihnen wurde die Organisation illegaler Versammlungen zur Last gelegt. Bei einer Razzia im Januar waren Bibeln, Gesangbücher und 250.000 RMB (etwa 36.000 Euro) von den Behörden beschlagnahmt worden. Pastor Geng Zejun bestand während der Verhandlung darauf, nicht mit der offiziellen Kirche kooperieren zu wollen, und sagte, dass Versammlungen von Christen kein Verbrechen seien. Für ihn wurde eine Haftstrafe von einem Jahr und drei Monaten im Urteil festgesetzt. Die beiden Gemeindeschwestern wurden zu jeweils sechs Monaten Gefängnis verurteilt (bitterwinter.org 22.08.; chinaaid.net 19.08.).
Isabel Friemann, China Infostelle

17. August 2022:
Festnahme von Pastor der Nu-Minorität in Yunnan
Obwohl er einen Abschluss des Theologischen Seminars der Provinz Yunnan hat, einer Institution des Chinesischen Christenrates, wurde Pastor Wang Shunping 王顺平 am 17. August festgenommen. Die Anklage lautet auf „Verdacht der Organisation und Finanzierung illegaler Versammlungen“. Pastor Wang gehört der ethnischen Gruppierung der Nu an. Zurzeit befindet er sich im Untersuchungsgefängnis des Landkreises Fugong (bitterwinter.org 19.09.; chinaaid.net 19.08.).
Isabel Friemann, China Infostelle

19. August 2022:
Festnahmen von Mitgliedern der Linfen Covenant Church, Provinz Shanxi, nach Camp für Eltern und Kinder
Ein unter freiem Himmel von der Linfen Covenant Church durchgeführtes Camp für Eltern und Kinder wurde am 19. August von einem Großaufgebot an Polizeikräften aufgelöst. Es kam zur Konfiszierung von Handys, Befragungen, Festnahmen, Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmungen. Mit der Anklage auf Betrug (诈骗罪) erging am 2. September strafrechtlicher Arrestbefehl an Pastor Li Jie 李洁, am 3. September auch an seine Frau Li Shanshan 李珊珊. Die beiden und Prediger Han Xiaodong 韩晓栋 befinden sich zurzeit im Haftzentrum in Yadu, Provinz Shanxi. Am 30. September wurden Li Jie und Han Xiaodong formell verhaftet. Pastor Li Jie gehörte zu den Unterzeichnern der „Gemeinsamen Erklärung von Pastoren: Ein Ruf für den Glauben an Christus“ (siehe China heute 2018, Nr. 3, Dokumentation). Die von Pastor Wang Yi geschriebene Erklärung war ein Plädoyer für die Rechtmäßigkeit und legale Anerkennung der nicht-registrierten Kirchen in China (bitterwinter.org 3.10.; chinaaid.net 3.09.)
Isabel Friemann, China Infostelle

21. August 2022:
Verbot der Fengsheng-Hauskirche in Xi’an
In einem offenen Brief prangerte Lian Changnian 廉长年, Hauptpastor der vor mehr als 30 Jahren gegründeten Fengsheng-Kirche 丰盛教堂, am 10. August 2022 das Vorgehen der Polizei des Bezirks Shilipu gegen Mitglieder seiner Gemeinde an. Er beschreibt Festnahmen, Hausdurchsuchungen, Befragungen an der Tür und Drohungen mit Verlust von Arbeitsplätzen sowie schulischen Ausbildungschancen der Kinder. Außerdem weist Pastor Lian Korruptionsvorwürfe gegen seine Person zurück. Er fordert zum Gebet und solidarischer Fürsprache bei der Polizeibehörde auf. Am 21. August erging von der Stadt Xi’an das schriftliche Verbot der Fengsheng-Kirche als illegaler Organisation, die nicht registriert ist und ohne Genehmigung Veranstaltungen durchführt und soziale Medien nutzt (bitterwinter.org 11.08; https://msguancha.com/a/lanmu13/2022/0823/22187.html; Twitter: Paul@cngovdefraud 21.08.).
Isabel Friemann, China Infostelle

31. August – 8. September 2022:
Chinesische Repräsentanz bei der Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen in Karlsruhe
An der 11. Vollversammlung des ÖRK, die vom 31. August bis 8. September in Karlsruhe stattfand, nahmen verschiedene Delegationen aus dem chinesischen Raum teil. Neben der siebenköpfigen Delegation des Chinesischen Christenrates (China Christian Council, CCC) unter Leitung von Präsident Rev. Wu Wei aus Shanghai waren u.a. der Lutherische Kirchenverband aus Hongkong und die presbyterianische Kirche aus Taiwan bei der internationalen Konferenz vertreten. Das Thema der nationalen Einheit des Landes wurde in mehreren Workshops kontrovers diskutiert (siehe hierzu den Bericht in den Informationen).
Isabel Friemann, China Infostelle

31. August – 8. September 2022:
Chinesischer Christenrat im Zentralausschuss des ÖRK
In das höchste Leitungsgremium des ÖRK, den Zentralausschuss, ist zum zweiten Mal Frau Pastorin Dr. Lin Manhong als eine Stellvertreterin des Chinesischen Christenrates gewählt worden. Frau Lin ist Vorsitzende des Bereichs theologische Ausbildung im CCC und Dozentin für chinesische Kirchengeschichte am Nanjing Union Theological Seminary. Den Blick auf die weltweite Ökumene stärker in die theologische Ausbildung mit einzubeziehen, ist ihr ein besonderes Anliegen. Rev. Kan Baoping, der bereits zum dritten Mal für den CCC an einer ÖRK-Vollversammlung teilnahm, kandidierte nicht wieder für die Teilnahme in diesem Gremium. An seiner Stelle übernahm Frau Gu Jingqin, Leiterin der Abteilung für internationale Beziehungen von Christenrat und Drei-Selbst-Bewegung, das Amt.
Isabel Friemann, China Infostelle

9. September 2022:
Sunshine Reformed Church als illegale Organisation verboten
Am 9. September klassifizierte das Büro für zivile Angelegenheiten der Stadt Changchun, Provinz Jilin, die Sunshine Reformed Church 阳光之家归正教会 als nicht registrierte und damit illegale zivile und soziale Organisation. Alle weiteren Aktivitäten der Gemeinde stehen unter Verbot. Ein Gottesdienst der Gemeinde am 21. August war von Polizeikräften unterbrochen, Pastor Guo Muyun 郭幕云 und acht weitere waren Gemeindeglieder festgenommen worden (bitterwinter.org 20.09.; http://mzj.changchun.gov.cn/zwdt/tzgg/202209/t20220907_3060330.html; www.rfa.org/mandarin/Xinwen/2-09162022093205.html).
Isabel Friemann, China Infostelle

Katholische Kirche

10. Juli 2022:
James Su Zhimin: 90-jähriger Geburtstag eines verschwundenen Untergrundbischofs
Am 10. Juli stand der 90-jährige Geburtstag von Untergrundbischof Su Zhimin in der Diözese Baoding in Hebei an. Zumindest wurde nach einem Bericht von Bitter Winter in der Regel an diesem Tag sein Geburtstag gefeiert, auch wenn einige offizielle Dokumente den 1. Juli 1932 als Geburtsdatum angeben. Allerdings ist der Bischof seit 1997 im Gefängnis und wurde zum letzten Mal 2003 zufällig in einem Krankenhaus von Gläubigen gesehen; es ist nicht bestätigt, ob er noch lebt. Die Behörden hatten Feierlichkeiten streng verboten, dennoch versammelten sich, so Bitter Winter, Katholiken zu Messen und zum Gebet in Privaträumen. Die Situation in einer der bisherigen Hochburgen der Untergrundkirche Chinas gestaltet sich schwierig. Auch der zweite Bischof in Baoding, An Shuxin, war bis 2006 in Haft. Nach seiner Entlassung trat er der Patriotischen Vereinigung bei und wurde vom Vatikan zum Diözesanadministrator ernannt. Mit seinem Eintritt in die offizielle Kirche verkomplizierte sich die Lage in Baoding, da viele Priester und Gläubige Bischof An nicht folgen wollten. In einem „Hirtenbrief zur zivilen Registrierung der Kleriker in der Diözese Baoding“ vom 15. Juni 2022 bezeichnete Bischof An sich selbst als „Leiter der Diözese“ und sprach davon, dass im Verlauf der vergangenen Monate mehr als 30 Priester mit ihm, dem „Diözesanbischof“, gemeinsam Gottesdienst gefeiert hätten, das heißt sich haben registrieren lassen. Wer ihm nicht folge, dem würden die Sakramente verweigert. Seit der Veröffentlichung der „Pastoralen Richtlinien des Heiligen Stuhls zur zivilen Registrierung des Klerus in China“ am 28. Juni 2019 übt die Regierung allerorts starken Druck auf die Untergrundpriester aus, sich registrieren zu lassen. Dies zeigt vielerorts Wirkung, obgleich der Widerstand in Baoding weiterhin groß ist und viele Gläubige die registrierten Priester nicht akzeptieren. Seit Januar 2022 wurden mindestens zehn Priester der Diözese verhaftet.
Bischof Su Zhimin wurde zwischen 1956 und 1975 dreimal verhaftet. Nach seiner Freilassung 1979 studierte er im Untergrund und wurde 1981 mit 49 Jahren zum Priester geweiht. Ein Jahr später wurde er erneut verhaftet und 1986 wieder freigelassen. 1993 wurde er im Untergrund zum Bischof geweiht und 1995 vom Heiligen Stuhl zum Diözesanbischof von Baoding ernannt. Danach folgten weitere Verhaftungen und Hausarrest. 2015 sei seiner Familie, so Bitter Winter, mitgeteilt worden, dass der Bischof am Leben sei und freigelassen werde, wenn der Vatikan seine Beziehungen mit China „verbessere“. Die Katholiken in Baoding hatten gehofft, dass dies nach Unterzeichnung des sino-vatikanischen Abkommens über die Ernennung von Bischöfen 2018 geschieht, was jedoch nicht der Fall war. Möglicherweise ist der Bischof nicht mehr am Leben (AsiaNews 15.07.; bitterwinter.org 12.07.; siehe auch die Dokumentation dieser Nummer). kf

16./17. Juli 2022:
Wiederöffnung der Kathedrale von Beijing nach sechs Monaten pandemiebedingter Schließung mit Taufe von 101 Katechumenen – „erste heilige Messe des Jahres“ in Hohhot
Am Tag der Wiederöffnung, dem 16. Juli, hätten die Gläubigen bereits im Morgengrauen vor den Toren der Beijinger Kathedrale gewartet, in Vorfreude darauf, wieder gemeinsam den Glauben praktizieren zu dürfen – schreibt die Nachrichtenagentur Fides. Am Nachmittag wurden die Teilnehmer des Taufbewerberkurses getauft, erhielten zum ersten Mal die heilige Kommunion und wurden von Bischof Li Shan gefirmt.
Am 17. Juli durfte laut einem Bericht von Xinde die Ostkirche in der Stadt Hohhot in der Inneren Mongolei wieder öffnen und Bischof Meng Qinglu konnte dort „die erste heilige Messe in diesem Jahr“ feiern. Auch in der Diözese Xi’an konnten im Juli die Kirchen nach der als Präventionsmaßnahme verhängten Schließung wieder öffnen (Fides 18.07.; xinde.org 18.07.).
Es kommt jedoch auf lokaler Ebene in verschiedenen Teilen Chinas weiterhin immer wieder zu Lockdowns und Kirchenschließungen. kwt

18. –20. August 2022:
10. Nationalversammlung der Vertreter des chinesischen Katholizismus tagt in Wuhan
Das höchste Organ des offiziellen Katholizismus wählte turnusgemäß eine neue Führung der offiziellen katholischen Leitungsgremien, Chinesische katholische patriotische Vereinigung (kurz PV) und Chinesische katholische Bischofskonferenz. Neuer Vorsitzender der PV wurde Bischof Li Shan von Beijing. Zum Vorsitzenden der Bischofskonferenz wurde Bischof Shen Bin von Haimen gewählt. Ein Bericht über die Arbeit der letzten sechs Jahre wurde vorgetragen und approbiert, und die Satzungen der beiden Leitungsgremien wurden revidiert. 345 Kleriker, Ordensfrauen und katholische Laien nahmen nach offiziellen Angaben an dem Kongress teil. Am 23. August wurde die neugewählte Führungsriege von Wang Yang, dem Vorsitzenden der Politischen Konsultativkonferenz des chinesischen Volkes, empfangen. Anwesend war auch You Quan, der Leiter der Einheitsfrontabteilung der Kommunistischen Partei Chinas (Unterseite zur 10. Nationalversammlung auf der Website von PV und Bischofskonferenz: www.chinacatholic.cn/html/folder/22070577-1.htm; Xinhua 23.08.).
Zu Einzelheiten und Hintergründen siehe den Beitrag in den Informationen und die Teilübersetzung des Arbeitsberichts in der Dokumentation dieser Ausgabe. kwt

26. August 2022:
Beihan-Kirche in Taiyuan abgerissen
In der Diözese Taiyuan wurde die katholische Kirche des Dorfes Beihan, Bezirk Wanbailin, von den Behörden teils abgerissen, teils gesprengt. Dies zeigen Fotos in einem Post auf dem Webportal 163.com. Der Abriss der imposanten, zweitürmigen gotischen Kirche steht offensichtlich im Zusammenhang mit der Stadtentwicklung. Das gesamte Dorf Beihan wurde bereits früher abgerissen, auf den Fotos sind zahlreiche neue Blocks von Hochhäusern zu sehen. Der Glockenturm der Kirche, die nach dem Vorbild von Notre Dame in Paris erbaut wurde, habe 40 Meter gemessen. Sie sei 1990 an der Stelle einer früheren Kirche wiederaufgebaut und erst 2012 fertiggestellt worden. Das Dorf soll in ein neues Einkaufs-, Theater-, Kultur-, Freizeit- und Tourismuszentrum umgewandelt werden. Die Dorfbewohner wurden umgesiedelt (www.163.com/dy/article/HFRQID090553Q2Y8.html). kf

28. August 2022:
Bischof Ye Ronghua von Ankang verstorben
Der Bischof der katholischen Diözese Ankang in Shaanxi starb im Alter von 92 Jahren nach langer Krankheit. Johannes Baptist Ye Ronghua wurde am 20. Juni 1931 in eine katholische Familie in einem Dorf bei Hanzhong, Provinz Shaanxi, geboren. Ab 1945 besuchte er das Kleine Seminar der Diözese Hanzhong und später das Seminar von Kaifeng in Henan, wo er 1958 seine Studien abschloss. Während der Kulturrevolution verbrachte er zehn Jahre in Arbeitslagern. Erst am 10. Dezember 1981 wurde Ye Ronghua zum Priester geweiht und arbeitete als Pfarrer in verschiedenen Gemeinden. 1987 schickte ihn Bischof Li Du’an von Xi’an in die Diözese Ankang, um dort die kleine katholische Gemeinschaft in einer armen Region von Shaanxi wiederaufzubauen. Am 10. Dezember 2000 weihte ihn Bischof Li Du’an zum fünften Bischof der Diözese Ankang. Am 30. November 2016 wurde mit Erlaubnis des Heiligen Stuhls und der Behörden Wang Xiaoxun zum Koadjutor von Ankang geweiht (AsiaNews 29.08.; xinde.org 28.08.). kf

1. September 2022:
Situation der katholischen Online-Medien Xinde und Xiao zhushou nach Ende der Übergangsfrist für den Lizenzerwerb
Die katholische Zeitung Xinde 信德 (Faith) mit Sitz in Shijiazhuang, die seit Herbst 2020 nicht mehr im Druck erscheinen kann, konnte im August die nunmehr obligatorische „Lizenz für religiöse Informationsdienste im Internet“ für ihre Website www.xinde.org und ihr öffentliches WeChat-Konto erwerben. In einem Leitartikel vom 1. September bedauert der Autor Ye Sheng („Stimme in der Wüste“), dass man aufgrund der neuen Bestimmungen schweren Herzens einige Dienstleistungen habe einstellen und Inhalte habe entfernen müssen. „Wir hoffen nur, dass wir in dem Rahmen, den die Politik zulässt, einen Weg finden, unsere Entwicklung anzupassen und umzugestalten, um Ihnen weiterhin so gut wie möglich zu dienen“, so Ye Sheng. Xinde bringt seit einiger Zeit deutlich weniger Nachrichten aus dem kirchlichen Leben in Diözesen und Gemeinden als früher, übernimmt aber weiter fast täglich Meldungen aus der Weltkirche von Vatican News.
Die beliebte katholische App Tianzhujiao xiao zhushou 天主教小助手 (CathAssist) mit Sitz in Beijing, die viele Materialien zum Glaubensleben wie tägliche Lesungen und Liturgie, Stundengebet, Bibel und Katechismus anbot, gab am 23. August bekannt, dass sie trotz größter Bemühungen nicht die nötige Lizenz erwerben konnte und deshalb ihren Dienst einstellen müsse. Die App war nicht mehr zugänglich, was großes Bedauern auslöste. Offenbar konnte aber doch eine Lösung gefunden werden, ein Neustart mit direkter Anbindung an die Kathedrale (Xishiku-Kirche) bzw. das Bistum von Beijing. Unter dem neuen Namen Wanyou zhen­yuan 万有真原 (Wahrer Ursprung aller Dinge) und der Adresse www.wanyouzhenyuan.cn wird die Arbeit der App fortgesetzt. In der Bekanntmachung zu ihrer Neu-Lancierung am 21. September heißt es: „Gott sei Dank, wir haben eine gute Nachricht für alle: Die App Wanyou zhenyuan der Xishiku-Kirche des Bistums Beijing (entwickelt mit dem Team von Tianzhujiao xiao zhushou) ist jetzt für alle zugänglich.“ Die neue App, die der alten in vielem gleicht (Details konnten nicht überprüft werden), verfügt nun über eine Lizenz. kwt

9. September 2022:
Tod von Shen Baozhi, Generalsekretär der Diözese Shanghai
Laut offizieller Todesanzeige der Katholischen patriotischen Vereinigung von Shanghai, der Kommission für kirchliche Angelegenheiten, der Diözese Shanghai sowie der Catholic Intelligentsia Associa­tion von Shanghai starb am 9. September im Alter von 96 Jahren nach langer Krankheit Priester Berchmans Shen Baozhi. In der Todesanzeige werden seine Ämter in der Patriotischen Vereinigung und im Bistum Shanghai aufgeführt. Seit den 1960er Jahren war er stellvertretender Vorsitzender der Patriotischen Vereinigung von Shanghai und Generalsekretär der Diözese. U.a. war er zudem fünf Legislaturperioden lang Mitglied des Ständigen Ausschusses des Volkskongresses von Shanghai.
Shen Baozhi war in der Diözese eine einflussreiche, aber problematische Person. Er lebte in einer zivilen Ehe. In der Todesanzeige steht, dass auf Wunsch von Shen Baozhi die Trauerfeier einfach gehalten werde (www.shtzjlh.org/news_detail.aspx?newsid=2023&newscateid=1&cateid=1). kf

Sino-vatikanische Beziehungen

19. Juli 2022:
Erzbischof Gallagher, „Außenminister“ des Vatikans, im Interview über die Beziehungen zu China und das Abkommen
Zu den Ergebnissen nach vier Jahren Abkommen sagte der Erzbischof: „Die Bilanz ist, glaube ich, nicht besonders beeindruckend. Wir hatten sechs Bischofsernennungen, und es sind noch einige weitere in Vorbereitung. Es ist also nicht ergebnislos.“ Das Abkommen hätte zu mehr Ergebnissen führen können, aber die Delegationen hätten sich wegen Covid seit über zwei Jahren nicht mehr getroffen. Auch virtuell habe es in den letzten zwei Jahren kein Treffen gegeben. Man hoffe auf ein Treffen in naher Zukunft und arbeite daran. In dem Interview, das Gerard O’Connell von der Zeitschrift America führte, bestätigte Gallagher noch einmal, dass sich das Abkommen nur mit der Ernennung der Bischöfe befasse und die Delegationen nur über dieses Thema sprechen würden. Das Abkommen habe aus seiner Sicht die Funktion einer vertrauensbildenden Maßnahme, „wenn wir mit den chinesischen Behörden bei der Ernennung von Bischöfen erfolgreich zusammenarbeiten können, dann hilft das natürlich beiden Parteien, auch andere Fragen zu prüfen“. Über die Eröffnung eines Büros des Heiligen Stuhls in Beijing sei diskutiert worden. Auf die Frage, warum der Text des Abkommens geheim gehalten werde, sagte er: „Der Text des Abkommens wurde vor meinem Amtsantritt [im November 2014] verfasst und seither nicht mehr wesentlich verändert. Ich habe den Eindruck, dass von Anfang an einvernehmlich beschlossen wurde, den Text nicht zu veröffentlichen, zumindest nicht vor seiner endgültigen Unterzeichnung. Außerdem wird versucht, den Text zu überprüfen und zu verbessern. Wenn wir sehen, dass bestimmte Dinge vielleicht nicht so gut funktionieren, wie sie sollten, dann könnte dies der Zeitpunkt sein, den Text anzupassen und zu verbessern.“ Für eine endgültige Unterzeichnung des Abkommens sei es noch zu früh. Der Erzbischof bestätigte auch, dass man sich nach und nach direkte Begegnungen auf einer höheren Ebene [als der der Außenminister, die sich bereits 2020 am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz getroffen haben] wünsche, und sagte: „Ich denke, die Chinesen sind damit einverstanden, dass die Ebene der direkten Kontakte zwischen uns schrittweise angehoben werden sollte.“ Der Heilige Stuhl sei besorgt über die Verhaftung von Kardinal Zen in Hongkong und hoffe auf eine zufriedenstellende Lösung in naher Zukunft. Zur Einschränkung von Freiheiten in Hongkong sagte Gallagher: „Ich denke, wir werden unsere Leute ermutigen, das Beste aus der Freiheit, die sie haben, aus dem Raum, den sie haben, zu machen, wie wir es in vielen Ländern der Welt tun“ (www.americamagazine.org/politics-society/2022/07/19/vatican-china-hong-kong-pope-francis-243379).
Gallagher sprach auch über die Neubesetzung der vatikanischen Vertretungen in Taipei und Hongkong, die am gleichen Tag bekannt gegeben wurde; siehe hierzu die Einträge vom 19. Juli 2022 in den Rubriken „Hongkong“ und „Taiwan“. kf

Ende August bis Anfang September:
Vatikanische Delegation zu Verhandlungen in China – Treffen mit Untergrundbischof Shi Hongzhen von Tianjin
Kardinalstaatssekretär Parolin erwähnte den Delegationsbesuch in China in einem Interview am 2. September (siehe den folgenden Eintrag). Catholic News Agency gab für den Chinabesuch das Datum 28. August bis 2. September 2022 an. Es war das erste Treffen von Delegationen beider Seiten seit über zwei Jahren. Vermutlich wegen Corona-Bedenken der chinesischen Seite (so Lucia Cheung auf ihrem Blog) fand es diesmal in Tianjin und nicht in Beijing statt. Wie Giorgio Bernardelli in AsiaNews und Cheung berichteten, konnte die von Erzbischof Claudio Maria Celli geleitete vatikanische Delegation auch den 92-jährigen Bischof von Tianjin, Melchior Shi Hongzhen, treffen, der von der Regierung nicht anerkannt ist. Er befindet sich laut Bernardelli im Hausarrest. In der rund 100.000 Gläubige zählenden Diözese gibt es seit 2005 keinen behördlich anerkannten offiziellen Bischof. Cheung zufolge hat der Vatikan bereits vor einiger Zeit den Priester Yang Wanyuan zu Bischof Shis Nachfolger ernannt. Sie fragte sich, ob der Besuch der Delegation bei dem alten Bischof bedeute, dass die chinesische Seite dem zugestimmt habe; allerdings, so Cheung, sei Priester Yangs Name nicht auf der Delegiertenliste für die 10. Nationalversammlung gestanden, was wiederum gegen seine baldige Weihe zum Bischof spreche (AsiaNews 11.09.; luciacheungoffice.medium.com 4.09.; Vatican News 3.09.). kwt

2. September 2022:
Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin zeigt sich im Interview überzeugt, dass das Abkommen über die Ernennung von Bischöfen erneuert wird
Kardinal Parolin gab das Interview am 2. September dem italienischen Nachrichtensender Tg2, hier zitieren wir die Zusammenfassung in Vatican News am nächsten Tag. Parolin erwähnte, dass gerade eine Delegation des Heiligen Stuhls von Gesprächen in China zurückgekehrt sei. „Wenn man mit jemandem verhandelt, muss man immer von der Annahme ausgehen, dass er guten Willens ist. Sonst macht die Verhandlung keinen Sinn“, sagte Parolin. Es habe viele Schwierigkeiten gegeben und es sei noch ein weiter Weg.
Aus der von Kardinal Parolin unmittelbar nach Rückkehr der Delegation geäußerten Überzeugung einer Verlängerung des Abkommens schlossen Lucia Cheung und Giorgio Bernardelli, dass das Abkommen bei dem Treffen der Delegationen effektiv bereits erneuert wurde, man dies aber erst kurz vor Ablauf verkünden werde. Beide vermuteten aber, dass es unter diesen Umständen – anders als von Kardinal Parolin und Erzbischof Gallagher in Interviews gewünscht – wohl keine Anpassung des Abkommens gegeben habe, da die chinesischen Unterhändler bei größeren Veränderungen mehr Zeit für Rücksprachen bei höheren Stellen benötigt hätten, zumal der neue chinesische Zuständige für religiöse Angelegenheiten, Cui Maohu, erst seit Juni im Amt und mit der Thematik wenig vertraut sei. Doch wenn die Gespräche Ende August gescheitert wären, so Cheung, hätte es wegen dem bevorstehenden Parteitag und der neuen Formierung der chinesischen Führung unabsehbar lange dauern können, bis sie hätten wiederaufgenommen werden können (AsiaNews 11.09.; luciacheungoffice.medium.com 4.09.; Vatican News 3.09.). kwt

13.–15. September 2022:
Papst Franziskus besucht Kasachstan, äußert Bereitschaft zu Chinabesuch – und trifft Präsident Xi nicht, erhält aber wertschätzende Reaktion der chinesischen Außenamtssprecherin
In der kasachischen Hauptstadt Nur-Sultan nahm der Papst am Siebten Kongress der Führer der Weltreligionen und traditionellen Religionen teil, Xi Jinping hielt sich am 14. September zu einem Staatsbesuch in Nur-Sultan auf. Auf dem Hinflug am 13. September sagte der Papst laut Reuters auf die Frage, ob er Xi dort treffen werde: „Ich habe keine Nachrichten darüber“, und weiter: „Ich bin immer bereit, nach China zu gehen.“ Die chinesische Außenamtssprecherin Mao Ning äußerte auf ihrer Pressekonferenz am folgenden Tag „Wertschätzung für die von Papst Franziskus zum Ausdruck gebrachte Freundschaft und den guten Willen. Zwischen China und dem Vatikan besteht eine gute Kommunikation. Wir sind bereit, den Dialog und die Zusammenarbeit mit dem Vatikan fortzusetzen, um den Prozess der Verbesserung der Beziehungen aktiv voranzutreiben.“ Reuters-Korrespondent Philipp Pullella berichtete unter Berufung auf eine vatikanische Quelle, der Vatikan habe China mitgeteilt, dass der Papst bereit sei, Präsident Xi in Nur-Sultan zu treffen; China habe jedoch gesagt, es sei nicht genug Zeit dafür. Kardinal Parolin hingegen sagte der Zeitung Il Messaggero am 14. September, es habe im Vorfeld zu der Reise keine Kontakte gegeben und sie seien auch nicht vorgesehen (fmprc.gov.cn 14.09.; ilmessaggero.it 14.09.; Reuters 13.,15.09.). kwt

14. September 2022:
Kardinalstaatssekretär Parolin im Interview zur möglichen Verlegung des vatikanischen Chinabüros von Hongkong nach Beijing und zur Zukunft der Nuntiatur in Taiwan
Auf die Frage: „Wären Sie bereit, das Büro von Hongkong nach Peking zu verlegen?“ sagte der in Kasachstan weilende Kardinal der Zeitung Il Messaggero: „Das scheint mir keine neue Idee zu sein, wir haben sie immer wieder vorgebracht. Wir warten auf ein Signal aus Peking, das jedoch noch nicht eingetroffen ist.“ Die Zeitung fragte auch nach der Nuntiatur des Vatikans in Taiwan: „Sind Sie bereit, sie zu schließen oder die Bedeutung zu reduzieren, wie es China verlangt?“ Parolin antwortete: „Einstweilen bleibt alles, wie es ist“ (ilmessaggero.it 14.09.).
In Hongkong hat der Heilige Stuhl eine inoffizielle Vertretung, die Study Mission, welche mit Fragen der Kirche auf dem Festland (nicht der Hongkonger Kirche) befasst ist. Zu Taiwan (Republik China) unterhält er volle diplomatische Beziehungen. Die Leitungen der Vertretungen in Hongkong und Taipei wurden im Juli nach über fünf Monaten Vakanz neu besetzt; siehe die Einträge vom 19. Juli 2022 in den Rubriken „Hongkong“ und „Taiwan“. kwt

15. September 2022:
Papst Franziskus auf dem Rückflug von Kasachstan zum Dialog mit China und zum Prozess gegen Kardinal Zen in Hongkong
Bei der Pressekonferenz im Flugzeug sagte Papst Franziskus auf die Frage einer Journalistin nach Religionsfreiheit in China und dem Prozess gegen Kardinal Zen: „Um China zu verstehen, braucht man ein Jahrhundert, und wir leben nicht ein Jahrhundert lang. Die chinesische Mentalität ist eine reiche Mentalität, und wenn sie ein wenig krank wird, verliert sie ihren Reichtum und ist fähig, Fehler zu machen. Um zu verstehen, haben wir den Weg des Dialogs gewählt und sind offen für den Dialog. Es gibt eine bilaterale vatikanisch-chinesische Kommission, die gut vorankommt, langsam, denn der chinesische Rhythmus ist langsam, sie haben eine Ewigkeit Zeit, um voranzukommen: Sie sind ein Volk mit unendlicher Geduld.“ Dann sagte der Papst: „Es ist nicht leicht, die chinesische Mentalität zu verstehen, aber sie muss respektiert werden, ich respektiere sie immer. Und hier im Vatikan gibt es eine Dialogkommission, die gut arbeitet. Kardinal Parolin führt den Vorsitz und ist der Mann, der sich derzeit am besten mit China und dem chinesischen Dialog auskennt. Es geht langsam, aber es gibt immer wieder Fortschritte.“ Weiter sagte er: „China als undemokratisch zu bezeichnen, liegt mir nicht, denn es ist ein so komplexes Land mit seinen Rhythmen ... Ja, es stimmt, es gibt Dinge, die uns undemokratisch erscheinen, das ist wahr. Kardinal Zen, ein betagter [Mann], steht in diesen Tagen vor Gericht, glaube ich. Er sagt, was er fühlt, und man kann sehen, dass es da Grenzen gibt. Anstatt zu urteilen, weil es schwierig ist und ich nicht urteilen möchte, sind es Eindrücke; anstatt zu urteilen, versuche ich, den Weg des Dialogs zu unterstützen. Im Dialog werden dann viele Dinge geklärt, und zwar nicht nur in der Kirche, sondern auch in anderen Bereichen. Zum Beispiel die Ausdehnung Chinas: die Gouverneure der Provinzen sind alle unterschiedlich, es gibt verschiedene Kulturen innerhalb Chinas. Es ist ein Riese, China zu verstehen ist eine riesige Aufgabe. Wir dürfen nicht die Geduld verlieren [...]“ (www.vatican.va/content/francesco/it/speeches/2022/september/documents/20220915-kazakhstan-voloritorno.html). kwt

Hongkong

19. Juli 2022:
Neuer Vertreter des Heiligen Stuhls in Hongkong
Der neue Leiter der Holy See Study Mission in Hongkong, der inoffiziellen Vertretung des Heiligen Stuhls für Festlandchina, ist Msgr. José Luis Diaz Mariblanca Sanchez, so berichtet Avvenire. Der Spanier aus der Erzdiözese Toledo war zuletzt im Staatssekretariat tätig. Die Studienmission gehört zur Nuntiatur auf den Philippinen. Seit 2007 arbeiten dort jeweils zwei Kleriker im diplomatischen Dienst. Msgr. Diaz war bisher in den Nuntiaturen in Indonesien und Algerien tätig. Mit ihm in der Hongkonger Studienmission arbeitet Msgr. Alvaro Ernesto Izurieta y Sea aus der Erzdiözese Buenos Aires, der seit 2020 in Hongkong ist (Avvenire 19.07.). kf

26. September 2022:
Prozess gegen Kardinal Joseph Zen in Hongkong beginnt
Der Prozess gegen Kardinal Zen und vier Demokratie-Aktivisten am Gericht von West Kowloon hätte bereits am 19. September beginnen sollen, wurde jedoch wegen einer Corona-Erkrankung der zuständigen Richterin Ada Yim verschoben. Der 90-jährige emeritierte Bischof von Hongkong Zen war am 11. Mai zusammen mit drei weiteren Aktivisten von der Sicherheitspolizei von Hongkong verhaftet worden, nach einigen Stunden gegen Kaution jedoch wieder freigelassen worden. Zunächst lautete der Vorwurf auf „Kollaboration mit ausländischen Mächten“, sprich Verletzung des nationalen Sicherheitsgesetzes. Danach wurden sie allerdings beschuldigt, einen humanitären Fonds, den sie verwalteten, nicht ordnungsgemäß registriert zu haben. Darum geht es jetzt in dem Prozess. Mit dem „Fonds 612“ wurden Demonstranten von 2019 bei der Zahlung ihrer Kosten für Rechtsberatung und medizinische Behandlung finanziell unterstützt. Der Fonds wurde im Oktober 2021 aufgelöst. Neben Kardinal Zen sind die Angeklagten Rechtsanwältin Margaret Ng, die Popsängerin Denise Ho, das ehemalige Legislativratsmitglied Cyd Ho sowie der Kulturwissenschaftler Hui Po-Keung. Asia­News berichtete am 28. September, dass die Anhörung unerwartet nur zwei Tage gedauert habe. Nach Ansicht von Richterin Ada Yim seien genügend Beweise für die Erhebung einer Anklage vorgelegt worden. Der Prozess soll am 26. Oktober fortgesetzt werden. Wie Domradio die South China Morning Post zitiert, ermittelt die Polizei auf Basis des Sicherheitsgesetzes allerdings parallel zum Prozess gegen Zen und die anderen Personen wegen des Vorwurfs der „Kollaboration mit ausländischen Mächten“.
Zur Unterstützung von Kardinal Zen meldeten sich Kardinalskollegen wie Kardinal Fernando Filoni und Kardinal Gerhard Müller zu Wort. In einem gemeinsamen Entschließungsantrag hatte das EU-Parlament am 6. Juli Zens Festnahme verurteilt und gefordert, die Anklage gegen Zen und die anderen vier Treuhänder fallenzulassen (AFP 26.09.; AsiaNews 28.09.; Avvenire 23.09.; CNN 26.09.; Domradio 26.09.; Il Messaggero 1.09.; Vatican News 15.09.; www.europarl.europa.eu/doceo/document/RC-9-2022-0358_DE.html). Siehe hierzu auch den Bericht in den Informationen. kf

Taiwan

21. Juni 2022 – 5. Februar 2023:
Museum of World Religions zeigt Ausstellung über den Tod im Fokus der Religionen
Unter dem Titel „Bright as Night, Dark as Day. A Walk with the Death“ (生死晝夜: 於死亡中前行) eröffnete das Museum of World Religions in Yonghe, südlich von Taipei, am 21. Juni 2022 eine Ausstellung zum Tod.
Warum fürchten wir den Tod? Das ist eine der vielen Fragen, die im Korridor des Museums zur Besinnung anregen. Dafür gibt es keine eindeutige Antwort, bekannte die Direktorin des Museums Ma Yu-chuan 馬幼娟 in einem Interview der Taipei Times vom 21. Juni. Aber sie lernte auf eine brutale Weise, da sie sich mit ihrem Vater nicht mehr aussöhnen konnte, da er plötzlich bei einem Unfall starb. Sie will nun wenigstens mit der Mutter gefühlvoller umgehen, die im Januar einen Schlaganfall erlitten hat. Der Tod sei immer noch eines der größeren Tabus und der Gründer des Museums, der buddhistische Meister Hsin Dao 心道, sei deswegen in Sorge gewesen, die Gäste könnten sich in dieser Ausstellung unwohl fühlen, ergänzte Direktorin Ma. Aber sie ist persönlich anderer Ansicht, da die Ausstellung den Gästen viel Raum zum Nachdenken und Betrachten lässt, was der Tod ist und warum sie ihn fürchten. Erst stellt die Ausstellung Tod, Gericht und Leben nach dem Tod in den verschiedenen Religionen dar. Dann ergeht in einem leeren Raum zum Nachdenken eine Einladung an die Besuchenden, ihre Überlegungen zum Leben und Tod niederzuschreiben, was dann auf einem Bildschirm aufleuchtet. Nach dieser interaktiven Erfahrung einer Wiedergeburt werden sie ins tägliche Leben entlassen. Das langfristige Ziel des Museums ist, „die Menschen zu befähigen, aus der Perspektive von Leben und Tod in den verschiedenen Religionen über sich selbst nachzudenken“.
Bisher brachte das Museum verschieden Phasen des Lebens wie Alter, Kindheit und Heirat zur Darstellung. Die eindrückliche Ausstellung über den Tod dauert noch bis zum 5. Februar 2023.
Willi Boehi

11. Juli 2022:
Tagung in der Botschaft Taiwans beim Vatikan: „Formosa Taiwan, the Field of God“
Die Tagung fand anlässlich des 80. Jahrestages der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der Republik China (Taiwan) und dem Heiligen Stuhl statt. Die Veranstaltung wurde von der Botschaft organisiert. „Die Missionare haben nicht nur Krankenhäuser, Schulen, Waisenhäuser und Altenheime gegründet, sondern auch die lokale Sprache und Kultur gefördert“, sagte Botschafter Matthew S.M. Lee und erinnerte an die Bedeutung der Präsenz der katholischen Kirche in Taiwan.
Botschafter Lee und der Sekretär des Dikasteriums für Evangelisierung, Msgr. Protase Rugambwa, hielten die Einführungsansprachen. Die Vorträge wurde von drei Priestern gehalten, die in Taiwan arbeiten bzw. arbeiteten: P. Gianni Criveller PIME, der Kamillianermissionar P. Felice Chech und der Untersekretär des Dikasteriums für den interreligiösen Dialog, P. Paulin Batairwa Kubuya SX. Die Moderation übernahm Prof. Peter Kuo Hsiuoung Chiang. Unter den mehr als 80 Teilnehmenden waren Mitglieder des beim Heiligen Stuhl akkreditierten diplomatischen Corps, Ordensleute verschiedener Kongregationen, Journalisten sowie Freunde der Botschaft. Mitglieder verschiedener religiöser Gemeinschaften berichteten kurz über ihre missionarischen Erfahrungen in Taiwan.
Ebenfalls im Rahmen des 80. Jahrestages der diplomatischen Beziehungen eröffnete die Botschaft am 1. Juli die Ausstellung „Friendly Taiwan meets Fratelli Tutti. Calligraphy and Painting Exhibition“.
Auf der Website der Botschaft heißt es: „All diese Veranstaltungen wollen unterstreichen, wie wichtig die Jahrhunderte lange Präsenz der Kirche für die Entwicklung Taiwans ist, wie Präsidentin Tsai Ing-wen in der Vergangenheit erklärte“ (Vatican News 13.07; www.taiwanembassy.org/va_en/post/4420.html). kf

19. Juli 2022:
Neuer Vertreter des Heiligen Stuhls in Taiwan
Neuer Chargé d‘Affaires des Heiligen Stuhls ad interim in Taiwan ist Msgr. Stefano Mazzotti, wie es in einem Bericht in Avvenire vom 19. Juli heißt. Msgr. Mazzotti wurde 2001 für die Diözese Terni-Narni-Amelia in Italien geweiht und war im diplomatischen Dienst des Heiligen Stuhls auf den Philippinen, in Portugal, Frankreich, Ägypten sowie im Staatssekretariat im Italien-Büro tätig. Der Heilige Stuhl unterhält diplomatische Beziehungen mit der Republik China auf Taiwan, allerdings residiert dort seit 1972 kein Nuntius, sondern ein Chargé d’Affaires (Avvenire 19.07.). kf

2. September 2022:
Bischof emeritus Joseph Cheng von Taipei verstorben
Der ermeritierte Erzbischof Joseph Cheng Tsai-fa starb im Alter von 90 Jahren. Von 2004 bis 2007 stand er der Erzdiözese Taipei vor. Zuvor war Cheng Bischof von Tainan und apostolischer Administrator von Kinmen und Matsu (AsiaNews 5.09.). kf

4. September 2022:
Chen Chien-jen bei Seligsprechung im Vatikan
Der frühere Vizepräsident (2016–2020) der Republik China auf Taiwan, Chen Chien-jen, nahm in Vertretung von Präsidentin Tsai Ing-wen am 4. September an der Seligsprechung von Papst Johannes Paul I. im Vatikan teil. Bei einem Empfang vor den Feierlichkeiten traf der Katholik und Epidemiologe Papst Franziskus, überbrachte die Grüße von Präsidentin Tsai und bat zugleich um das Gebet für Taiwan. Lächelnd habe der Papst erwidert, dass sie gemeinsam für den Frieden in der Welt beten sollten. Chen übergab dem Papst eine Dokumentation über das Wirken der katholischen Missionare in Taiwan. Chen besuchte mit seiner sechs-köpfigen Delegation die Botschaft Taiwans beim Heiligen Stuhl und lobte das Bemühen der Diplomaten im Vatikan. Der Vatikan unterhält als einziger Staat in Europa diplomatische Beziehungen mit Taiwan.
Auf dem gedrängten Programm stand auch der Besuch der Ausstellung „Friendly Taiwan meets Fratelli Tutti. Calligraphy and Painting Exhibition“, eine Begegnung im Dikasterium für den Dienst zugunsten der ganzheitlichen Entwicklung des Menschen sowie dem Souveränen Malteserorden zwecks Förderung der internationalen Beziehungen mit der Insel, was die humanitären Beziehungen anbelangt. Chen Chien-jen ist seit 2021 auch Mitglied der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften. Er besuchte bereits in den Jahren 2016, 2018 und 2019 den Vatikan, wobei er auch an der Heiligsprechung von Mutter Teresa teilnahm (Taipei Times 4.,5.09.).
Willi Boehi

12. September 2022:
Umfrage in Taiwan: Große Zustimmung für die Todesstrafe
Eine überwiegende Mehrheit der Bevölkerung Taiwans ist gegen die Abschaffung der Todesstrafe, fand eine am 12. September 2022 veröffentlichte Umfrage der Foundation for the People heraus. 86,9 Prozent der Befragten waren gegen deren Abschaffung, während nur 12,4 Prozent sich zugunsten des Endes der gewaltsamen Todesart aussprachen. 79,9 Prozent allerdings glaubten, die gegenwärtige Administration der Präsidentin Tsai Ing-wen habe diese umstrittene Praxis weitgehend auf Eis gelegt. 88,8 Prozent der Erfassten waren mit Tsais Regierung unzufrieden, weil in den letzten sechs Jahren nur zwei Hinrichtungen stattfanden. 90,3 Prozent forderten sogar, die inselweit 38 zum Tode verurteilten Personen sollten bald hingerichtet werden. Nur 10,4 Prozent der Antwortenden stimmten mit der Meinung von Präsidentin Tsai überein, die Abschaffung der Todesstrafe sei ein weltweites Ziel. Dagegen glauben noch immer 88,1 Prozent, diese brutale Bestrafung helfe, schwere Verbrechen zu verhindern. Johnny Chiang 江啟臣, Mitglied des Legislativrats für die KMT und Vorsitzender der Foundation, erklärte der Taipei Times vom 13. September, die Ablehnung gegen die Abschaffung der Todesstrafe gehe bei den 1.050 Teilnehmenden der Umfrage quer durch alle Altersgruppen und Parteien. 73,6 Prozent der Befragten waren punkto öffentlicher Sicherheit unzufrieden, dagegen 25,5 Prozent zufrieden.
Die Umfrage fand zu einem kritischen Zeitpunkt statt, denn kurz zuvor waren im südlichen Tainan zwei Polizisten kaltblütig erschossen worden. Vermutlich wirken hier auch die Schatten des Ausnahmezustandes (1949–1987) noch nach. Gerne erinnern sich manche vor allem in der älteren Generation an die Zeit des Kriegsrechts, da man angeblich auf der Straße noch sicher und das Leben einfach war. Willi Boehi

Macau

26. Juni 2022:
Katholische Wochenzeitung Macau Observer wird eingestellt
Das von katholischen Laien herausgegebene, vierseitige Nachrichtenblatt stellte am 26. Juni mit der 1138. Ausgabe sein Erscheinen ein. Die chinesischsprachige Zeitung erschien zum ersten Mal am 1. Januar 1995. Der Observatório de Macau 澳門觀察報 wurde zunächst alle zwei Wochen veröffentlicht und an Kiosken verkauft. Herausgeber war der katholische Laienrat von Macau. Beim ersten Launch der Zeitung hieß es, so ein Artikel von UCAN vom 15. Januar 1995, dass die Zeitung Berichte zu sozialen Fragen, Nachrichtenanalysen, Kommentare zu politischen Geschehnissen, Religion und Glaube sowie Leserkommentare veröffentlichen wolle. Es solle ein Fenster für die Religionsfreiheit sein. In einem Leitartikel der letzten Nummer steht, dass das Ziel der Publikation gewesen sei, die lokale Gemeinschaft aus einer anderen Perspektive zu betrachten und den Menschen in Macau einen zusätzlichen Kanal zu bieten, um zu kommunizieren und [ihre Ansichten] auszudrücken. Die Zeitung wurde vor allem von Freiwilligen erstellt. kf

Singapur

30. August 2022:
Neu kreierter Kardinal William Goh will interreligiöses Forschungszentrum gründen
William Goh, Erzbischof von Singapur, der am 27. August in den Kardinalsstand erhoben wurde, kündigte in einem Interview mit Fides vom 30. August 2022 an, ein Forschungsinstitut zu gründen, das die Beziehung der Religionen untereinander erforschen soll. Er wolle die religiöse Harmonie in Asien durch die Stärkung des Dialogs zwischen den verschiedenen Religionen fördern. Die Religionsführer verstünden sich gut, respektierten einander und unterstützten sich gegenseitig. Für die Katholiken des Landes bedeute dies zuallererst ein Kennenlernen der anderen Religionen. „Aber der interreligiöse Dialog ist etwas für Menschen, die leidenschaftlich und reif in ihrem Glauben sind“, sagte er. Dabei sei es ganz besonders wichtig, seinen eigenen Glauben zu kennen. In diesem Sinne könne jeder und jede Gläubige „mit Menschen anderer Religionen authentische Zeugen Christi sein“. Unter den 5,6 Millionen Einwohnern Singapurs sind 360.000 Katholiken in 32 Pfarreien. Der 64-jährige William Go leitet seit 2013 die Erzdiözese Singapur. Er ist der erste Kardinal von Singapur. Mit insgesamt sechs neuen Kardinälen aus Asien erhöht sich die Zahl der möglichen Papstwähler unter den asiatischen Kardinälen auf 21 von insgesamt 132. Kardinal Goh ist zur Zeit der einzige ethnische Chinese unter den möglichen Wählern. Er wurde 1957 in Singapur in einer chinesischen Familie geboren, 1985 nach Studien in Singapur und Rom zum Priester geweiht und wurde 2013 Erzbischof von Singapur.
Am 8. September feierten in Singapur mehr als 3.500 Menschen eine Messe mit dem neuen Kardinal, darunter auch Premierminister Lee Hsien Loong mit seiner Frau. Der Kardinal sagte in seiner Predigt, Singapur sei weltweit ein Modell für interreligiöse Harmonie. Religiöse Führer und die Regierung arbeiteten Hand in Hand für das Wohl der Gesellschaft, anstatt gegeneinander zu arbeiten.
Beim Konsistorium in Rom war einer der wenigen nicht anwesenden Kardinäle Joseph Zen von Hongkong. Möglicherweise ist er weiterhin nicht in Besitz seines Passes, der ihm nach seiner kurzzeitigen Verhaftung am 11. Mai abgenommen worden war (Domradio 27.08.; Eglises d’Asie 10.09.; Licas 29.08.; 12.09.; Vatican News 30.08.; siehe auch China heute 2022, Nr. 2, Chronik, Singapur, 29. Mai 2022). kf

Katharina Feith (kf)
Isabel Friemann, China InfoStelle
Katharina Wenzel-Teuber (kwt)
mit Beiträgen von Willi Boehi

Alle Quellenangaben in der „Chronik“ beziehen sich, wenn nicht anders angegeben, auf das Jahr 2022.

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