China heute 219 Chronik zu Religion und Kirche in China 29. Juni bis 29. Oktober 2023

Die „Chronik zu Religion und Kirche in China“ erscheint seit Anfang 2010 regelmäßig in den Informationen von China heute. Da manche Nachrichten (der Redaktion) erst später bekannt werden, kann es zu Überschneidungen zwischen den Chroniken kommen, wobei jeweils in der vorangegangenen Nummer bereits erwähnte Ereignisse nicht noch einmal aufgeführt werden. Alle Chroniken finden sich auch online auf der Website des China-Zentrums (www.china-zentrum.de).
Der Berichtszeitraum der letzten Chronik (2023, Nr. 2, S. 79-86) reichte bis einschließlich 15. Juli 2023.

Allgemeines

9. August 2023:
Sixth Tone berichtet: Eltern stellen ihre Kinder als „Vollzeitkinder“ ein
Aufgrund der hohen Arbeitslosenquote unter Jugendlichen, so Sixth Tone vom 9. August, setzt sich in China zunehmend ein Trend durch, wonach Eltern ihre erwachsenen Kinder für den Haushalt und die Betreuung jüngerer Geschwister wie auch älterer Familienmitglieder „einstellen“ und ihnen dafür ein monatliches Gehalt zahlen. Unter solchen „Vollzeitkindern“ (全职儿女) sind viele Hochschulabsolventen, die noch keinen geeigneten Job gefunden haben oder sich auf weitere Examina vorbereiten. Das Thema wird seit letztem Jahr, so Sixth Tone, in den sozialen Medien intensiv diskutiert. Manchmal handle es sich auch einfach um junge Leute, die sich um die Eltern und Großeltern kümmern möchten. Die Reaktionen in den sozialen Medien reichen von Bewunderung bis zum Vorwurf des kenlao 啃老, sprich den Älteren weiterhin auf der Tasche liegen (Sixth Tone 9.08.). kf

16. August 2023:
China-Table: Regierung verschweigt Zahlen zu arbeitslosen Jugendlichen
Wie China.Table am 16. August berichtet, werden in chinesischen Statistiken nicht mehr die Zahlen für die Jugendarbeitslosigkeit ausgewiesen. Veröffentlicht werde nur noch die gesamte Arbeitslosenquote. Die Arbeitslosigkeit war unter den 16- bis 24-Jährigen zuletzt stark gestiegen – sie kam auf einen Höchststand von 21,3%, so AsiaNews. Beobachter sähen, schreibt China.Table, die Änderung der Statistik als Versuch, die großen Probleme junger Menschen auf dem Arbeitsmarkt herunterzuspielen. Die gesamte Arbeitslosenquote lag im Juli bei 5,3% (AsiaNews 16.08.; Caixin Global Daily Chart 15.08.; China.table 16.08.). kf

10. September 2023:
Hangzhou: Eltern erhalten Prämie bei Geburt eines dritten Kindes
Um den niedrigen Geburtenzahlen entgegenzuwirken, erhalten Eltern ab 10. September eine einmalige Prämie von 25.000 RMB für die Geburt eines dritten Kindes, für ein zweites Kind gibt es 7.000 RMB. Ähnliche Prämien gibt es auch in anderen Städten wie Shenzhen, wo Eltern 19.000 RMB über drei Jahre für ein drittes und weitere Kinder erhalten. Nach der Hang­zhou Municipal Health Commission fallen jährlich die Geburtszahlen für zweitgeborene Kinder. Lokale Medien berichteten, dass 2022 die Zweitgeborenen 35,94% aller Geburten ausmachten. 2015, vor Lockerung der Ein-Kind-Politik, lag der Anteil bei 38,77%. Hangzhou hat in den vergangenen Jahren auch durch Vorteile beim Erwerb von Eigentum für Familien mit drei und mehr Kindern sowie Lockerungen bei der Haushaltsregistrierung versucht, die Bevölkerung zu erhöhen. Wie vielerorts in China werden hohe Kosten für die Erziehung eines Kindes als Hauptgrund für die geringe Geburtenrate angegeben. Hang­zhou steht nach einem Bericht von YuWa Population Research der Provinz Zhejiang nach Shanghai und Beijing mit 720.000 RMB für die Erziehung eines Kindes an dritter Stelle der chinesischen Städte (Sixth Tone 8.08.; https://www.sixthtone.com/news/1013483). kf

Menschenrechte

21. September 2023:
Dui Hua Foundation bestätigt Verurteilung der uigurischen Ethnologin Rahile Dawut zu lebenslänglicher Haft
Eine Quelle in der chinesischen Regierung habe bestätigt, dass Rahile Dawut derzeit wegen Gefährdung der Staatssicherheit eine lebenslange Haftstrafe verbüße – meldete die in San Francisco ansässige Dui Hua Foundation am 21. September. Ihr seien außerdem auf Lebenszeit die politischen Rechte entzogen worden. Zu einem früheren Zeitpunkt hatte Dui Hua nach eigenen Angaben erfahren, das Rahile Dawut im Dezember 2018, ein Jahr nach ihrer Festnahme, von einem Mittleren Volksgericht in Xinjiang wegen „Spaltertum“ – einem zur Gefährdung der Staatssicherheit zählenden Verbrechen – angeklagt und verurteilt worden war und Einspruch eingelegt hatte; nach den neuesten Informationen sei nun klar, dass der Einspruch vom Obersten Volksgericht Xinjiangs abgelehnt worden sei. Auch die Höhe der Haftstrafe sei jetzt erst durch eine verlässliche Quelle bestätigt. Prozesse wegen Spaltertum würden geheim abgehalten. – Rahile Dawut war nach Angaben von Dui Hua zum Zeitpunkt ihrer Festnahme im Dezember 2017 Professorin am College of Humanities der Xinjiang University. Sie gründete dort 2007 ein Zentrum für die Erforschung ethnischer Minderheiten, führte zahlreiche Feldstudien in Xinjiang durch und publizierte viel über uigurisches Brauchtum. Die 57-jährige bekannte Ethnologin sei langjähriges Mitglied der KP Chinas, sie habe Auszeichnungen und Fördermittel vom Chinesischen Kulturministerium erhalten. Professor Rahile Dawut „reiht sich ein in die lange und wachsende Liste uigurischer Intellektueller – nach einer Zählung mehr als 300 –, die seit 2016 festgenommen, verhaftet und inhaftiert wurden“, so die Dui Hua Foun­dation (https://duihua.org/life-sentence-for-professor-rahile-dawut-confirmed). kwt

Religionspolitik

11. August und 7. September 2023:
Bitter Winter berichtet über massenhafte Festnahmen von Anhängern der „Kirche des Allmächtigen Gottes“
Bitter Winter erhielt nach eigenen Angaben die betreffenden Informationen von Vertretern der Kirche des Allmächtigen Gottes (全能神教会). Nach diesen Informationen sollen in der Provinz Zhejiang an einem einzigen Tag, dem 15. Juli 2023, mindestens 1.043 Anhänger der Kirche des Allmächtigen Gottes unter Arrest gestellt worden sein, 408 von ihnen seien am 8. August noch in Haft gewesen, eine Person sei in der Haft gestorben. In den Provinzen Jiangsu und Anhui sollen zwischen Januar und Juli 2023 mindestens 2.100 Mitglieder der Kirche festgenommen worden sein. Mitglieder der Kirche seien zwangsweiser Deprogrammierung sowie psychischer und physischer Folter unterzogen worden, zwei von ihnen seien infolge der Maßnahmen gestorben. Ein Angestellter der Provinzregierung von Anhui habe vertraulich mitgeteilt, dass die KPCh 2023 ein geheimes Dokument herausgegeben habe, dem zufolge die Kirche des Allmächtigen Gottes vollständig zu eliminieren sei. (bitterwinter.org 11.08.; 7.09.).
Die in den 1990er Jahren gegründete „Kirche des Allmächtigen Gottes“ (früher bekannt als „Lehre vom Östlichen Blitz“) verkündet den Zweiten Christus, eine Wiedergeburt Christi in Gestalt einer chinesischen Frau. Sie ist in China als „häretische Lehre“ (邪教) verboten und wird seit etwa zehn Jahren massiv von den Behörden verfolgt. kwt

1. September 2023:
Neue staatliche Verwaltungsrechtsnorm für religiöse Stätten tritt in Kraft
Das Nationale Büro für religiöse Angelegenheiten erließ die „Maßnahmen für die Verwaltung von Stätten für religiöse Aktivitäten“ (宗教活动场所管理办法, im Folgenden kurz „Maßnahmen“) mit seiner Verordnung Nr. 19 vom 9. Juli 2023. Sie enthalten behördliche Vorgaben für die Errichtung, Verwaltung und staatliche Beaufsichtigung von Stätten für religiöse Aktivitäten, also Tempel, Klöster, Moscheen und Kirchen. Sie betreffen damit den Kern der kollektiven Religionsausübung der fünf staatlich anerkannten Religionen. Ein Entwurf der „Maßnahmen“ zur Einholung von Meinungen wurde bereits am 24. März 2023 veröffentlicht. (Eine Beschreibung des Entwurfs findet sich in China heute 2023, Nr. 1, Informationen.) Die Endfassung enthält gegenüber dem Entwurf nur wenige kleine Änderungen.
Am 31. Juli erschien auf dem WeChat-Konto der Einheitsfrontabteilung der KP ein Text, der in Interviewform die neue Rechtsnorm vorstellte. Als wesentliche Neuerung nannte der Text, dass die neuen „Maßnahmen“ – anders als das Vorläuferdokument, das nur die Genehmigung der Errichtung und die Registrierung religiöser Stätten regelte – eine umfassende Regulierung aller Aspekte beinhalten. Sie regulieren also auch die Verwaltung von religiösem Personal, religiösen Aktivitäten, Gebäuden und Sicherheit, sie enthalten Vorschriften für den Aufbau interner Verwaltungsmechanismen und Aufsichtsmechanismen. Damit unterstützen sie – so der Text – „die religiösen Kreise bei der umfassenden und strikten Lenkung der Religion“ (Text der „Maßnahmen“: www.gov.cn/gongbao/2023/issue_10666/202308/content_6900867.html; engl. Übersetzung von Bitter Winter: https://bitterwinter.org/the-new-chinese-measures-for-religious-activity-venues-come-into-force-on-september-1-the-full-text; Tongzhan xinyu nach www.chinacatholic.cn 31.07.)
Eine deutsche Übersetzung der „Maßnahmen“ erscheint in einer der nächsten Ausgaben von China heute. kwt

Daoismus

25.–26. Juli 2023:
Erstes Forum zur Sinisierung des Daoismus tagt in Shanghai
Die Chinesische daoistische Vereinigung (CDV) und die Shanghaier daoistische Vereinigung organisierten zusammen mit dem Shanghaier Stadtgotttempel und dem Mingdao-Institut für daoistische Kultur der East China Normal University die Tagung „Am Meer über das Dao sprechen – Daoismus: Erstes Forum zur Theorie und Praxis der Sinisierung des Daoismus“. Chen Chang 陈昶, Leiter des Büros für ethnische und religiöse Angelegenheiten der Stadt Shanghai, forderte im Zuge der Sinisierung des Daoismus eine Korrektur des daoistischen Stils, Verbesserung der Qualität, die Ausbildung von Talenten und Standardisierung der Verwaltung. Der Daoismus müsse seine moderne Transformation vorantreiben, um mit dem Zeitalter Schritt zu halten, so Chen laut einem Bericht auf dem WeChat-Konto des Shanghaier Stadtgotttempels. Bitter Winter zufolge nahmen Dutzende von Vertretern führender daoistischer Tempel aus ganz China an der Konferenz teil. Das Portal berichtete, dass die Teilnehmer in Workshops trainiert worden seien, in ihren Tempeln patriotische Erziehung durchzuführen. Es seien außerdem „best practices“ vorgestellt worden, bei denen Tempel sinisiert wurden, indem Divination abgeschafft und Weihrauchopfer sowie das Verbrennen von Papier eingeschränkt wurden. Auch seien Tempel angewiesen worden, die Aktivitäten unabhängiger Verkäufer religiöser Gegenstände einzudämmen; diese Artikel sollten jeweils nur noch in einem einzigen, vom Tempel verwalteten Laden verkauft werden.
Chen Chang zufolge ist „Am Meer über das Dao sprechen“ (海上论道 – ein Wortspiel mit dem Ortsnamen ‚Shanghai‘) eine „Marke“ der Religionsarbeit der Stadt Shanghai. Im Internet findet man unter diesem Motto auch Veranstaltungen der anderen Religionen Shanghais, beispielsweise ein vom Jadebuddhatempel veranstaltetes Forum über „humanistischen Buddhismus“ am 9./10. Oktober 2023 (bitterwinter.org 8.08.; www.chinabuddhism.com.cn 10.10.; WeChat-Konto des Shanghaier Stadtgotttempels nach www.daoisms.com.cn/article/sort028/info-49242.html). kwt

24.–25. September 2023:
5. internationales Daoismus-Forum tagt am Maoshan und gründet Welt­föderation des Daoismus
Das 5. internationale Daoismus-Forum (第五届国际道教论坛) fand vom 24. bis 25. September 2023 am Maoshan in der Stadt Jurong, Provinz Jiangsu, statt. Über 500 Personen aus 39 Ländern und Gebieten nahmen an dem Großereignis teil. Das Forum wurde von der Chinesischen daoistischen Vereinigung (CDV), dem offiziellen Dachverband des Daoismus in China, und der China Religious Culture Communication Association veranstaltet. Mitveranstalter waren die Hong Kong Taoist Associa­tion, die Macao Taoist Association und die Taoist Association Headquarters (Taiwan). Auf der Abschlusssitzung wurde eine „Maoshan-Erklärung“ verabschiedet (Text unter www.taoist.org.cn/showInfoContent.do?id=9339&p=‘p‘).
Während des 5. internationalen Daoismus-Forums wurde die Weltföderation des Daoismus (World Federation of Daoism, 世界道教联合会) gegründet. Ihr gehören als Gründungsmitglieder 52 daoistische Organisationen aus 20 Staaten und Gebieten an. Laut einem Bericht der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua ist die Weltföderation des Daoismus „eine freiwillig von daoistischen Organisationen, daoistischen Tempeln, mit dem Daoismus verbundenen Einrichtungen sowie an den Daoismus glaubenden oder die daoistische Kultur liebenden bekannten Persönlichkeiten gebildete internationale, nicht gewinnorientierte soziale Fachorganisation“ mit dem Zweck, „die vorzügliche traditionelle Kultur des Daoismus weiterzutragen und weiterzuentwickeln, die Zusammenarbeit daoistischer Anhänger und Organisationen weltweit zu verstärken, die Anpassung an das Zeitalter und die Internationalisierung des Daoismus voranzutreiben, den Austausch zwischen den Zivilisationen der Menschheit zu fördern und den Weltfrieden zu entwickeln“. Neuer Vorstandsvorsitzender der daoistischen Weltföderation ist Li Guangfu 李光富, der Präsident der CDV. Le Monde zufolge sind zwei der sechs Vizevorsitzenden Ausländer: der Italiener Vincenzo di Ieso (Li Xuanzong 李玄宗), Präsident der Chiesa Taoista d’Italia, und der Franzose Hervé Louchouarn Trestard (Jing Wei 景威), Präsident der Asociación Mexicana para el Desarrollo del Daoísmo A.C, beide daoistische Priester. Zum Generalsekretär der Weltföderation wurde der daoistische Priester José Barreno gewählt, Vorsitzender der Associação Daoista de Portugal (Unterseite zum 5. daoistischen Weltforum: http://121.42.248.217:8081/home; Le Monde 8.10.; www.facebook.com/daoismo [Associação Daoista de Portugal] 26.09.). kwt

8. Oktober 2023:
Chinesische daoistische Vereinigung CDV und Daoistische Vereinigung Russlands (DVR) halten gemeinsamen Online-Kurs über daoistische Kultur
An dem 6-stündigen Kurs nahmen fast 150 am Daoismus Interessierte aus verschiedenen russischen Städten teil. Der Vorsitzende der CDV, Li Guangfu 李光富, die Vizevorsitzenden Meng Zhiling 孟至岭 und Zhang Gaodeng 张高澄 sowie der Generalsekretär Li Hanying 李寒颖 führten in verschiedene Aspekte der daoistischen Lehre und Praxis ein. Es sprach auch der Vorsitzende der DVR, Aleksei Alekseevich Khokhlov. Dem Bericht auf der Website der CDV zufolge pflegen die beiden Vereinigungen seit bald zehn Jahren freundschaftliche Beziehungen. Die DVR wurde 2014 gegründet (www.taoist.org.cn 11.10.; www.daoisms.com.cn 15.07.; Website der Daoist Association of Russia: www.daorussia.org/en). kwt

Buddhismus

29. Juni 2023:
Pressegespräch in Beijing: Reinkarnationssystem des tibetischen Buddhismus wird fortgesetzt, Approbation durch Zentralregierung, Suche muss im Inland erfolgen
Das in Beijing ansässige China Tibetology Research Center und der Gesamtchinesische Journalistenverband veranstalteten ein Pressegespräch zum Thema „New Xizang in the New Era with New Vital­ity“ (die chinesische Führung hat im Englischen die Verwendung der Pinyin-Transkription des chinesischen Namens „Xizang“ statt „Tibet“ eingeführt). Auf die Frage eines Journalisten, ob das „System der Reinkarnation Lebender Buddhas“ fortgesetzt werde, sagte Zhang Yun vom China Tibetology Research Center: Im Lauf der Entwicklung des Reinkarnationssystems des tibetischen Buddhismus sei der politische Einfluss der [chinesischen] Zentralregierung nie unterbrochen worden. Die Zentralregierung der Qing habe das Verfahren der Reinkarnation Lebender Buddhas des tibetischen Buddhismus, einschließlich Dalai und Panchen, grundsätzlich festgelegt, nämlich dass diese alle von der Zentralregierung approbiert, im Inland [jingnei 境内 – meint in heutigen chinesischen Rechtsnormen die VR China ohne Hongkong, Macau und Taiwan] gesucht und durch das Los aus der Goldenen Urne [bestätigt] werden müssten. Er sagte, die Reinkarnation Lebender Buddhas als System für die gesunde Weitergabe des tibetischen Buddhismus sei eine ernste Sache, die auch der 14. Dalai Lama respektieren müsse und nicht anwenden oder lassen könne, wie es ihm passe.
Der 14. Dalai Lama wurde am 6. Juli 88 Jahre alt. Der Kashag (das Kabinett der tibetischen Exilregierung) erklärte am 29. September 2022 in einem Positionspapier, dass der 14. Dalai Lama das Alter von 113 Jahren erreichen werde und dass Weisungen zur Frage seiner Reinkarnation ganz in seinem Ermessen lägen. Keine Regierung und keine Person habe das Recht, sich einzumischen. 2011 hatte der Dalai Lama erklärt, dass er mit etwa 90 Jahren darüber beraten werde, ob die Institution des Dalai Lama fortbestehen solle oder nicht.
1995 entführte die chinesische Regierung die vom Dalai Lama anerkannte Reinkarnation des 10. Panchen Lama und setzte einen eigenen 11. Panchen ein. Die Panchen Lamas gelten als zweithöchste geistliche Autorität der Gelug-Schule des tibetischen Buddhismus nach dem Dalai Lama und spielen eine wichtige Rolle bei der Identifizierung von dessen Reinkarnation. Am 22. Februar 2023 erklärte die chinesische Global Times jedoch, dass Dalai Lama und Panchen Lama im tibetischen Buddhismus gleichrangig seien. Zur Positionierung des „offiziellen“ Panchen Lama siehe den folgenden Eintrag (globaltimes.cn 22.02.; 29.06.; www.tibetology.ac.cn/2023-07/13/content_42445624.htm; China heute 2012, Nr. 1, Dokumentation [Erklärung des Dalai Lama von 2011]; 2022, Nr. 3, Chronik, Buddhismus, 29. September 2022 [betr. Papier des Kashag]). kwt

11./12. Juli 2023:
11. Panchen Lama über Sinisierung: Tibetischer Buddhismus muss sich von „Religion in China“ zu „chinesischer Religion“ transformieren
Der von der chinesischen Regierung eingesetzte 11. Panchen Lama sprach auf der jährlichen Vorstandssitzung des Tibet-Zweigs der Chinesischen buddhistischen Vereinigung (CBV). Wie die staatliche Nachrichtenagentur China News Service berichtete, erklärte er dort: „Vorantreiben der Sinisierung des tibetischen Buddhismus bedeutet, dass er eine tiefgreifende Transformation von einer ‚Religion in China‘ zu einer ‚chinesischen Religion‘ umsetzen muss. Er muss in religiöser Lehre und religiösen Regeln, im Verwaltungssystem, in Riten und Bräuchen, in Verhaltensnormen usw. schrittweise klare chinesische Charakteristika ausbilden und zu einer Religion werden, die mit der vorzüglichen traditionellen Kultur Chinas verschmilzt und an die sozialistische Gesellschaft angepasst ist.“ Der tibetische Buddhismus werde nur dann „die schöne Zukunft einer gesunden Entwicklung“ haben, wenn er sich den Bedürfnissen von Vaterland und Volk anpasse und dem Ruf der Zeit und der Zivilisation folge. Konkret schlug er vor, man solle die Errichtung eines „Dienstleistungszentrums für die Auslegung der religiösen Lehren des tibetischen Buddhismus“ im Tibet-Zweig der CBV anstreben, in dem Experten, Gelehrte und hundert hochrangige Mönche zur Umsetzung des Projekts für die Auslegung der religiösen Lehren konzentriert würden (https://chinanews.com.cn/gn/2023/07-12/10041810.shtml ). kwt

15.–19. August 2023:
Chinesische Delegation nimmt am Inter­nationalen Buddhistischen Forum „Traditional Buddhism and Challenges of Modernity“ in Ulan-Ude in der Republik Burjatien teil
Meldungen zufolge nahmen 600 Personen aus 13 Ländern an dem Forum teil, darunter 80 ausländische Delegierte. Der Bericht auf der Website der Chinesischen buddhistischen Vereinigung (CDV) nennt neben China Russland, Kambodscha, Bhutan, Laos, die Mongolei, Myanmar, Nepal, Sri Lanka, Thailand und Vietnam. Doch auch aus Indien kamen Teilnehmer, beispielsweise der Abt des tibetischen Exilklosters Drepung Gomang. Den Organisatoren zufolge richtete sich die Konferenz an Teilnehmende aus buddhistisch geprägten Ländern. Die Burjaten sind eine mongolische Ethnie, sie sind mehrheitlich Anhänger des Buddhismus tibetischer Tradition. Das Forum wurde vom Buddhist Traditional Sangha of Russia, der Regierung der Republik Burjatien der Russischen Föderation und der russischen Stiftung zur Förderung buddhistischer Bildung und Forschung organisiert. Grußbotschaften schickten u.a. der russische Präsident Putin und Außenminister Lavrov. Die 6-köpfige chinesische Delegation wurde vom Abt des Lama-Tempels in Beijing, dem ethnischen Mongolen Hu Xuefeng 胡雪峰, geleitet, der einer der Vizevorsitzenden der CDV ist. Dem CDV-Bericht zufolge gab der burjatische Präsident Alexej Zydenow gegenüber der chinesischen Delegation der Hoffnung Ausdruck, dass über die Brücke des Buddhismus der Austausch und die Beziehungen zwischen den Ländern Russland und China weiter gestärkt würden (https://vk.com/wall-1142099_41688?lang=en; bitterwinter.org 12.09.; www.chinabuddhism.com.cn 30.08; www.drepunggomang.org/news-events). kwt

16. August 2023:
Sitzung über Ausbildung und Erziehung tibetisch-buddhistischer Mönche in Lhasa – neue Angaben über die Tibetische buddhistische Akademie
Während der Sitzung, an der auch der offizielle 11. Panchen Lama teilnahm, sprach Vizerektor Wang Daocong 王道聪 über die seit 12 Jahren bestehende Tibetische buddhistische Akademie (西藏佛学院) in Lhasa. An der Akademie studieren laut Wang derzeit 906 Personen, die aus mehr als 400 Klöstern der fünf großen Schulrichtungen [also inklusive der Bön-Religion] des tibetischen Buddhismus kommen. Es gibt 40 Dozenten für Buddhismus und 35 Dozenten für allgemeinen Unterricht, Politik und Recht. Man verfolge ein integratives Konzept, das keine Schulrichtung einseitig bevorzuge. Mönche und Nonnen würden seit 2014 zusammen studieren, dies sei eine Pionierleistung in der Geschichte des tibetisch-buddhistischen monastischen Lernens, die dem Bedürfnis der Mehrheit der Nonnen entspreche, die Sutren zu studieren. Lobsang, Vize-Generalsekretär des Tibet-Zweigs der CBV, berichtete, dass seit dem Erlass der „Vorläufigen Verwaltungsmaßnahmen des Autonomen Gebiets Tibet für den Erwerb des Studiengrads des Geshe-Lharampa durch Mönche des tibetischen Buddhismus“ im Jahr 2003 bis heute 177 hochrangige Mönche diesen Studiengrad [den höchsten Gelehrtengrad des tibetischen Buddhismus] erworben hätten. Diese Mönche bekleideten nun großenteils wichtige Positionen in den Klöstern, einige seien auch auf verschiedenen Ebenen Mitglieder von Volkskongressen oder Politischen Konsultativkonferenzen oder Vorstände buddhistischer Vereinigungen. In den letzten Jahren sei festgelegt worden, dass jährlich 7 bis 13 Mönche an der Geshe-Lharampa-Prüfung teilnehmen sollten, davon jeweils ein Mönch aus den Klöstern Tashi Lhunpo, Galden Jampaling, Drepung, Sera und Ganden sowie zwei bis sechs Mönche aus anderen Klöstern, sagte Lobsang. Der Bericht des China News Service über die Sitzung gab auch die Rede des 11. Panchen wieder, der unter anderem den chinesischen Philosophen Wang Yangming 王阳明 (1472–1529) als Vorbild für Lebende Buddhas und hochrangige Mönche hinstellte (www.chinanews.com.cn/gn/2023/08-16/10061916.shtml; vgl. China heute 2021, Nr. 4, Chronik, Buddhismus, 19 November 2021 [10 Jahre Tibetische buddhistische Akademie]). kwt

10. September 2023:
Behörden versuchen riesigen Zustrom zu Kalachakra-Unterweisung des 7. Gungthang Rinpoche zu beschränken
Die Kalachakra-Unterweisung des Gungthang Rinpoche fand vom 15. bis 17. September 2023 in der Großgemeinde Zuogaimanma (tibet. Dzoghe Mema) in der Stadt Hezuo (tibet. Tsoe) im Autonomen Bezirk Gannan der Tibeter in der Provinz Gansu statt. Die Behörden hatten die Durchführung genehmigt. Wie Radio Free Asia (RFA), die International Campaign for Tibet (ICT) und andere Medien meldeten, kampierten schon Tage vor Beginn des Kalachakra Tausende von tibetischen Gläubigen, die an der Unterweisung teilnehmen wollten, in der Nähe des Ortes. Ein von RFA analysierte Satellitenaufnahme vom 13. September zeigte dem Sender zufolge eine mit Zelten bedeckte Fläche von etwa 340 Hektar, eine Quelle von RFA schätzte die Zahl der für das Kalachakra angereisten Gläubigen auf über 100.000. Am 10. September erließ die Regierung der Großgemeinde Zuogaimanma laut RFA eine Verlautbarung, in der es hieß, das Ritual richte sich nur an Klerus und Gläubige der Großgemeinde und der Gemeinde Zuogaiduoma, des Heimatorts des 7. Gungthang Rinpoche. Gläubige aus anderen Orten sollten nach Hause gehen, um Verkehrsbehinderungen, Gedränge und Chaos zu vermeiden. ICT zufolge scheinen Tausende von tibetischen Gläubigen dennoch geblieben zu sein. Ursprünglich hatte die Kalachakra-Unterweisung des Gungthang bereits im Juli stattfinden sollen, war von den Behörden aber kurzfristig abgesagt worden.
Der Gungthang Rinpoche ist die zweithöchste Reinkarnation des Klosters Labrang Tashikhyil in der Provinz Gansu. Der 7. Gungthang Lobsang Geleg Tenpe Khenchen wurde 2002 geboren, ist also erst 21 Jahre alt. Seine Identifikation als Reinkarnation des 6. Gungthang erfolgte 2004 mit Zustimmung der chinesischen Zentralregierung. Wie der Tibetologe Martin Slobodník anlässlich der Inthronisation des jungen Gungthang im Jahr 2006 schrieb, war der 6. Gungthang Rinpoche Jogme Tenpe Wangchug (1926–2000) ein sehr einflussreicher Lama. Seine Kalachakra-Unterweisungen in den 1990er Jahren hätten riesige Mengen von über 100.000 Tibetern angezogen und zum Wiederaufleben des Buddhismus nach der Kulturrevolution beigetragen, so Slobodník. Die Beliebtheit seines Vorgängers hat sich also offenbar auf den jungen 7. Gungthang übertragen (RFA 17.07.; 14.09.; savetibet.org 26.07.; 19.09.; M. Slobodník, „Inthronisierung des 7. Gungthang Rinpoche“, in: China heute 2006, Nr. 4-5, Informationen). kwt

25. Oktober 2023:
Chinesische buddhistische Vereinigung (CBV) feiert 70-jähriges Bestehen
Die Gedenkfeier aus diesem Anlass fand in Beijing statt. Am gleichen Tag empfing Wang Huning, der Vorsitzende der Politischen Konsultativkonferenz des chinesischen Volkes, führende Vertreter der CBV. Er ermahnte die Buddhisten, das Xi Jinping-Denken zum Sozialismus chinesischer Prägung im neuen Zeitalter sowie Xis wichtige Ausführungen zur Religionsarbeit tiefer zu studieren und die Anhänger des Buddhismus zu Beiträgen für die Verwirklichung des Chinesischen Traums zusammenzuschließen.
Laut einem Text, der aus Anlass des Jubiläums über das WeChat-Konto der Einheitsfrontabteilung der KP verbreitet wurde, fand die Gründungsversammlung der CBV vom 30. Mai bis 3. Juni 1953 im Guangji-Tempel in Beijing statt. Der Beitrag zitiert Zhao Puchu 赵朴初 (1907–2000), der die CBV von den 1950er Jahren bis zu seinem Tod führte, mit den Worten: „Ein nationales buddhistisches Gremium wie dieses, das von Buddhisten aus allen Regionen, Nationalitäten und Schulrichtungen des Landes initiiert, mitgetragen und organisiert wird, hatte es in der Geschichte unseres Landes noch nie gegeben.“ Die Gründung der CBV zeige die Einigkeit der Buddhisten des Neuen China, ihren Eifer für die Verbreitung des Dharma und ihren gemeinsamen Wunsch, sich für Staat und Weltfrieden einzusetzen – so das Zhao-Zitat (Xinhua 25.10.; Tongzhan xinyu nach chinabuddhism.com 25.10.). kwt

Islam

18. August 2023:
Fachtagung in Urumqi zum Thema „An der Ausrichtung des Islam in Xinjiang auf Sinisierung hin festhalten“
Ein Bericht des China News Service über die Tagung fasste Aussagen der 20 teilnehmenden Islamvertreter und Wissenschaftler zusammen. Themen waren insbesondere der Aufbau eines Systems für Koranstudien mit chinesischen Besonderheiten sowie die Formel 伊儒会通 (etwa: „Integration von Islam und Konfuzianismus“) (Zhongxinwang 30.07. nach www.zysy.org.cn/article/4E7PpduZgQl). Für Details siehe den Beitrag in den Informationen dieser Nummer. kwt

26. August 2023:
Xi Jinping hält in Urumqi programmatische Rede zur Xinjiang-Politik, fordert vertiefte Sinisierung des Islam
Der Nachrichtenagentur Xinhua zufolge erklärte Xi unter anderem, die Wahrung der gesellschaftlichen Stabilität stehe an erster Stelle. „Es ist notwendig, den Mechanismus zur Vorbeugung und Lösung großer Risiken und versteckter Gefahren zu verbessern, den Kampf gegen Terrorismus und Separatismus mit der Förderung von Verrechtlichung und Normalisierung der Stabilitätsarbeit zu verbinden und darauf zu bestehen, sowohl die Symptome als auch die Grundursachen zu bekämpfen [...]. Die Sinisierung des Islam muss vertieft und alle Arten illegaler religiöser Aktivitäten müssen wirksam bekämpft werden. Es ist notwendig, das Bewusstsein für Gefahren zu schärfen [...], um die schwer errungene gesellschaftliche Stabilität zu konsolidieren“, sagte Xi (Xinhua 26.08.). kwt

Judentum

Mitte Juli bis Ende August 2023:
Ausstellung zur früheren jüdischen Präsenz in Tianjin
Laut Berichten der offiziellen China Daily fand von Mitte Juli bis Ende August 2023 unter dem Titel „Jews in Modern Tien­tsin“ eine Fotoausstellung zur jüdischen Präsenz in Tianjin in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts statt. Die Höchstzahl an Juden in Tianjin – in den 1930er und 1940er Jahren vor allem jüdische Flüchtlinge – betrug damals ca. 3.500 Personen. Kuratorin der Fotoausstellung war die 70-jährige Anna Song, eine ehemalige Journalistin bei Tianjin Daily, die seit 2001 Fotos sammle und jüdische Menschen in der ganzen Welt interviewe, so der Artikel vom 26. Juli in China Daily. Irit Ben-Abba, Israels Botschafterin in China, besuchte die Ausstellung. Sie ist Teil einer größeren Ausstellung, die 2010 in Jerusalem und 2011 in Tel Aviv gezeigt wurde. Alle Ausstellungsgegenstände und Fotos seien Geschenke von ehemals in Tianjin lebenden Juden an Israel und Teil der Sammlung des Diaspora Museum an der Tel Aviv University, so China Daily. Anna Song hat in der Vergangenheit bereits mehrere Publikationen zum Thema herausgebracht, u.a. The Jews in Tianjin (犹太人在天津, Beijing 2004) (China Daily 26.07.). kf

Protestantische Kirchen

11.–23. September 2023:
Chinabesuch von EKD und EMW
Vom 15. bis 23. September besuchten Oberkirchenrätin Ute Hedrich (Evangelische Kirche in Deutschland, EKD), Pastor Dr. Eckhard Zemmrich (Evangelische Mission Weltweit, EMW) und Isabel Friemann (China InfoStelle, bereits ab 11. September) auf Einladung des Chinesischen Christenrates verschiedene religiöse Organisationen in der Volksrepublik China. Ein detaillierter Reisebericht findet sich in den Informationen dieser Nummer.
Isabel Friemann, China InfoStelle

11.–23. September 2023:
Gespräche bei Chinabesuch EKD/EMW: Weniger Theologiestudierende in China
Prof. Chen Yilu, Studienleiter des Nationalen Theologischen Seminars in Nanjing, kann zwar einen Zuwachs an Doktoranden und Doktorandinnen am Seminar verzeichnen, beschreibt aber gleichzeitig einen deutlichen Rückgang der Erstsemester. Über die Hälfte der knapp 20 Doktoranden strebt einen Abschluss mit einem sogenannten „Doctor of Ministry“ an, in dessen Kern eine auf die praktische Gemeindearbeit bezogene Forschungsarbeit steht. Anders als noch vor zehn Jahren haben viele der Studierenden bereits ein anderes Studium absolviert und schon in einem anderen Beruf gearbeitet oder sie haben als ordinierte Kirchenmitarbeiter Erfahrungen gesammelt und setzen ihre Studien fort, um einen höheren akademischen Abschluss anzuschließen.
Das Theologische Seminar in Beijing hat nach Aussage von Pastor Dr. Wu Weiqing, Präsident des Beijing Christian Council und des Seminars, in den letzten Jahren viele potentielle Studierende an das Nationale Seminar in Nanjing verloren. Dort seien die Kapazitäten systematisch aufgebaut worden.
Pastor Dr. Wang Conglian, Präsident des Christenrates der Provinz Guangxi und Leiter der Bibelschule in Nanning, konnte die Zahlen der Neueinschreibungen für das Grundstudium Theologie an der Bibelschule konstant halten. Das sei dem Umstand zu verdanken, dass das bisherige Höchstalter für den Studienbeginn heraufgesetzt wurde. Es gäbe auch Angebote für Menschen mit niedrigerem Bildungsniveau, die als Prädikanten für ein Jahr an der Bibelschule wohnen und eine Grundausbildung absolvieren könnten.
Isabel Friemann, China InfoStelle

11.–23. September 2023:
Gespräche bei Chinabesuch EKD/EMW: Politische Schulungen für kirchliches Personal nehmen zu
Beim Besuch des Nationalen Chinesischen Christenrates in Shanghai sagten Pastor Kan Baoping, Vizevorsitzender der Patriotischen Drei-Selbst-Bewegung, und Präsident Wu Wei, dass sie sehr viel im Land unterwegs seien, um an Konferenzen teilzunehmen und Schulungen zu geben. Berichte über Trainingskurse zum richtigen Verständnis der Kirchenordnung des chinesischen Protestantismus und zur Sinisierung finden sich auch auf der Internetseite des Chinesischen Christenrates. Pastor Kan leitete zum Beispiel eine Weiterbildung für kirchliches Führungspersonal in Changchun vom 27.-30. Juni, siehe: https://ccctspm.org/newsinfo/16481.
Isabel Friemann, China InfoStelle

17. September 2023:
Gespräch bei Chinabesuch EKD/EMW: Kampagne „Zurück in den Gottesdienst“ der Chongwenmen-Kirche in Beijing
Bei einem Gespräch mit dem Leitungsteam der Chongwenmen-Kirche in der Innenstadt von Beijing und anschließendem Besuch des Abendgottesdienstes am 17. September berichteten Pastorin Liu Cuimin und Pastorin Li Peiying, dass die Zahlen der Gottesdienstbesuchenden in ihrer Kirche sich im Vergleich zu der Zeit vor Corona ungefähr halbiert hätten. Als Hauptgrund dafür nannten sie den Wegzug vieler Kleinunternehmer und Angestellter, die in kleinere Städte oder aufs Land gezogen seien, weil sie in der Pandemie ihre Arbeit verloren hätten. Auch eine Umstellung der Gewohnheiten auf Online-Formate und spirituelle Praxis zuhause spielten eine Rolle. Die Gemeinde bemüht sich mit einer Kampagne darum, wieder mehr Menschen zur aktiven Teilhabe am kirchlichen Leben zu ermuntern. Auf großen Transparenten, die in der Kirche aufgehängt sind, werden alle Gläubigen auffordert, ihre Freunde und Verwandte zum Gottesdienstbesuch einzuladen. Haupt- und Ehrenamtliche betonen bei der Betreuung von Kleingruppen und bei Hausbesuchen die Wichtigkeit der gemeinsamen Andacht und der sonntäglichen Gemeinschaft. So kämen allmählich auch wieder neue Menschen in die Kirche, die dort besonders herzlich begrüßt würden. Grace Zhi beschreibt im Juli den starken Rückgang der Gottesdienstbesuche nach der Corona-Pandemie in China Christian Daily mit Beispielen aus den Provinzen Heilongjiang und Guangdong. Pastor Wu Wei, Präsident des Chinesischen Christenrates, bestätigte der deutschen Reisegruppe von EKD und EMW am 22. September, dass überall im Land die Zahlen der Gottesdienstbesuchenden in den evangelischen Kirchen um zwischen 30 und 50 Prozent zurückgegangen seien (www.chinachristiandaily.com/article/12982).
Isabel Friemann, China InfoStelle

Katholische Kirche

19. Juli 2023:
Chinesischstämmiger Priester wird neuer Bischof von La Réunion
Bischof Pascal Chane-Teng, der am 19. Juli vom Vatikan ernannt wurde, wurde am 4. Juli 1971 in der Stadt Saint-Pierre, der drittgrößten Stadt der französischen Insel La Réunion im Indischen Ozean östlich von Madagaskar, geboren und gehört zum diözesanen Klerus des Bistums Saint-Denis-de-La Réunion. Sein chinesischer Name lautet Zeng Qinghui 曾慶輝. Seine Vorfahren, ethnische Hakka-Chinesen, stammen aus der Präfektur Meizhou im östlichen Guangdong in Festlandchina und kamen Ende des 19. Jahrhunderts in die Region des Indischen Ozeans. 1923 ließen sie sich auf La Réunion nieder. Die Familie unterhält weiterhin Kontakt zu ihrem Heimatdorf. Der bisherige Generalvikar Chane-Teng ist eng mit der chinesischen katholischen Gemeinde vor Ort verbunden, die aus Nachkommen von Wanderarbeitern vor allem aus Guangdong und Fujian besteht. Geschätzt 25.000 Bewohner von La Réunion sind chinesischer Abstammung (auf Kreolisch nennt man sie Sinwa). Die ersten chinesischen Einwanderer erreichten 1840 die Insel, um auf den Zuckerplantagen zu arbeiten. Es folgten weitere Einwanderungswellen bis ins 20. Jahrhundert hinein. Chane-Teng wurde 2004 zum Priester geweiht und studierte in Rom, bevor er seine Pastoralarbeit zu Hause aufnahm. Er ist Nachfolger des 81-jährigen Bischofs Gilbert Aubry, der die Diözese 47 Jahre lang leitete. Außerdem ist er Mitglied der Theologischen und Pastoralen Kommission der Bischofskonferenz des Indischen Ozeans (CEDOI), zu der die Komoren, Mauritius, Réunion, Mayotte und die Seychellen gehören. Auf La Réunion ist er außerdem Koordinator der Gottesdienste für das chinesische Neujahrsfest und für die Verstorbenen chinesischer Herkunft. Des Weiteren unterrichtet er chinesische Volksreligion auf Universitätsebene (AsiaNews 21.07.; press.vatican.va/content/salastampa/it/bollettino/pubblico/2023/07/19/0516/01149.html 19.07.). kf

7.–15. September 2023:
Chinesische Bischofsdelegation besucht Belgien, die Niederlande und Frankreich
Die fünfköpfige Delegation war auf Einladung von Kardinal Jozef De Kesel, dem Vorsitzenden der Verbiest Foundation in Leuven (Belgien), von der Chinesischen Bischofskonferenz und der Chinesischen katholischen patriotischen Vereinigung nach Europa entsandt worden. Mitglieder der Delegation waren Guo Jincai 郭金才, Bischof von Chengde, Pei Junmin 裴军民, Bischof von Shenyang, und Cui Qingqi 崔庆琪, Bischof von Wuhan, alle drei Vizevorsitzende der Bischofskonferenz, Liu Xinhong 刘新红, Bischof von Anhui und Vizevorsitzender der Patriotischen Vereinigung, sowie der Priester Ding Yang 丁杨 aus der Diözese Chongqing, stellvertretender Generalsekretär der Bischofskonferenz (er nahm später an der Weltbischofssynode in Rom teil). Bischof Guo war kurz vor Reiseantritt noch zum Rektor des Nationalen Priesterseminars in Beijing ernannt worden. In Belgien besprachen die Bischöfe und die Verbiest Foundation Möglichkeiten, ihre kulturellen Austauschaktivitäten zu reaktivieren, insbesondere die chinesischsprachigen Fortbildungskurse in Leuven für Priester, Ordensleute und Laien aus China. Es folgten ein Treffen mit Kardinal De Kesel, dem emeritierten Erzbischof von Mecheln-Brüssel. In der Diözese Tournai konzelebrierten die Bischöfe beim feierlichen Hochamt und nahmen an der seit 900 Jahren stattfindenden Großen Prozession teil. Am 10./11. September waren sie in den Niederlanden. Dort besuchten sie zunächst das Mutterhaus der Steyler Ordensfamilie in Steyl, wo sie sich auch mit Vertretern des China-Zentrums austauschten. Anschließend hatten sie Treffen mit der Schraven Stichting in Broekhuizenvorst und mit dem Bischof von Haarlem-Amsterdam, Jan Hendriks. Vom 12. bis 15. September hielt sich die Delegation in Frankreich auf, u.a. bei den Pariser Missionaren (MEP) (Agenzia Fides 18.09.; chinacatholic.cn 28.09.; Informationen des China-Zentrums). kwt

8. September 2023:
AsiaNews: Priester der Diözese Wen­zhou wegen Betrug verurteilt, weil er offizielle Registrierung verweigerte
Wie AsiaNews unter Berufung auf Quellen in China berichtete, wurde der Priester Josef Yang Xiaoming, geboren am 22. November 1989 im Bezirk Longwan der Stadt Wen­zhou (Provinz Zhejiang), am 18. Dezember 2020 vom Bischof der Diözese Wenzhou, Shao Zhumin, zum Priester geweiht. Auch Bischof Shao hat bisher den Beitritt zur Patriotischen Vereinigung verweigert und ist nicht behördlich als Bischof anerkannt. Am 11. Mai 2021 begann die Religionsbehörde des Bezirks Longwan gegen Priester Yang vorzugehen, weil er sich nicht [wie vorgeschrieben] bei der Religionsbehörde und anderen behördlich kontrollierten Organen registriert habe. Er wurde angeklagt und des Tatbestands [nach § 74 der „Vorschriften für religiöse Angelegenheiten“] für schuldig befunden, „sich fälschlich als religiöser Amtsträger ausgebend religiöse Aktivitäten durchgeführt oder illegale Aktivitäten wie das Erschwindeln von Geld durchgeführt“ zu haben. Die Religionsbehörde verhängte ein Verwaltungsurteil, demzufolge er seine Aktivitäten einzustellen habe, rechtswidriger Gewinn in Höhe von 28.473 RMB konfisziert werde und eine Geldstrafe von 1.526,67 RMB zu zahlen sei. Priester Yang erhob Einspruch mit der Begründung, dass die Beschuldigung, er sei ein falscher Priester, gegen rechtliche Prinzipien verstoße und das Kirchenrecht nicht respektiere, da er von Bischof Shao geweiht worden sei. Priester Yang ist im Besitz einer von Bischof Shao ausgestellten Weiheurkunde, und sowohl die Religionsbehörde als auch die Regierung des Bezirks Longwan haben laut AsiaNews bei dem Verfahren die Echtheit des Dokuments anerkannt und nicht bestritten, dass Yang in Übereinstimmung mit dem katholischen Kirchenrecht zum Priester geweiht wurde. Wie sich der Fall nach Priester Yangs Einspruch weiter entwickelte, berichtete AsiaNews nicht (Asia­News 8.09.).
Bisher wurden die Durchführung priesterlicher Tätigkeiten durch katholische Untergrundpriester seitens der Behörden eher als „illegal“ und nicht als „Betrug“ verfolgt. Hingegen gab es schon wiederholt Gerichtsprozesse gegen nicht registrierte Pastoren evangelischer Hauskirchen, in denen diese des Betrugs angeklagt wurden. kwt

Sino-vatikanische Beziehungen

31. August bis 4. September 2023:
Papst Franziskus setzt bei seiner Reise in die Mongolei Zeichen in Richtung China
Bereits auf dem Hinflug in die Mongolei hatte sich Papst Franziskus beim Überfliegen des chinesischen Luftraums – wie es Usus ist – in einem Grußtelegramm an Chinas Staatsoberhaupt gewandt. Laut Vatican News vom 1. September grüßte er Präsident Xi Jinping und die chinesische Bevölkerung: „Ich sichere Ihnen meine Gebete für das Wohlergehen der Nation zu und ich erbitte für Sie alle den göttlichen Segen von Einheit und Frieden“, so das kurze Telegramm weiter. Bei der täglichen Pressekonferenz im chinesischen Außenministerium sagte Außenamtssprecher Wang Wenbin auf die Frage von Reuters, wie China auf die Botschaft des Papstes reagiere: „China hat die Berichte zur Kenntnis genommen. Die Grüße aus dem Vatikan sind Ausdruck von Freundschaft und gutem Willen. China und der Vatikan haben in den letzten Jahren die Kommunikation aufrechterhalten. China möchte den konstruktiven Dialog mit dem Vatikan fortsetzen, das Verständnis verbessern, gegenseitiges Vertrauen aufbauen und den Prozess der Verbesserung der Beziehungen zwischen beiden Seiten vorantreiben.“
Papst Franziskus nutzte die Reise zu einem weiteren Gruß an das chinesische Volk. Am Ende der Messe in der „Steppe-Arena“ in Ulaanbaatar am Sonntag, 3. September, nahm der Papst den emeritierten Bischof von Hongkong, Kardinal John Tong Hon, und den aktuellen Amtsinhaber Bischof Stephen Chow Sau-yan SJ an die Hand und sagte auf Italienisch unter mehrfachem Applaus ins Mikrofon: „Diese beiden Brüder im Bischofsamt, der emeritierte Bischof von Hongkong und der derzeitige Bischof von Hongkong: Ich möchte ihre Anwesenheit zum Anlass nehmen, einen herzlichen Gruß an das edle chinesische Volk zu richten. Dem ganzen Volk wünsche ich das Beste und dass es immer vorwärts geht, immer vorankommt! Und die chinesischen Katholiken bitte ich, gute Christen und gute Bürger zu sein. Zu allen. Danke schön.“ Am gleichen Tag hatte Papst Franziskus auch den in Beijing residierenden Botschafter von Argentinien getroffen. Das Treffen mit Gustavo Sabino Vaca Narvaja fand in der Apostolischen Präfektur in Ulaanbaatar statt, wo der Papst während seines Aufenthaltes in der Mongolei wohnte. Auch hatte sich der Papst bei der persönlichen Begegnung am Ende des Treffens mit Bischöfen, Priestern, Missionaren, Personen des geweihten Lebens und pastoralen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern am 2. September in der Kathedrale Peter und Paul in Ulaanbaatar vergleichsweise lange mit Bischof Chow ausgetauscht. Der Bischof von Macau, Stephen Lee Bun-sang, war ebenfalls beim Papstbesuch.
Auf der „fliegenden Pressekonferenz“ auf dem Rückflug warb der Papst, wie VaticanNews am 4. September schreibt, wiederum „deutlich um die Gunst Pekings“: „Die Beziehungen zu China sind sehr respektvoll. Ich bewundere das chinesische Volk sehr, die Kanäle sind sehr offen, für die Ernennung von Bischöfen gibt es seit einiger Zeit eine Kommission, die mit der chinesischen Regierung und dem Vatikan zusammenarbeitet …“ Er glaube, dass man auf dem „freundschaftlichen Weg“ jetzt vor allem „im religiösen Bereich vorankommen“ müsse. Franziskus fuhr fort: „Damit wir uns gegenseitig besser verstehen. Und damit die chinesischen Bürger nicht denken, dass die Kirche ihre Kultur und ihre Werte nicht akzeptieren würde, oder dass die Kirche von einer ausländischen Macht abhängig wäre.“
Laut AsiaNews waren etwa 200 chinesische Katholikinnen und Katholiken aus Hongkong, Taiwan, Macau und der VR China bei dem Besuch in der Mongolei anwesend. Im Vorfeld der Reise war es den chinesischen Bischöfen und auch Gläubigen verboten worden, in die Mongolei zu reisen. Die Anordnung, so Gerard O’Connell in America, sei von der Einheitsfront der Kommunistischen Partei gekommen. Dennoch gelang es einer Reihe von Katholiken, beim Besuch des Papstes anwesend zu sein (America Magazine 31.08.; 3.09.; AsiaNews 4.09.; Vatican News 1.09.; 4.09.; www.vatican.va/content/francesco/de/homilies/2023/documents/20230903-mongolia-omelia.html 3.09.; www.mfa.gov.cn/eng/xwfw_665399/s2510_665401/202309/t20230901_11137081.html 1.09.). kf

13.-15. September 2023:
Friedensbeauftragter des Papstes, Kardinal Matteo Zuppi, in Beijing
Vom 13. bis 15. September hielt sich Kardinal Zuppi in Beijing auf, um im Auftrag von Papst Franziskus „Wege zum Frieden in der Ukraine zu erörtern“, so Vatican News vom 14. September. Die Mission, die Franziskus selbst als „Friedensoffensive” zur „Minderung von Spannungen“ in der gemarterten Ukraine bezeichnet hat, führte den Erzbischof von Bologna und Vorsitzenden der italienischen Bischofskonferenz zwischen Juni und Juli bereits nach Kiew, Moskau und Washington. Am 14. September fand in Beijing ein Gespräch mit dem Sonderbeauftragten im chinesischen Außenministerium für eurasische Angelegenheiten, Li Hui, statt. Das Gespräch, das „in einer offenen und herzlichen Atmosphäre stattfand“, wie aus dem Statement vom Vatikan vom Vorabend hervorgeht, sei „dem Krieg in der Ukraine und seinen dramatischen Folgen gewidmet“ gewesen. Dabei sei die Notwendigkeit betont worden, „die Bemühungen zur Förderung des Dialogs zu vereinen und Wege zum Frieden zu finden“. Auch das Problem der Ernährungssicherheit sei angesprochen worden, „in der Hoffnung, dass die Getreideexporte, insbesondere für die am stärksten gefährdeten Länder, bald wieder gewährleistet werden können“. Die Reise seines Sondergesandten Zuppi sei eine „weitere Etappe in der vom Papst gewollten Mission, um humanitäre Initiativen zu unterstützen und Wege zu suchen, die zu einem gerechten Frieden führen können“, hatte das vatikanische Presseamt am Vorabend der Reise des Kardinals verlauten lassen, der zuvor noch beim internationalen Friedenstreffen von S. Egidio in Berlin für die päpstliche Friedenspolitik geworben hatte.
Li Hui ist von der chinesischen Regierung damit beauftragt, Wege zu einem Frieden in der Ukraine zu sondieren. So sei er in den vergangenen Monaten in der Ukraine und in Russland, aber auch in der EU-Zentrale in Brüssel sowie in Deutschland, Frankreich und Polen zu Gesprächen über eine „politische Lösung“ der Krise unterwegs gewesen, wie das chinesische Außenministerium im Vorfeld der Reise angekündigt hatte (Vatican News 14.09.; https://press.vatican.va/content/salastampa/it/bollettino/pubblico/2023/09/12/0622/01360.html). kf

4.–29. Oktober 2023:
Bischofssynode im Vatikan: Chinesische Bischöfe reisen vorzeitig ab
An der Weltsynode „Für eine synodale Kirche – Gemeinschaft, Teilhabe und Sendung“ im Vatikan vom 4.–29. Oktober 2023 nahmen zwei Bischöfe aus Festlandchina teil, die allerdings nach 12-tägiger Teilnahme vorzeitig wieder nach Beijing zurückreisten. Der vatikanische Kommunikationschef Paolo Ruffini bestätigte am 16. Oktober, dass die Bischöfe wegen „seelsorgerlicher Erfordernisse“ in ihren Bistümern nach China zurückkehrten. Die Abreise erfolgte offensichtlich einen Tag später. Am 21. September hatte der Vatikan bei einer Pressekonferenz am Vorabend des fünften Jahrestages der Unterzeichnung des sino-vatikanischen Abkommens über die Bischofsernennungen vom 22. September 2018 überraschend verlauten lassen, dass zwei Bischöfe aus China als offizielle Delegierte an der bevorstehenden Weltsynode teilnehmen würden: Bischof Anton Yao Shun von Jining, Innere Mongolei, und Bischof Joseph Yang Yongqiang von Zhoucun, Shandong. Bischof Yang wurde, so CNA, 2010 mit Zustimmung des Vatikans zum Bischof geweiht und ist seit 2013 Bischof von Zhoucun. Bischof Yao Shun wurde am 26. August 2019 als erster Bischof im Rahmen des sino-vatikanischen Abkommens geweiht. Aus dem chinesischsprachigen Raum nahmen an der Synode auch der taiwanische Bischof Norbert Pu von Chiayi und Kardinal Stephen Chow SJ, Bischof von Hongkong, teil.
Eine vorzeitige Abreise von einer Synode gab es bereits 2018: Bischof Joseph Guo Jincai von Chengde und Bischof Yang Xiaoting von Yan’an hatten an der ersten Hälfte der Jugendsynode 2018 teilgenommen, bevor sie die Synode ebenfalls vorzeitig verließen. The Pillar schreibt am 19. Oktober mit Berufung auf chinesische kirchliche Quellen, dass die chinesische Regierung Bischof Yao und Bischof Yang nur für eine kurze Zeit eine Ausreisegenehmigung erteilt hatte (Catholic News Agency 24.09., 16,10.; Domradio 16.10.; The Pillar 19.10.). kf

Hongkong

1.–6. August 2023:
300 Jugendliche aus Hongkong beim Weltjugendtag in Lissabon
Nach einem Bericht von Fides wollten mehr als 300 Jugendliche aus der Diözese Hongkong am Weltjugendtag (WJT) in Lissabon teilnehmen. Die Jugendlichen waren in 14 Gruppen aus Pfarreien, Ordensgemeinschaften, Schulen und kirchlichen Gemeinschaften organisiert. Von März bis Juni nahmen sie in Hongkong an vier Treffen und verschiedenen Vorbereitungsphasen teil. Auf dem Programm standen dabei auch Meditationen über das Evangelium, eucharistische Anbetung und gemeinsame Gebete. „Papst Franziskus hat euch eingeladen und euch empfohlen, aus euch herauszugehen und dem Ruf des Herrn zu folgen, indem ihr euch mit jungen Menschen aus der ganzen Welt trefft und euch gegenseitig ermutigt“, so der Bischof von Hongkong, Stephen Chow Sau-yan SJ, laut Fides-Bericht während eines feierlichen Gottesdienstes für die Jugendlichen am 2. Juli in der Kathedrale von Hongkong. Auf dem Weg zum Weltjugendtag in Lissabon verbrachten 17 der Jugendlichen eine Woche in Hongkongs Partnerbistum Essen. Die Partnerdiözesen Essen und Hongkong pflegen besonders den Austausch zwischen ihren jungen Menschen (Fides 12.07.; https://www.bistum-essen.de/pressemenue/artikel/junger-besuch-aus-dem-partnerbistum-hongkong 21.07.). kf

10. / 29. August 2023:
Hongkonger Polizei verhaftet u.a. katholische Aktivistin
Im Rahmen des 2020 in Kraft getretenen nationalen Sicherheitsgesetzes wurden am 10. August bei einer Razzia sechs Männer und vier Frauen verhaftet, unter ihnen die prominente prodemokratische Aktivistin und frühere Vorsitzende der diözesanen Kommission für Gerechtigkeit und Frieden Bobo Yip. Eine Erklärung der nationalen Sicherheitspolizei Hongkongs bestätigte die Verhaftungen und bekundete, dass die 10 Festgenommenen zwischen 26 und 43 Jahren verdächtigt würden, „sich mit einem fremden Land oder mit externen Elementen verschworen zu haben, um die nationale Sicherheit zu gefährden … und Unruhen anzuzetteln“, und zwar im Zusammenhang mit dem 612 Humanitarian Relief Fund, demselben Vorwurf und derselben Organisation, die im vergangenen Jahr am 11. Mai kurzfristig zur Verhaftung des ehemaligen Bischofs von Hongkong, Kardinal Joseph Zen, geführt hatte. Kardinal Zen war Ende November 2022 zu einer Geldstrafe von 4.000 Hongkong-Dollar wegen fehlender Registrierung des Fonds verurteilt worden. Der Fonds war 2019 zur Unterstützung von während Demonstrationen in Hongkong zu Schaden gekommenen Personen gegründet, im Oktober 2021 allerdings aufgelöst worden. Am 29. August 2023 kam es im Zusammenhang mit den Fonds zur Verhaftung zweier weiterer Personen (AsiaNews 11.08.; Radio Free Asia nach LICAS 11.08.; Radio Free Asia 30.08.; The Pillar nach Hong Kong Free Press 10.08.). kf

23. August 2023:
China.Table berichtet: Hongkong bestätigt Länge von Haftstrafen
Laut dem Bericht von China.Table vom 23. August hat das Oberste Gericht in Hongkong entschieden, dass nach dem nationalen Sicherheitsgesetz verhängte Haftstrafen nicht verkürzt werden können. Bei der Beschreibung der Straflänge verwende das Gesetz „verbindliche Formulierungen“, hätten die Richter laut der Nachrichtenagentur AFP erklärt (China.Table 23.08.). kf

30. September 2023:
Bischof Stephen Chow SJ wird Kardinal
Beim Konsistorium am 30. September in Rom nahm Papst Franziskus u.a. Bischof Stephen Chow SJ von Hongkong ins Kardinalskollegium auf. Vatican News schrieb bereits am 9. Juli: „[…] bedeutsam ist die Erhebung des Bischofs von Hongkong (China), Stephen Sau-yan Chow, in den Senat des Papstes. Chow, der wie Franziskus dem Jesuitenorden angehört, hat unlängst Peking besucht; dem Vatikan ist die Verbesserung der Lage der Katholiken in China ein großes Anliegen. […].“ Bischof Chow war am 4. Dezember 2021 zum Bischof der Diözese Hongkong geweiht worden. Mit den Kardinälen Chow, Joseph Zen und John Tong gibt es in Hongkong nunmehr zeitgleich drei Kardinäle. Kardinal Zen und Kardinal Tong werden aus Altersgründen allerdings nicht mehr an einer Papstwahl teilnehmen können. Es setzt sich eine gute Tradition fort, da bereits Zens Vorgänger, Kardinal Wu, die Ehre der Kardinalswürde erhalten hatte. In der Tat ist die Erhebung von Bischof Chow in den Kardinalsstand Ausdruck einer Würdigung der Diözese Hongkong, auch in ihrer Funktion als Brückenkirche zur Kirche auf dem chinesischen Festland.
Bei einem Pressegespräch beim Vatikanischen Presseamt am 28. September, zwei Tage vor der Erhebung der 21 neuen Kardinäle, brachte Stephan Chow seine Überraschung über die Ernennung zum Ausdruck. Papst Franziskus bezeichnete er als „Papst der Überraschungen“. Er betonte die Bedeutung der Vielzahl von Orten, aus denen die neuen Kardinäle kämen (so nannte er auch Kardinal Giorgio Marengo in der Mongolei), und die historische Rolle Hongkongs als Brücke zwischen Ost und West und der Kirche als Brücke zwischen der Kirche in China und der Universalkirche. Gleichzeitig brachte er seine Freude über die Teilnahme zweier Bischöfe vom chinesischen Festland an der Weltbischofssynode „Für eine synodale Kirche – Gemeinschaft, Teilhabe und Sendung“ im Oktober 2023 in Rom, an der er auch persönlich teilnahm, zum Ausdruck (Domradio 9.07.; Vatican News 9.07., 28.09.). kf

3. Oktober 2023:
AsiaNews berichtet: Akkreditierungsrat von Hongkong gibt grünes Licht für katholische Universität
Das Caritas Institute of Higher Education (CIHE) erfülle die Kriterien, um eine private Universität zu werden, berichtet AsiaNews am 3. Oktober. Nun müsse die Regierung von Hongkong die neue Einrichtung, die den Namen Saint Francis University tragen soll, offiziell genehmigen. Hongkongs Kardinal Stephen Chow hat sich wiederholt öffentlich stark für dieses Projekt eingesetzt, das von der Diözese Hongkong gefördert wird. Nach Aussagen der Headline Daily, einer chinesischsprachigen Zeitung, erhielt das CIHE, eine postsekundäre Hochschule mit einem starken Zweig in Pflegewissenschaften, bereits grünes Licht vom Hongkonger Rat für die Akkreditierung akademischer und beruflicher Qualifikationen (Hong Kong Council for Accreditation of Academic and Vocational Qualifications HKCAAVQ), so AsiaNews. Für das CIHE sei die letzte, politische Hürde die formelle Anerkennung seitens der Regierung unter Chief Executive John Lee. „Falls dies geschieht, wird Hongkong eine neue private Universität bekommen, die dritte neben der Hong Kong Shue Yan University (HKSYU bzw. SYU) und der Hang Seng University of Hong Kong (HSUHK)“, schreibt AsiaNews. Bereits in den 1970er Jahren, so AsiaNews, hatte sich der damalige Bischof Francis Hsu für eine solche Einrichtung eingesetzt. Heute biete das CIHE zusammen mit dem Caritas Bianchi College of Ca­reers postsekundäre Studiengänge in 35 verschiedenen Disziplinen an, die von Sozialwissenschaften bis hin zu Technik und Wirtschaft reichten und rund 2.500 Studierende umfassten. Kardinal Chow fördere die Idee einer katholischen Universität in Hongkong seit seiner Zeit als Provinzoberer der Jesuiten – bevor er Bischof wurde. Zunächst wurde ein völlig neuer Universitätskomplex in Fanling in der Nähe der Grenze zu Festlandchina ins Auge gefasst, die Behörden hätten dies allerdings aus städtebaulichen Gründen abgelehnt. Als Kardinal Chow Bischof wurde, habe er, so AsiaNews, das Projekt wieder aufgenommen und vorgeschlagen, dass das CIHE als Universität anerkannt werden sollte (AsiaNews 3.10.). kf

11. Oktober 2023:
Synodenväter sollen sich für Freilassung des Hongkonger Verlegers Jimmy Lai einsetzen
Nach einem Bericht vom 11. Oktober der chinesischsprachigen Zhuixinbao (Chaser News), die seit 2022 als unabhängiges Nachrichtenportal von London aus agiert, hat sich Lai Chong En, Sohn des 73-jährigen Apple Daily-Gründers Jimmy Lai (die Zeitung wurde 2021 geschlossen), zusammen mit amerikanischen katholischen Wissenschaftlern an die Bischofssysnode im Vatikan gewandt und die Bischöfe aufgefordert, zum Fall Jimmy Lai Stellung zu nehmen. Jimmy Lai, Katholik, ist seit 2020 im Rahmen des nationalen Sicherheitsgesetzes in Hongkong in Haft. Lai sagte, sein Vater sei von Gott inspiriert worden, nach der Einführung des Gesetzes über die nationale Sicherheit in Hongkong zu bleiben, und sei schließlich aus diesem Grund inhaftiert worden. Er forderte die katholische Kirche auf, öffentlich seine sofortige Freilassung zu fordern. Sein Vater sei für viele Dinge bekannt: „Er ist ein Zeitungsverleger, ein Unternehmer, ein Verfechter der Demokratie, ein Gefangener aus Gewissensgründen, und zusätzlich zu all diesen Dingen ist mein Vater seit 1997 ein gläubiger Katholik.“ Lai beschreibt seinen Vater als den gelebten Geist des Katholizismus: „Er war bereit, alles aufzugeben, um für seinen Glauben einzustehen und seine Religionsfreiheit zu verteidigen“ (Zhuixinbao 11.10.). Auch Kardinal Zen, emeritierter Bischof von Hongkong, hat sich mehrfach für die Freilassung von Jimmy Lai eingesetzt. kf

Macau

1.-6. August 2023:
Ca. 100 Jugendliche aus Macau beim Weltjugendtag
Die Jugendlichen der diözesanen Jugendpastoral und aus portugiesischsprachigen Gemeinden Macaus besuchten im Vorfeld des Weltjugendtages auch den Marienwallfahrtsort Fatima. Zusätzlich zu diesen beiden Hauptgruppen nahmen aus Macau kleinere Gruppen des Neokatechumenalen Wegs und von Opus Dei sowie einige Schüler des Don Bosco Colleges, die zusammen mit der Hongkonger Gruppe nach Lissabon reisten, am Weltjugendtag teil (AsiaNews 28.07.). kf

6. Oktober 2023:
Größerer Zulauf an katholischen Schulen
Laut einem Bericht von O’Clarim, der katholischen Diözesanzeitung von Macau, ziehen die 26 katholischen Schulen und Colleges in Macau immer mehr Schüler an, so Stephan Chan Teng-fong, Vorsitzender der diözesanen Bildungskommission. In einem ausführlichen Interview spricht Chan über die Werte und den Auftrag der lokalen katholischen Schulen sowie über die Herausforderungen, denen sie sich stellen müssen. In den letzten Jahren sei die Zahl der Schülerinnen und Schüler, die sich in katholisch orientierten Bildungseinrichtungen einschreiben, kontinuierlich gestiegen. Dabei sei nur ein kleiner Teil der Schülerschaft katholisch. Im Schuljahr 2022/2023 entfielen auf die katholischen Schulen und Kindergärten 31.004 der insgesamt 87.184 Schulkinder in Macau. Viele der Lehrkräfte hätten selbst katholische Schulen absolviert und würden sich mit den Grundwerten und Überzeugungen identifizieren. In den letzten Jahren gebe es auch eine Zunahme an Taufen unter den Lehrerinnen und Lehrern. Auf die Frage, wie die patriotische Erziehung in den katholischen Schulen von Macau umgesetzt werde, sagte Chan, dass die katholischen Schulen wie andere Schulen auch das Lehrbuch „Moral and Civic Education“ verwendeten. Die Schulen lehrten die Schüler zudem, die Nationalflagge zu hissen und die Nationalhymne zu singen. Die katholischen Schulen in Macau seien Privatschulen, die in der S.A.R. Macau im Rahmen des Gesetzes tätig seien, so dass sie die Verantwortung hätten, die patriotische Erziehung zu fördern. Die größte Herausforderung, der sich auch die katholischen Schulen stellen müssten, seien Veränderungen in den Familienstrukturen, wie z.B. Doppelverdiener- und Alleinerzieherhaushalte, die dazu führen könnten, dass es den Schülern an elterlicher Unterstützung und Begleitung fehle. Die Schulen müssten hier der emotionalen Seite mehr Aufmerksamkeit widmen (O’Clarim 6.10.). kf

Taiwan

5. Oktober 2023:
Taiwans Vatikanbotschafter: Besser einen Krieg vermeiden als ihn später stoppen
Bei einem Empfang mit beim Vatikan akkreditierten Diplomaten sagte Taiwans Botschafter beim Heiligen Stuhl, Matthew Lee: „Taiwan wird alles unternehmen, um auf dem Weg des Friedens zu bleiben.“ „Es ist meine feste Überzeugung, dass es wesentlich entscheidender ist, einen Krieg im Vorhinein zu vermeiden, als ihn später zu stoppen“, so der Botschafter. Der Vatikan ist der einzige Staat in Europa, der weiterhin diplomatische Beziehungen zu Taiwan unterhält. Bischof Norbert Pu von Chiayi, Taiwan, der sich als Delegierter der Bischofssysnode in Rom aufhielt, sagte während des Empfangs gegenüber CNA, dass die diplomatische Anerkennung Taiwans seitens des Heiligen Stuhls wichtig sei nicht nur für die taiwanischen Katholiken, sondern für das gesamte taiwanische Volk.
„Taiwan und der Heilige Stuhl haben herzliche und freundschaftliche Beziehungen, die seit über 81 Jahren kontinuierlich gewachsen sind“, so Botschafter Lee bei dem Empfang. „Wir sind sehr stolz auf das, was wir gemeinsam erreichen konnten, um zur konsequenten Förderung von Frieden, Gerechtigkeit, Evangelisierung und humanitären Bemühungen auf der ganzen Welt beizutragen.“ Der Empfang bei der Taiwan-Botschaft war die vorgezogene Feier zu Taiwans Nationalfeiertag am 10. Oktober. Taiwan feiert an diesem Tag traditionell den Beginn des Wuchang-Aufstandes im Jahr 1911, der zum Sturz des chinesischen Kaiserreichs und zur Gründung der Republik China führte. Weltweit unterhalten nur 14 Staaten volle diplomatische Beziehungen zu Taiwan (Licas / Catholic News Agency 6.10.). kf

Katharina Feith (kf)
Isabel Friemann, China InfoStelle
Katharina Wenzel-Teuber (kwt)
Alle Quellenangaben in der „Chronik“ beziehen sich, wenn nicht anders angegeben, auf das Jahr 2023.

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